Atom-Uhren:Mit Strontium am Puls der Zeit

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Seit 1967 gibt die Frequenz einer Cäsiumatomuhr der Welt den Takt vor. In 30 Millionen Jahren geht sie nur um eine Sekunde falsch. Doch für einige Forscher ist das nicht exakt genug.

Thomas Rode

Seit 1967 gibt die Frequenz einer Cäsiumatomuhr der Welt den Takt vor. In 30 Millionen Jahren geht sie nur um eine Sekunde falsch. Dennoch arbeiten Wissenschaftler an einer neuen Generation von Atomuhren, um die Zeit noch genauer messbar zu machen. Das Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) in Boulder, Colorado, forscht dazu an einem ultrastabilen Laser. Dieser kann bestimmte Eigenschaften von Strontium-Atomen nutzen. Mit ihm ließe sich die Zeit zehnmal so exakt messen wie bisher.

Hochpräzise Zeitangaben spielen vor allem dort eine wichtige Rolle, wo es um große Entfernungen geht - in der Navigation und in der Telekommunikation. Schon um Ozeane zu überqueren und dabei im richtigen Hafen anzukommen, braucht ein Kapitän eine Uhr, die höchstens eine Sekunde pro Tag falsch geht. Damit und mit Hilfe der Sonne kann er seine Position bestimmen. Wesentlich genauer müssen hingegen die Uhren eines Satelliten-Navigationssystems wie GPS sein. Schon eine Abweichung von sechs Milliardstelsekunden kann eine Ortsabweichung von einem Meter bedeuten.

Erheblich genauere Zeitangaben benötigt die Navigationstechnik bei Weltraummissionen. Auf interplanetaren Flügen würden selbst winzige Abweichungen Sonden am Bestimmungsort vorbeifliegen oder auf ihm zerschellen lassen. Deshalb nutzt man Atomuhren, die höchstens im Bereich von Billiardstelsekunden falschgehen. Ihr Nachteil: Sie sind so groß wie ein Schrank. Handlichere Atomuhren werden in der Telekommunikation eingesetzt. Sie sind zwar nur ein Tausendstel so genau, dafür aber auch nicht größer als ein Schuhkarton.

Uhren in Schrankgröße

Eine noch genauere Zeitmessung als bisher möglich, könnte gefragt sein, wenn es darum geht, Erzlagerstätten aufzuspüren. Der Relativitätstheorie zufolge beeinflusst deren Gravitation den Gang von Uhren. Nur die neuen, sehr feinen Messgeräte wären überhaupt in der Lage, solche minimalen Abweichungen festzustellen. "Der Laser aus der Gruppe um Jun Ye von JILA hätte das Potential solche Änderungen zu messen", sagt Ekkehard Peik von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.

Um mit ihnen messen zu können, machen sich die Forscher die Eigenschaft der Elektronen eines Atoms zunutze, bei Anregung auf ein höheres Energieniveau zu springen. Diese durch Mikrowellen oder Licht ausgelösten Niveauübergänge strahlen beim Zurückfallen Energie ab, die gemessen werden kann. Das Pendeln zwischen den Niveaus ist vergleichbar mit dem schwingenden Pendel einer Uhr. Hat ein mitlaufender Zähler eine gewisse Anzahl Takte erreicht, rückt ein Sekundenzeiger um eins weiter.

Während in Uhren mit langsamen Pendeln ein Zählwerk diese Aufgabe übernimmt, werden in einer Cäsiumatomuhr die Schwingungen der freigesetzten Mikrowellenstrahlung gemessen. Je schneller das Pendel hin und her saust, desto feiner wird eine Sekunde unterteilt und desto genauer lässt sie sich messen. Die feinste Einteilung der Zeit liefern zurzeit optische Pendel. In diesen Atomuhren werden genau definierte Lichtwellen gemessen. Eine solche Uhr baute Ye aus Strontiumatomen und einem neuen Laser. Die abgestrahlte Frequenz konnten die Forscher mit sehr hoher Genauigkeit bestimmen (Science, Bd. 314, S. 1430, 2006). Umgerechnet auf eine Längenmessung lasse sich eine Strecke so groß wie die zwischen Erde und Sonne - gut 150 Millionen Kilometer - mit einer Ungenauigkeit von der Dicke eines menschlichen Haares bestimmen, so der Autor des Aufsatzes, Martin Boyd. Der Braunschweiger Forscher Peik ist überzeugt, dass solche optischen Uhren wegen ihrer Präzision die Cäsiumuhren ablösen könnten. Die kurzwellige Strahlung des Lasers sei leistungsfähig genug, die spezifischen Energieniveaus eines Strontiumatoms anzuregen, um eine höhere Auflösung der Zeit zu bekommen.

Die Strontiumatomuhr von Ye hat jedoch auch Konkurrenten. Peik selbst arbeitet mit einer Uhr, die ein Ion des Elements Ytterbium nutzt: "Sie zählt mit zu den genauesten Atomuhren." Die Exakteste unter ihnen sei jedoch die Quecksilberionenuhr der amerikanischen Eichbehörde National Institute of Standards and Technology, dem das JILA angeschlossen ist. Den beiden Uhren sei aber gemein, dass sie nur mit einem Ion arbeiten, was sehr schwache Signale liefere. Die Strontiumuhr hingegen nutze bis zu 10 000 Atome und biete ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis. Ob sich jedoch diese Technik oder eine andere Atomuhr als die bessere erweist, kann nur eines zeigen: die Zeit.

© SZ vom 19.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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