Artenschutz:Gefangen am Rio Grande

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Amerikas Grenzwall zu Mexiko schneidet vielen Tieren den Weg zu Wasserstellen und Artgenossen ab.

Daniel Lingenhöhl

Eigentlich wollte Warner Glenn in den Bergen Arizonas Pumas jagen, doch seine Hunde stöberten etwas anderes auf. Mitten im Südwesten der USA hatten sie einen ausgewachsenen Jaguar gestellt. Statt zum Gewehr griff der amerikanische Farmer zum Fotoapparat, schoss einige spektakuläre Bilder und ritt davon.

Seit 1963 galt der Jaguar in den USA als ausgestorben. Doch es gibt noch einige Exemplare. (Foto: Foto: Reuters)

Die Fotos aus dem März 1996 wurden berühmt, denn sie bewiesen, dass der Jaguar, der seit 1963 als ausgestorben galt, noch durch die USA streift.

"Mindestens vier Jaguare leben in Arizona und New Mexiko", sagen die Biologen Jack Childs und Emil McCain von der Humboldt State University im kalifornischen Arcata. Den seltenen Tieren stellen sie mit Kamerafallen nach ( Journal of Mammalogy, Bd.89, S.1, 2008).

Der Raubkatze droht allerdings nun das endgültige Aus in den USA: Seit 2007 errichtet die US-Regierung einen massiv gesicherten Zaun an der Grenze zu Mexiko. Er soll den stetigen Zustrom an Einwanderern reduzieren und verhindern, dass Terroristen ins Land kommen.

Nicht nur Menschenrechtsaktivisten lehnen das Projekt ab, sondern auch Umweltschützer. "Unsere Jaguare gehören zu einem Bestand, der vor allem in der mexikanischen Sonora-Wüste lebt. Der Grenzzaun isoliert sie von ihren Paarungspartnern, und das bedeutet ihr Ende in den USA", befürchtet Childs.

Die Katzen sind nicht die einzigen Opfer der Befestigung, die aus meterhohen Betonwänden und Stahlzäunen besteht: "Die Grenze zerschneidet Lebensräume und gefährdet Dutzende Tier- und Pflanzenarten. Zufahrtsstraßen, Flutlicht und Kontrollen mit Helikoptern oder Geländewagen vertreiben die Tiere und zerstören ihr Ökosystem", sagt Michael Robinson vom Center for Biological Diversity in New Mexiko, das sich für den Naturschutz im Grenzbereich einsetzt.

So sollen mitten im letzten Verbreitungsgebiet des Sonora-Gabelbocks in den USA fünf Beobachtungstürme errichtet werden, obwohl die Antilope sehr empfindlich auf Störungen reagiert. Während einer katastrophalen Dürre im Jahr 2002 wäre die Art beinahe ausgestorben. Die Population erholt sich nur langsam. Gerade mal 70 Tiere leben zurzeit auf US-amerikanischem Territorium.

Umweltgruppen sind erbost

Gefährdet sind auch die Kleinkatzen Ozelot und Jaguarundi, die in den USA nur im texanischen Tal des Rio Grande leben. Die Grenzanlagen schneiden den Tieren den Weg zu ihren Trinkstellen am Fluss ab und verhindern die Paarung mit mexikanischen Artgenossen.

Das mit dem Bau des Zauns befasste Department of Homeland Security (DHS) ist sich dieser Folgen bewusst: "Die Grenze beeinträchtigt wahrscheinlich Tierwanderungen, den Zugang zu traditionellen Wasserquellen und die Fortpflanzung mancher Arten", schreibt die Behörde.

Dennoch erlaubte die Bush-Regierung dem DHS, 30 Naturschutz- und Landnutzungsgesetze zu ignorieren und den Bau des Zauns voranzutreiben. Hundert Kilometer in Kalifornien, Arizona und New Mexiko wurden schon abgeriegelt.

Die üblichen Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Artenschutzmaßnahmen wurden dem DHS erlassen, was Umweltgruppen erbost. "Die Regierung missachtet selbst schwerste Bedenken bezüglich des Grenzwalls. Das Ausmaß der Sonderfreigaben ist unglaublich", ärgert sich John Flicker, Präsident der Vogelschutzorganisation Audobon.

Das DHS verweist auf Umweltschäden, die Schmuggler und Einwanderer im Grenzbereich anrichten. Hunderttausende versuchten jedes Jahr, illegal einzureisen und hinterließen riesige Müllberge und kaputte Autos, zerstörten die Vegetation und verschreckten Tiere, so die Behörde.

Der Zaun könne dies eindämmen. Umweltschützer bestätigen negative Folgen des ungeregelten Grenzverkehrs, sehen aber in den neuen Anlagen ein größeres Übel. "Zuerst sollten andere Mittel - moderne Fernüberwachung oder mehr Grenzschützer - eingesetzt werden, bevor man das Sperrwerk baut", sagt Niki McDaniel von Nature Conservancy. Die Organisation kauft Land, um dort Schutzgebiete einzurichten.

Immerhin will das DHS nun Hunderte kleiner Durchlässe im Grenzwall offenhalten, um die schlimmsten Folgen für den Ozelot und andere Arten abzuwenden. Die Tiere könnten durch die Löcher schlüpfen, um an das lebensnotwendige Wasser des Rio Grande zu gelangen. Dem Jaguar nutzen die Schlupflöcher nichts: Er ist zu groß.

© SZ vom 05.11.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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