Archäologie:Ausgrabungen in der Hippie-Villa

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Die Burdell Villa in San Francisco war die geistige Kommandozentrale der Hippie-Bewegung. Nun sucht ein Archäologe dort nach Artefakten.

S. Herrmann

Die Leute nannten das Gebäude im Norden San Franciscos das "Weiße Haus der Hippies". In der Burdell Villa hatte sich während des Sommers der Liebe 1967 eine langhaarige Kommune eingerichtet. Sie nannten sich die "Chosen Family" - die auserwählte Familie. Jerry Garcia von The Greatful Dead, Grace Slick von Jefferson Airplane und andere Musiker rauchten hier ihre Joints.

(Foto: Foto: California State Parks)

Auch der LSD-Guru Timothy Leary war häufiger Gast in der geistigen Kommandozentrale der kalifornischen Hippie-Bewegung. Die Mitglieder der Kommune bauten Gemüse an, kümmerten sich um ihre Pferde, verteilten Brot an die Bedürftigen San Franciscos. Das Hippie-Klischee währte nur kurz, das 22-Zimmer-Anwesen im Olompali-Park brannte 1969 infolge eines Kurzschlusses ab.

Zwölf Jahre später stand Breck Parkman vor den Trümmern des Weißen Hauses der Hippies. Er war 1971 nach Kalifornien gezogen und trat 1981 seine Stelle als Archäologe des Staatsparks an, auf dessen Gebiet das Haus lag.

Der vollbärtige Mann bewegte sich an die Grenzen der Archäologie: "Ich wollte Ausgrabungen in der Burdell Villa machen." Nur zwölf Jahre nachdem das Haus abgebrannt war. Wollte da ein sentimentaler Mensch nicht einsehen, dass die goldene Zeit der Hippies vorbei war? Parkman fand keine Unterstützung für seine allzu gegenwartsnahe Hippie-Archäologie.

Erst 16 Jahre später ergab sich die Gelegenheit, als die letzten Überreste der Burdell Villa abgerissen werden sollten. Weil das Haus mit Asbest verseucht war, packten die Arbeiter damals sämtlichen Schutt samt potentieller Fundstücke in 25 Fässer. Diese Tonnen hat Parkman nun geöffnet, die Funde fachgerecht sortiert, analysiert und katalogisiert.

Den Inhalt dieser 25 Fässer würden die meistens Menschen wohl als Müll bezeichnen. Breck Parkman versieht die zerbrochenen Schallplatten, kaputten Teller und alten Schuhe mit einem ehrfürchtigeren Begriff. "Das sind Artefakte", sagt der Archäologe. "Artefakte der Hippie-Bewegung." Artefakt ist ein Begriff, den Parkman sehr häufig benutzt. Welchen Wert stellen diese Gegenstände aber dar, die in Second-Hand-Läden oder auf Flohmärkten in unversehrtem Zustand zu haben wären?

"Die Archäologie erlaubt es uns, die nüchternen Fakten zu betrachten", sagt Parkman. Im Falle der Burdell Villa handelt es sich bei einem Teil der Fakten um Knochen von Schweinekoteletts und Rindersteaks. Parkman hat zahlreiche Reste von Fleischmahlzeiten zwischen leeren Bierdosen, zerbrochenen Tellern und Tassen gefunden.

Was verraten diese Fakten? "Hippies aus der Burdell Villa, mit denen ich gesprochen habe, beteuern alle, dass sie Vegetarier waren", sagt Parkman. Versteckten sich die Bewohner der Kommune also nur hinter einer scheinbar friedlichen Fassade aus langen Haaren und Gemüsegerichten? "Nein, die Knochen erzählen von einem Teil des Niedergangs der Kommune", sagt Parkman.

Teilnehmer des Festivals in Woodstock1969. In diesem Jahr brannte die Burdell Villa ab. (Foto: Foto: dpa)

Dann kamen die Fleischesser

Bald nämlich litt die Gemeinschaft in dem großen Haus unter dem Zuzug immer neuer Menschen. Zuvor galten noch die Verhaltensregeln der auserwählten Familie, mutmaßlich handelte es sich um Putzpläne und Küchendienste. Mit der Zahl der Bewohner wuchsen aber die Probleme.

Harte Drogen tauchten auf, die selbst auferlegten Regeln sorgten nun mehr für Streit als für ein gemeinsames Leben ohne Sorgen. So seien auch Fleischesser in die Kommune der Vegetarier gezogen, sagt Parkman. Und zum Fleisch gab es Bier, unter den Artefakten des Archäologen finden sich zahlreiche angerostete Bierdosen der Marken Budweiser, Busch, Olympia und Coors.

Unter den Fundstücken ist auch ein Arzneischränkchen mit Aspirin und Zahnpasta. Zudem fand Parkman Tonbänder und einen großen Stapel Langspielplatten. Statt Psychedelic-Rock handelte es sich um Jazz und Rumba aus den vierziger und fünfziger Jahren. "Die Platten gehörten Sandra Barton, der ältesten Bewohnerin der Kommune", sagt Parkman. Die Schallplatten passen nicht ins Hippie-Klischee, dafür aber eine Lavalampe, die auch im Schutt steckte.

Die zerbrochenen Teller und die anderen Sachen seien allein deshalb Artefakte, weil die Hippies sie benutzt haben, sagt Parkman. "Die Tatsache, dass die Dinge echt sind, macht sie interessant und zu einem Zeugnis dieser politisch so wichtigen Zeit." Ein alter Teller ist dann nicht mehr nur ein alter Teller, wenn Jerry Garcia seinen Joint darauf ausgedrückt hat. Die meisten Leute, die von Parkmans Projekt hören, schütteln nur den Kopf. Aber das haben sie auch getan, als die Hippies noch in der Burdell Villa lebten.

© SZ vom 13.03.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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