Vicente Conde hat nicht das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun. Was sollte an Erdbeeren schlecht sein? Auf fünf Hektar Fläche baut er die Früchte nahe der südspanischen Stadt Huelva an.
,,Ein gutes Geschäft'', sagt der drahtige Mann, als er mit Gummistiefeln durch den nassen Sand stapft.
Jetzt im Winter greifen die Konsumenten in mitteleuropäischen Supermärkten gerne zu den Körbchen mit den dicken, roten, perfekt geformten, etwas wässrigen Beeren der Züchtung Freson.
Die reifen im warmen andalusischen Klima schon von Dezember an, weshalb Huelva Spaniens größtes Erdbeeranbaugebiet ist.
10.000 Euro pro Hektar und Saison bringt das etwa ein. Der Aufwand ist gering: Plastikfolie über die Beete, ein halbes Dutzend Erntearbeiter aus Osteuropa, die Brunnen für die Bewässerung bohrt der Bauer selbst. Den Grund hat er von der Gemeinde gepachtet, ,,alles legal'', versichert Vicente Conde.
,,Von wegen legal'', sagt Felipe Fuentelsaz, andalusischer Aktivist des Umweltverbandes WWF. Der Bauer habe einen Wald gepachtet, keinen landwirtschaftlichen Grund. Die Pinien aber hat Vicente Conde abgehackt, seine Nachbarn rundherum taten dasselbe. So frisst sich die graue Plastikwüste in einen der letzten großen Wälder der Region, die zu den trockensten Spaniens zählt.
2000 Hektar Wald sind bei Huelva in den vergangenen Jahren Erdbeerplantagen geopfert worden, und es werden immer mehr. Allein 2005 tobten dort 30 Waldbrände. Kurz danach sprießen meist schon die Erdbeeren. Die Behörden schauen weg. Hier hat man das immer so gemacht.
Brüssel selbst befeuert den Raubbau
Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Tomaten, Gurken, Kopfsalat: Die industrielle Landwirtschaft hat dafür gesorgt, dass große Teile Südspaniens im Satellitenbild so aussehen, als hätte jemand eine gigantische Plastiktüte darüber gestülpt. Allein in den Erdbeerfeldern bei Huelva fallen jährlich 4500 Tonnen Plastikabfall an, der zum Recyclen in die USA verschifft wird. Noch beunruhigender aber ist der unstillbare Wasserdurst der wuchernden Agrarindustrie.
Das spanische Umweltministerium schätzt, dass die Landwirtschaft im ganzen Land etwa eine halbe Million illegaler Brunnen betreibt, die pro Jahr eine Grundwassermenge fördern, die den Bedarf von fast 60 Millionen Menschen decken könnte. Manche Bohrlöcher reichen bis zu 1200 Meter in die Tiefe, wie bei der Stadt Jaen. Dort ist man darauf gekommen, dass Olivenbäume die dreifache Menge Früchte tragen, wenn man sie bewässert. Der Grundwasserspiegel sinkt dramatisch.
Und das in einer Region, die vom Klimawandel besonders stark betroffen ist. In Spanien haben drei Dürresommer in Folge die Reserven in den Stauseen auf 40 Prozent ihrer Kapazität sinken lassen. In Nachbarländern wie Marokko zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Fast zwei Drittel des Mittelmeerraums drohen laut EU-Daten in den nächsten Jahrzehnten zu Wüsten zu werden.
Doch Brüssel selbst befeuert den Raubbau, indem die EU-Subventionen in den Anbau auch unsinniger Feldfrüchte wie Zuckerrüben pumpt und so zur Überproduktion anspornt. 30 Prozent der Erdbeer-Ernte von Huelva wurde 2005 vernichtet.
Weil das Grundwasser langsam knapp wird, sollen Flüsse umgeleitet und Reservoirs angezapft werden. So hofft Bauer Vicente Conde darauf, dass er bald über eine Pipeline Wasser vom Rio Tinto bekommt. Für Guido Schmidt vom spanischen WWF eine Horrorvision. Der ,,Schwarze Fluss'' heißt so, weil er aus der Minenregion in der Sierra Morena kommt und voller Schwermetalle ist.
70 Prozent der Erdbeer- und Reisbauern der Gegend fördern aus illegalen Brunnen. Vicente Conde schöpft Wasser aus drei Bohrlöchern, die 30 Meter tief sind. Als er vor zwölf Jahren anfing, reichten sieben Meter Tiefe.
Alle Erdbeerfelder Huelvas zusammen brauchen im Jahr 20 Millionen Kubikmeter Wasser, für eine Ernte von 200.000 Tonnen, die Hälfte geht in den Export, 45 Prozent davon nach Deutschland.
Dieser Appetit deutscher Konsumenten auf Erdbeeren im Februar gräbt dem nahe Huelva gelegenen Naturpark Doñana buchstäblich das Wasser ab. Die Doñana ist ein wichtiges Habitat für Zugvögel, Amphibien, Luchse, Otter, Adler.
"Ich bin eine Gefahr für die Menschen hier"
Die Wassermenge, die dort ankommt, ist in den vergangenen Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Guido Schmidt warnt: ,,Wenn es so weiter geht, ist die Doñana in einigen Dekaden eine Savanne.''
Gäbe es einen Preis für den unbeliebtesten Mann Andalusiens, Javier Serrano hätte alle Chancen, ihn zu gewinnen. Er hat im vergangenen Jahr bei Huelva 20 von 10.000 illegalen Brunnen dichtgemacht.
Nicht viel, doch für die Umweltschützer ist der Wasserinspektor des Guadalquivir-Beckens ein einsamer Held, weil er - anders als viele Kollegen - überhaupt etwas unternimmt. Bauern und Bürgermeister hassen ihn.
,,Ich bin eine Gefahr für die Menschen hier'', sagt der ruhige Mann mit der dicken Brille. Er durchforstet die Wälder nach illegalen Bohrlöchern, die es hier zuweilen im Abstand weniger Meter gibt.
Er tritt auch manchmal im Fernsehen auf. Da sagt er dann, er verstehe ja die soziale Spannung, die er auslöse. Die Leute fürchteten um ihre Lebensgrundlage. Das Problem sei: sie hätten kein Unrechtsbewusstsein. Bis 1986 war Wasser Eigentum des jeweiligen Grundbesitzers. Jeder konnte bohren, wie er wollte. Angesichts der gewaltigen Probleme, die das auslöste, änderte Madrid die Gesetze. Das aber, sagt Javier Serrano, sei nur der erste Schritt. ,,Wir müssen hier unsere ganze Kultur ändern.''
WWF mit Überzeugungsarbeit
Der WWF preist ausdrücklich Bauern wie Juan Clar als Vorbild an. Der zieht seine Erdbeeren wenigstens auf Feldern, die ordnungsgemäß als landwirtschaftlicher Grund ausgewiesen sind, und bezieht Wasser legal. Zwar benutzt auch er Pestizide, aber was bleibe ihm anderes übrig, sagt er: Ökologische Produktion habe keine Chance. Die Supermärkte in Mitteleuropa verlangten allerbeste Qualität zu günstigsten Preisen.
Der WWF versucht derzeit, Supermarktketten wie Migros und Coop zu überreden, bei der Bestellung der Ware darauf zu achten, dass sie legal produziert sei. Beim holländischen Unternehmen Albert Heijn hatte der Umweltverband bereits Erfolg.
Umweltschützer wie Felipe Fuentelsaz versuchen die Gemeinden zu überreden, für den Erdbeeranbau nur baumlose Brachflächen zu verpachten. Den Farmern schlägt er sparsame Bewässerungsmethoden über computergesteuerte Sonden vor. Er fordert, den abgeholzten Wald wieder aufzuforsten, schließlich sei der wichtig für den Klimaschutz und - anders als Erdbeermonokulturen - Lebensraum für die mediterrane Tier- und Pflanzenwelt.
Doch da ist noch viel Bewusstseinsbildung nötig, denn Bäume gelten in Spanien nach herkömmlicher Denkweise als etwas, das im Weg steht. So antwortet Bauer Juan Clar auf die Frage, was auf seinen Feldern war, bevor er Erdbeerfelder anlegte: ,,Nichts. Pinien.''