Alkoholkonsum:Der Preis des Saufens

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Exzessiver Alkoholkonsum könnte schlimmere Folgen haben als bisher vermutet. Forscher warnen nun vor einem extremen Anstieg der Demenzerkrankungen.

W. Bartens

Dass bei jedem Vollrausch Zehntausende Nervenzellen verlorengehen, wissen auch geübte Zecher. An ihrem Verhalten ändert das jedoch wenig. Entweder haben sie sich bereits so sehr um den Verstand getrunken, dass die Folgen nicht mehr beunruhigend wirken - oder sie halten den Verlust für nicht so gravierend.

Bei jedem Vollrausch gehen Zehntausende Nervenzellen verloren. (Foto: Foto: ddp)

Schließlich verfügt sogar ein nur wenig beanspruchtes Gehirn vermutlich über mehr als 100 Milliarden Nervenzellen. Nach neueren Schätzungen sind es sogar bis zu einer Billion Neuronen.

Dass die Schäden durch exzessiven Alkoholkonsum schlimmer sein könnten als bisher vermutet, legen neue Untersuchungen aus Großbritannien nahe. Die Psychiater Susham Gupta und James Warner warnen davor, dass Alkohol zu weitaus mehr Demenz-Erkrankungen führt als Forscher annehmen ( British Journal of Psychiatry, Bd.193, S.351, 2008).

Zahl der Alkoholkonsumenten hat sich verdoppelt

Die beiden Ärzte aus London berichten, dass in Großbritannien die Menschen mittlerweile etwa doppelt so viel Alkohol trinken wie in den 1960er-Jahren. Ein ähnlicher Trend sei in anderen Industrienationen zu beobachten, was daran liegen könnte, dass Alkohol immer noch verhältnismäßig billig sei. Im Vergleich zum durchschnittlichen Haushaltseinkommen habe sich der Preis für Alkoholika in den vergangenen 40 Jahren sogar halbiert.

"Kommende Generationen werden einen übermäßigen Anstieg alkoholbedingter Demenzerkrankungen erleben", sind Gupta und Warner überzeugt. "Man muss nur die neurotoxischen Effekte des Alkohols berücksichtigen und den Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs betrachten." Allein seit dem Jahr 2000 sei er von sechs Liter reinen Alkohols auf 11,5 Liter gestiegen.

Demenz-Erkrankungen sind durch Gedächtnisverlust, Denkstörungen und Spracheinbußen gekennzeichnet. Das bekannteste und mit mehr als 50 Prozent häufigste Demenz-Leiden ist die Alzheimer-Erkrankung. Die zweithäufigste Ursache für Demenzen geht auf Gefäßschäden zurück, etwa wenn Hirngewebe durch Bluthochdruck oder kleine Schlaganfälle irreversibel geschädigt wird.

Hochprozentiges greift das Gehirn mittelbar an

Nach Hochrechnungen der britischen Forscher sind mindestens zehn Prozent der Demenzen auf Alkohol zurückzuführen. Durch die Auswirkungen exzessiver Trinkgelage - in Deutschland oft Komasaufen genannt - könnte sich der Anteil an den Demenzerkrankungen jedoch schon bald auf 25 Prozent erhöhen.

Im September wurden anlässlich einer Demenztagung die Risiken für Alkoholiker diskutiert. Ihr Gehirn ist zusätzlich besonders in Gefahr, weil Alkoholkranke oft für längere Zeit nichts essen. Das sei bei den Kampftrinkern, die an den Wochenenden die Innenstädte bevölkern und in möglichst kurzer Zeit möglichst betrunken werden wollen, nicht der Fall.

"Da sich das Trinkverhalten verändert, müssen wir mehr über den Zusammenhang zwischen Alkohol und der verheerenden Demenzerkrankung erfahren", sagt Susanne Sorensen von der britischen Alzheimer-Gesellschaft. Der direkte Nachweis lässt sich nur durch Untersuchung des Gehirns erbringen. Typische Symptome sind jedoch alkoholbedingte Gedächtnislücken, Zittern, Nervenschäden bis hin zu epileptischen Anfällen und dem Delirium tremens.

Ärzte wissen, dass Alkoholika in mehrfacher Hinsicht das Gehirn schädigen. Hochprozentiges wirkt nicht nur toxisch auf Nervenzellen, sondern greift das Gehirn auch mittelbar an, indem Blutdruck und Blutfette erhöht werden. Nach aktuellen Hochrechnungen sind in Deutschland mindestens vier Millionen Menschen alkoholabhängig.

Weitere fünf Millionen Menschen trinken so oft oder so viel, dass sie als stark suchtgefährdet gelten. Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass der gelegentliche exzessive Vollrausch gefährlicher ist als regelmäßiges gemäßigtes Trinken. So hatten finnische Komasäufer nicht nur mehr Hirnschäden, sie starben auch früher als moderate Trinker.

© SZ vom 04.11.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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