Zwischen den Zahlen:Konsum

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Wer sich als bekennender Konsument outet, muss sich nicht immer schämen. Konsum ist nichts Schlechtes, solange man die erworbenen Güter und Dienstleistungen auch nutzt.

Von Michael Kuntz

Das Wort Konsum ist meistens negativ behaftet. Dafür gibt es wie für viele Dinge im Leben mehrere Erklärungen. Eine davon hat mit der DDR zu tun.

Ältere Menschen werden sich noch daran erinnern, dass da, wo es nach Plaste und Elaste roch, auch ein sozialistischer Supermarkt nicht weit war: der Konsum. Es war ein planwirtschaftlich gesteuerter Ort, an dem nicht wenige Träume Träume blieben.

Noch ältere Menschen mit bundesrepublikanischem Hintergrund waren vielleicht mal in einem Konsum in Westdeutschland, den genossenschaftlich geführten Lebensmittel-Läden, die in den 1970er-Jahren in der Co op AG aufgingen, deren Chef nach skandalösen Finanzgeschäften schließlich für viereinhalb Jahre ins Gefängnis musste.

Doch nicht nur historisch ist das Wort Konsum belastet. So fanden britische Demoskopen heraus, dass die Verbraucher auf der Brexit-Insel rund die Hälfte aller Kleidungsstücke, die sie sich kaufen, niemals tragen. Und unbenutzte Klamotten hängen sicher nicht nur in den Kleiderschränken von Briten. Eine an Büfetts immer wieder zu beobachtende Sitte ist mindestens ebenso verwerflich: Sich den Teller voll zu laden und dann die Hälfte der Lebensmittel stehen zu lassen.

Konsum an sich ist nichts Schlechtes, solange man die erworbenen Güter und Dienstleistungen auch wirklich benutzt und genießt, meint der Historiker Frank Trentmann vom Londoner Birkbeck College, der gerade ein Buch schreibt über diese Fragen und grundsätzlich fordert, die westlichen Gesellschaften müssten ihr Konsumverhalten überdenken.

Der Mensch braucht nützliche und auch unnütze Dinge, denn Souvenirs, Möbel und Lieblingskleider schaffen Identität. Doch weisen Dienstleistungen gegenüber Gütern schon einmal einen unbestreitbaren Vorteil auf: man braucht sie nicht aufzubewahren, im Regal abzustauben und auch nicht dem Schenkenden vorzuzeigen, wenn er zu Besuch kommt. Die Dienstleistung Reise zum Beispiel zählt zu den Genüssen, wo es den Konsum sofort gibt und das gemeinsame Erlebnis als Erinnerung vergleichsweise problemlos aufbewahren lässt. Es ist nicht sofort verbraucht, denn es lässt sich auch später noch im Gespräch mit anderen teilen. Mit Theater- oder Konzertbesuchen oder anderen Arten von Events verhält es sich ähnlich. Was zählt, ist das Erlebnis, das immaterielle Gut bleibt umweltfreundlich im Gedächtnis haften.

Es gibt ihn also, den Konsum, für den man sich nicht schämen muss und der Menschen einander näher bringt. Der Forscher Frank Trentmann formuliert es so: "Konsum ist auch so etwas wie der Kitt der Gesellschaften."

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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