Zweckoptimismus an den Börsen:"Vom Papier her scheint Löscher gut"

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Analysten reagierten überwiegend positiv auf die Berufung Peter Löschers zum neuen Siemens-Chef. Zwar ist der Österreicher branchenfremd und weitgehend unbekannt. Doch das soll die Aufbruchstimmung an den Börsen nicht trüben.

Analysten reagierten überwiegend positiv auf die Berufung von Peter Löscher zum Siemens-Vorstandschef. Zwar wird in den Kommentaren zu der Personalentscheidung die mangelnde Bekanntheit Löschers als Nachteil angesehen. Doch seine bisherigen Erfolge und seine internationalen Erfahrungen machten seine fehlenden Branchehkenntnisse wett, so der Tenor an den Börsen einen Tag nach der Entscheidung des Siemens-Aufsichtsrats.

Löscher sitzt seit April 2006 im Vorstand des US-Pharmariesen Merck und ist bisher in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Am 1. Juli übernimmt er die Leitung des Konzerns mit rund 475.000 Mitarbeitern weltweit. Die Siemens-Aktie reagierte mit einem Kursanstieg um 1,3 Prozent.

UBS hat die Siemens-Aktie nach der Neubesetzung der Führungsspitze mit "Buy 2" bestätigt. Die Wahl des ehemaligen Merck-Managers Peter Löscher zum neuen Siemens-Chef sei eine sehr gute Entscheidung, schrieb Analyst Michael Hagmann in einer Studie vom Montag.

Auch die Berufung von Heinrich Hiesinger in den Zentralvorstand sei positiv. Das "Fit for 2010"-Programm sowie die Portfolio-Neuausrichtung dürften unter der Führung Löschers fortgesetzt werden, hieß es. Das Kursziel bleibt 107 Euro.

"In der Lage, Potenziale einzuschätzen"

Löschers Profil erfülle die meisten Eigenschaften, die von dem künftigen CEO von Siemens erwartet würden. Seine internationale Erfahrung und bisherigen Erfolge würden die fehlende Branchenkenntnis wettmachen.

Durch seine Arbeit bei General Electric (GE) sollte Löscher zudem in der Lage sein, das Potenzial der entsprechenden Geschäftsbereiche richtig einzuschätzen. Für die Medizintechnik-Sparte dürfte er durch seine Kenntnisse im Healthcare-Bereich sofort einen Beitrag leisten.

Mit der Einstufung "Buy 2" geht die UBS davon aus, dass der Gesamtertrag der Aktie (Kursgewinn plus Dividende) den Gesamtmarkt in den kommenden zwölf Monaten um mindestens sechs Prozent schlägt. Die Ziffer 2 bedeutet, dass die Schwankungsbreite der Aktie vergleichsweise hoch eingeschätzt wird. Entsprechend ist die Prognose der Analysten mit größerer Unsicherheit behaftet.

"Guter industrieller Hintergrund"

Roland Pitz von HVB betont vor allem die Erfahrungen Löschers in der Gesundheitsbranche: "Löscher hat einen guten industriellen Hintergrund, er kommt aus der Gesundheitsbranche. Er hat die Chance, das Unternehmen erfolgreich nach vorne zu bringen. Er hat schon viel geleistet bei den Unternehmen, bei denen er war. Er ist ein charakterstarker Manager und hat damit die Chance, das Unternehmen zu seinen Zielen für 2010 zu bringen, die sehr ehrgeizig sind und eine sehr starke Persönlichkeit brauchen."

Dagegen kritisiert Jochen Klusmann von der BHF-Bank die mangelnde Bekanntheit des neuen Siemens-Chefs: "Ich kenne ihn nicht. Das dürfte das Hauptproblem vieler Leute sein, die sich mit Siemens beschäftigen. Er ist total unbekannt, der Name sagt gar nichts. Er kommt nicht aus der Industrie, er kommt nicht von einem Wettbewerber oder einem ähnlichen Unternehmen. Ich finde es gut, dass es jemand von außen ist, dass er relativ jung ist und auch einen angelsächsischen Hintergrund hat. Er ist jemand, der im Prinzip das vorantreiben kann, was Kleinfeld angefangen hat. Aber das ist eben nur, wie es vom Papier her scheint. Wir kennen ihn selber nicht."

"Ich kenne ihn nicht"

Ingo Queiser von Kepler Equities sieht die Schwierigkeiten, die ein Vorstandsvorsitzender in einem Mischkonzern wie Siemens hat: "Ich kann nicht viel sagen, weil ich Peter Löscher nicht von früher kenne. Er hat viel internationale Erfahrung, vor allem in der Medizintechnik. Das ist sicherlich gut, weil das ein wichtiger Bereich von Siemens ist. Aber in einem großen Konzern wie Siemens gibt es auch andere Geschäftsfelder, und das wird eine Herausforderung für ihn sein. Aber es gibt keinen Grund zu glauben, dass er das nicht schaffen kann. Gut ist, dass sie sehr schnell einen Ersatz gefunden haben. Scheinbar haben sie gezielt einen Outsider an Bord geholt, der auf keinen Fall mit den Affären bei Siemens in Verbindung steht."

"Zielgerichtet, bodenständig, relativ jung"

Ben Uglow von Morgan Stanley erwähnt die persönlichen Merkmale des Österreichers: "Der Fokus auf der Medizintechnik ist wohl ein Plus; auch wenn manche überrascht sein mögen, dass er bis jetzt noch keine Top-Position bei einem großen Unternehmen innehatte. Er wird als zielgerichtet und bodenständig beschrieben. Er hatte zunächst die Aufgabe, Vertrieb und Marketing von Merck zu restrukturieren. Er hat signifikante US- und internationale Erfahrung und ist relativ jung - eigentlich wie Kleinfeld."

Neben der Kritik, sich für einen Unbekannten zu entscheiden, hebt Steubing-Analyst Heino Ruland auch die Verdienste von Löschers Vorgänger hervor: "Da kann man wenig sagen, weil Peter Löscher vorher öffentlich kaum in Erscheinung getreten ist und man ihn kaum kennt. Wir können Löschers Qualifikation nicht erörtern, weil er seine Verdienste bei Pharma-Unternehmen erworben hat. Aber Kleinfeld hat gute Arbeit geleistet, um Siemens zu dem zu machen, was es heute ist: ein erfolgreich restrukturiertes und profitables Unternehmen."

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