Zuschauerschwund:Good Bye, Kino!

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Fehlende Kassenknüller, Raubkopien, Internet-Downloads und Sommer-Hitze: Den deutschen Filmtheatern laufen die Zuschauer davon.

Von Ulf Brychcy

(SZ vom 20.08.2003) — Eigentlich erscheint die Sache ziemlich simpel. Wenn das Publikum die neuen Action- und Fantasyfilme aus Hollywood langweilig findet, dann bleiben eben viele Kinosessel leer.

Von Januar bis Ende Juni müssen die meisten Streifen offenbar besonders öde gewesen sein. Der Kinobesuch ist so heftig eingebrochen wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr: Gut elf Prozent weniger Zuschauer und 12,5 Prozent weniger Umsatz hat die Filmförderungsanstalt (FFA) in den etwa 1840 Kinos registriert.

Nur 71 Millionen Tickets verkauft

Nur noch 71,3 Millionen Besucher haben im ersten Halbjahr eine Kinokarte gekauft. Da konnte auch der deutsche Überraschungserfolg Good Bye, Lenin! mit seinen sechs Millionen Zuschauern nichts mehr herausreißen.

"Wir müssen nach den Gründen fragen", sagt FFA-Vorstand Rolf Bähr und wirkt dabei etwas ratlos. Kinobetreiber, Filmverleiher und die Produzenten fürchten sich davor, dass ihre Geschäfte - ähnlich wie in der Musikindustrie - dauerhaft nach unten gehen könnten.

Viele Kinos kämpfen ums Überleben, die Pleite der Ufa-Theater erschütterte die Branche. Doch jetzt enttäuschen nicht nur in Deutschland die Besucherzahlen, sondern auch in den großen Filmnationen USA und Frankreich.

Für Michael Schmidt-Ospach, Chef der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, steht fest: "Hollywood hat in diesem Jahr versagt." Die Kassenknüller fehlen, Streifen wie Catch me if you can von Steven Spielberg (3,4 Millionen Zuschauer) oder der zweite Teil vom Herrn der Ringe (mehr als zehn Millionen Besucher) waren die großen Ausnahmen.

In den nordamerikanischen Filmfabriken hapert es mit der Kreativität. Zu viele einst erfolgreiche Streifen wurden in diesem Jahr als matte Fortsetzungen auf die Leinwand gebracht - das Dschungelbuch ebenso wie Matrix, Drei Engel für Charlie oder, seit vergangener Woche, Arnold Schwarzeneggers Terminator, dritter Teil.

Wieder mehr Originalstoffe

Das Publikum mag nicht mehr und bleibt aus, Hollywood steuert deshalb um. "Es werden wieder mehr Originalstoffe gedreht", sagt Martin Bachmann, Deutschland-Chef des Sony-Studios Columbia Tristar.

Doch auch die deutsche Filmbranche hat bislang wenig geglänzt. Bis auf Good Bye, Lenin!, der im ersten Halbjahr den Marktanteil deutscher Kinoproduktionen im Alleingang auf rekordverdächtige 16 Prozent katapultiert hat, ist nicht viel passiert.

Was aus Sicht des Berliner Filmproduzenten Christoph Ott (Bella Martha) bedauerlich ist: "Wenn der nationale Markt stark ist, dann boomt das gesamte Kino."

Es gibt aber noch weitere Ursachen für die enttäuschenden Zuschauerzahlen, glaubt FFA-Vorstand Bähr. Da ist der heiße Jahrhundertsommer, der im Juli für eine noch stärkere Flaute gesorgt hat. Wer schwitzt schon gern im Kinosaal, wenn Freibäder und Biergärten locken?

Viel beunruhigender als die Großwetterlage sind für die gesamte Film- und Kinowirtschaft allerdings die Raubkopien. Es kommt immer häufiger vor, dass aktuelle Hollywood-Streifen bereits Wochen vor ihrem Deutschland-Start illegal zu haben sind - als DVD oder aus dem Internet. Vor allem Jugendliche ersparen sich dann den zumeist kostspieligen Kinobesuch.

Bähr und Bachmann jedenfalls warnen bereits vor einschneidenden wirtschaftlichen Folgen.

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