Zusatzbeiträge für Krankenkassen:"Irgendwann ein Dammbruch"

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Noch versuchen die Krankenkassen die gesetzlich möglichen Zusatzbeiträge für ihre Mitglieder mit aller Kraft zu vermeiden. Doch Verbandsfunktionäre stimmen die Bürger schon auf den zusätzlichen Obolus ein.

Die Krankenversicherer schlagen Alarm: Zahlreiche gesetzliche Krankenkassen müssen nach Auffassung ihres Spitzenverbandes 2010 mehr Geld von ihren Versicherten einfordern. "Ich gehe davon aus, dass es im nächsten Jahr Zusatzbeiträge bei vielen Kassen geben wird", sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer im brandenburgischen Mittenwalde.

Die Krankenkassen leiden unter dem immer größer werdenden Druck durch die Finanzkrise. (Foto: Foto: ddp)

Der finanzielle Spielraum der Kassen sei knapp. Allerdings versuchten sie derzeit noch mit allen Mitteln, solche Beiträge zu verhindern, um keine Mitglieder zu verlieren. "Ich gehe davon aus, dass es irgendwann einen Dammbruch geben wird, wenn die ersten damit rauskommen." Es sei unklar, wie lange die Kassen dem immer größer werdenden Druck durch die Finanzkrise noch standhielten.

Zusatzbeiträge müssen diejenigen Krankenkassen von ihren Mitgliedern einfordern, die mit dem zugewiesenen Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Der Obolus darf maximal ein Prozent des Einkommens betragen.

Mehr Fusionen

Er würde neben dem allgemeinen Beitragssatz fällig, der zum 1. Juli von 15,5 auf 14,9 Prozent sinkt. Ursprünglich war schon zur Mitte des Jahres mit Zusatzbeiträgen bei zahlreichen Kassen gerechnet worden. Laut dem Präsidenten des Bundesversicherungsamts (BVA), Josef Hecken, wird es dazu zunächst nur bei zwei bis drei kleineren Kassen kommen.

Nach den Worten Pfeiffers versuchen viele Kassen derzeit, durch Fusionen einen Zusatzbeitrag zu umgehen. In nächster Zeit werde es zu weiteren Zusammenschlüssen kommen. "Da wird in allen möglichen Bereichen über Fusionen geredet und sie stehen auch an."

Die Verbandschefin wollte sich aber nicht festlegen, wie stark die Zahl der zurzeit noch 196 Kassen in den kommenden Monaten schrumpfen wird. Fusionen seien auch ein Mittel, um eine Insolvenz zu umgehen, betonte Pfeiffer.

Kurzfristige Lösungen notwendig

Ab Januar nächsten Jahres werden die einzelnen Kassen per Gesetz insolvenzfähig. Unlängst haben sie sich darauf verständigt, wie im Falle einer drohenden Pleite vorgegangen werden soll. Demnach muss zuerst die jeweilige Kassenart einer von Schließung oder Insolvenz bedrohten Kasse helfen, erst in einem weiteren Schritt springt der GKV-Spitzenverband ein. Dieser kann auch eine Fusionshilfe gewähren.

Pfeiffer betonte, die Finanzkrise erfordere kurzfristige Lösungen, um die Finanzsituation der Kassen zu verbessern. Da die Beschäftigung durch den Konjunktureinbruch zeitversetzt abnehme, wirke sie sich auch auf die davon abhängige Krankenversicherung erst verspätet aus.

Für 2010 sei die Perspektive noch schlechter als in diesem Jahr, in dem dem Gesundheitsfonds Schätzungen zufolge 2,9 Milliarden Euro fehlen werde. Der Bund hat daher ein Darlehen von vier Milliarden Euro zugesagt. Pfeiffer forderte erneut, dieses in einen Zuschuss umzuwandeln. Ansonsten müsste der Kredit bis Ende 2011 an den Staat zurückgezahlt werden. Auch Unternehmen werde in der derzeitigen Krise letztlich vom Staat geholfen.

Strenge Prüfung von neuen Arzneimitteln verlangt

Um die Arzneiausgaben zu senken, macht sich der Verband für eine genaue Prüfung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von neuen, patentgeschützten Arzneimitteln stark.

Bislang kann ein Unternehmen dafür den Preis nach eigenem Ermessen festsetzen, was den Kassen ein Dorn im Auge ist. Sie wollen daher eine sogenannte "vierte Hürde" einführen, nachdem ein Medikament die ersten drei Hürden Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität durchlaufen hat. "Bevor wir abgezockt werden, muss hier demokratisch legitimiert ein vernünftiger Preisbildungsprozess her", forderte Verbandsvize Johann-Magnus von Stackelberg.

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