Zulieferer:Silicon Stuttgart

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Zündkerzen, Bremsen, Dieselpumpen (wie hier im Foto) - das war gestern. Heute sagt Bosch: "Wir sind ein Softwareunternehmen." (Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Bosch profitiert vom Wandel in der Autobranche. Für die Konzerne sind die Schwaben ein großer Lieferant, für Google ein wichtiger Partner.

Von Max Hägler, Frankfurt

Schon der Platz zeugt von Selbstbewusstsein: In einer Halle mit großen Autoherstellern wie Nissan oder Peugeot hat der Zulieferer Bosch seinen Platz gefunden. Und ihre große Pressekonferenz geben die Schwaben in diesem Jahr hier, am eigenen Stand, nicht im Hinterzimmer. Wie die großen Autobauer macht man es diesmal also. Dieser offen zur Schau gestellte Stolz ist neu für die zurückhaltenden Schwaben, interessant. Genauso wie die Botschaft in dieser Woche: "Wir sind ein Softwareunternehmen!"

Die Dinge verschieben sich gerade in dieser Industrie. Unternehmen, die früher Zündkerzen und Bremsen zugeliefert haben, bauen nun Elektronik und programmieren Software. 70 bis 75 Prozent der Wertschöpfung am Auto bekommen die Hersteller schon bisher zugeliefert. Die Teile sind nur eben unter der Haube versteckt, hinter dem Markenname auf dem Kühlergrill, gewissermaßen. Doch die Rolle der vielfach unbekannten Teilezulieferer ändert sich, wird mitunter stärker: Wegen des Trends zum autonomen wie vernetzten Fahren, wegen der Elektromobile.

Vieles von dem, was Autos etwa selbständig einparken lässt, haben Zuliefer-Unternehmen wie Continental, Bosch und Valeo entwickelt - und dann gemeinsam mit den Herstellern für die jeweiligen Autos angepasst. Die anderen Zulieferer stellen sich darauf ein, mit viel Geld, mit viel Aufwand: ZF, die frühere Zahnradfabrik vom Bodensee, hat deswegen gerade für viele Milliarden Euro den US-Zulieferer TRW gekauft, damit zur Mechanik-Kompetenz noch die Elektronikkompetenz kommt.

Das Google-Auto und Bosch, der weltgrößte Zulieferer sind ein gutes Beispiel für die neuen Verhältnisse zwischen klassischen Herstellern und Zulieferern: "Google treibt digitale Innovationen und sie setzen auf elektrischen Antrieb, weil die traditionelle Industrie beim Verbrennermotor 100 Jahre Vorsprung hat", sagt Rolf Buhlander, der Autospartenchef bei Bosch. Die Hersteller schreckt das alles vor allem; bei den Zulieferern, zumindest bei Bosch, ist man entspannter: "Google", sagt Buhlander, "ist unser Kunde". Die Lenkung und den Antriebsstrang liefern die Schwaben für die oft Keksdosen genannten Wagen dieses gefürchteten wie gefeierten US-Konzerns. Ganz anders sei allerdings der Ansatz der Ingenieure aus dem Silicon Valley, erzählt der schwäbische Manager: Normale Hersteller geben Spezifikationen. Ein bestimmtes Teil soll 15 Jahre lang und Geschwindigkeiten von 150 Stundenkilometer halten und diesen und jenen Zweck erfüllen. "Die Google-Kollegen sagen: Das lässt sich updaten." Software-Entwickler eben.

Bosch redet bei dieser Entwicklung mehr mit als bei neuen Wagen normaler Autohersteller. Ob das auf Dauer so bleibt, wird sich zeigen, sagt Buhlander. Der IT-Konzern hat sich gerade neu sortiert, noch ist nicht komplett klar, wie wer was macht, im eigenen Haus oder im Auftrag.

Und das normale Geschäft? Das bleibt auf lange Sicht wichtig, sagt Buhlander, und relativiert auf einem Blatt Papier all das, was so revolutionär daherkommt. 125 Millionen steht als Zahl oben auf dem Zettel, so viele Autos werden im Jahr 2025 produziert werden, glauben sie bei Bosch - und sie können dort gemeinhin ganz gut mit Zahlen umgehen. Und dann steht da eine Acht: acht Millionen Fahrzeuge werden dann rein elektrisch fahren. Nur acht, das ist in diesem Fall die Botschaft, auch wenn sie an Entwicklungssprünge glauben, gerade auch das US-Unternehmen Seeo gekauft haben, das mit extrem leistungsfähigen Feststoffbatterien arbeitet. Wir könnten den Durchbruch schaffen, heißt es vom Konzern. Und trotz dieser Prognosen werden 117 Millionen Neuwagen in zehn Jahren weiter ganz oder teilweise auf Benzin und Diesel setzen, so schätzen sie. Die Botschaft dieses Schmierzettels: "Das bisherige Geschäft mit Diesel- und Benzinsystem ist für uns absehbar weiter wichtig." Wobei eben auch dort Software eine Rolle spielt, für die Einspritzsysteme, die Abgaskontrollsysteme - und für autonom fahrende Wagen, die oft auch noch Verbrennungsmotoren haben werden.

Und, das sagt Buhlander auch noch: "Niemand sollte die Kompetenz der bestehenden Unternehmen unterschätzen." Mit Blick auf die eigene Firma sagt er das, auf die starken Wettbewerber, auf die Autohersteller, die eigentlich alle Bosch-Teile unter der Haube haben. Im Wert von oft mehreren hundert Euro übrigens.

Aber was ist mit dieser neuen Herangehensweise in der Wirtschaft, mit diesem ständigen Updaten, den neuen Akteuren, von Google und Apple, das macht doch zu schaffen? Buhlander ist auch da selbstbewusst: "Wir in der klassischen Industrie haben auch die Systemkompetenz, wir wissen was Kunden wollen, wissen um die Macht der Emotion, können Hardware." Wobei sie Software schon auch können: Ein Drittel der 40 000 Bosch-Ingenieure sind Programmierer.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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