Zoll legt Jahresbilanz vor:Koks, Schwarzarbeit und 123 Milliarden Euro

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Geköpfte Schokohasen gefüllt mit Geldrollen und gebackene Croissants gefüllt mit Geldscheinen: Schmuggler sind erfindungsreich. Allerdings auch bei Crystal, Kokain und Zigaretten. Auch wenn die Dunkelziffer hoch bleibt, freut sich der Staat jedes Jahr neu über die Bilanz des Zolls.

Anja Perkuhn, Berlin

Ein Tisch voll Koks steht direkt neben der Tür. Das sieht nicht besonders hübsch aus, die etwa buchgroßen Päckchen sind graubraun und liegen in Folie geschweißt einfach da. Aber Steuereinnahmen und Schwarzarbeit lassen sich nun einmal so schlecht greifbar machen bei der Jahreskonferenz der Deutschen Zollverwaltung. Deshalb steht eben ein Tisch mit Kokain im Saal, während Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Jahresbilanz des Zolls verliest, dessen oberster Dienstherr er ist: 123,3 Milliarden Euro Steuereinnahmen, 168 000 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Schwarzarbeit, 29 Tonnen beschlagnahmte Rauschgifte, 160 Millionen aus dem Verkehr gezogene Schmuggelzigaretten.

Versteckte Euroscheine in Überraschungseiern: Das Geld wurde bei Zigarettenschmugglern sichergestellt. (Foto: dpa)

Allein durch die Finanzkontrollen bei mehr als einer halben Million Arbeitnehmern und Arbeitgebern habe der Zoll Schäden durch Schwarzarbeit in Deutschland von über 660 Millionen Euro aufgedeckt, sagt Schäuble. Und: Mit 123,3 Milliarden Euro Steuereinnahmen (2010 waren es zwölf Milliarden weniger) etwa 40 Prozent des Bundeshaushaltes beigesteuert. Außerdem hat der Zoll - die klassische Aufgabe der Behörde - nach eigenen Angaben mehr als 100 Millionen Lieferungen abgefertigt und dabei gefälschte Waren im Wert von 82,6 Millionen Euro beschlagnahmt. Im Jahr davor belief sich der Wert auf 95,8 Millionen, 2009 waren es noch 364 Millionen und 2007 sogar rund 1,17 Milliarden Euro.

Dazu kann man neben der Jongliererei mit riesigen Geldbeträgen nun auch wieder etwas sehen: Schäuble betrachtet ausführlich einen weiteren Tisch, auf dem ein Handtaschenberg neben einem Schuhgebirge liegt - recht gut gefälscht wirkend, höllisch nach Plastik stinkend. "Hinter der Markenfälschung stecken sehr oft kriminelle Strukturen", sagt Ministerialdirektor Hans-Joachim Stähr, der oberste Zollbeamte Deutschlands, die Bekämpfung von Produktpiraterie werde immer wichtiger. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt den Wert gefälschter Produkte weltweit auf 250 Milliarden US-Dollar.

Fast liebevoll drapiert sind die Beweise für den Einfallsreichtum von Schmugglern auf dem Tisch nebenan: geköpfte Schokohasen gefüllt mit Geldrollen, Cremedosen gefüllt mit Geldpäckchen, gebackene Croissants gefüllt mit Geldscheinen und Zigarettenpackungen gefüllt mit Geldbündeln. Zigaretten wiederum werden auch selbst geschmuggelt: In internationaler Kooperation mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) oder dem Europäischen Polizeiamt hat der Zoll 160 Millionen Zigaretten sichergestellt (2010: 157 Millionen).

14,4 Milliarden Euro Tabaksteuer

Der Anteil der Raucher, der legal versteuerte Zigaretten kauft, bleibt dabei laut Schäuble bundesweit stabil, die Einnahmen des Bundes aus der Tabaksteuer seien höher denn je (14,4 Milliarden Euro). Aus gesundheitlichen Aspekten sei es aber schwer, sich darüber zu freuen: "Wir haben eine gespaltene Seele bei der Betrachtung dieser Zahlen."

Beim Rauschgift dagegen sind sich alle seeleneinig: 29 Tonnen Drogen beschlagnahmt - zwei Tonnen mehr als 2010 - mit einem Gesamtwert von 150 Millionen Euro, diese Zahlen sind erfreulich. Kokain wie das auf dem Präsentiertisch, das Anfang März im Hamburger Hafen auf einem Bananenfrachter gefunden wurde in der unglaublichen Menge von 200 Kilogramm, spiele bei den illegalen Drogen immer noch die größte Rolle. 1,6 Tonnen Kokain stellte der Zoll 2011 sicher mit einem Schwarzmarktwert von insgesamt 100 Millionen Euro.

Deutlich zugenommen habe das Aufkommen der Modedroge Crystal: 532 Kilogramm seien vor allem an der Grenze zu Tschechien und Polen sichergestellt worden - 361 Kilogramm im Jahr davor. Wie viele Drogen der Zoll nicht finde, sagt Stähr, könne man nicht seriös schätzen. Schäuble ergänzt später: "Die Mitarbeiter vom Zoll sind einfach gut. Aber die Dunkelziffer wird sicher hoch bleiben."

© SZ vom 17.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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