Zinspolitik:Die Wende

Lesezeit: 3 min

Die Reaktion an den Märkten kam prompt: Der US-Dollar legte am Mittwochabend nach der Zinsentscheidung im Vergleich anderen Währungen zu. (Foto: K. Hildenbrand/dpa)

Die US-Notenbank Fed senkt zum ersten Mal seit Dezember 2008 ihren Leitzins. Dabei müssen die Währungshüter den Eindruck vermeiden, sie gehorchten ihrem mächtigen Kritiker Donald Trump.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Der mächtigste Mann der Welt ist ehemaliger Fernsehstar, Immobilienunternehmer und Hobby-Golfer, und seit einem guten Jahr gibt er auch den Geldpolitiker. Vor nicht einmal zwei Wochen jährte sich Donald Trumps erste öffentliche Kritik an der amerikanischen Notenbank Fed. Hier die Regierung, die so viel für die Wirtschaft des Landes tut - und dort die Federal Reserve, die einfach weiter die Zinsen erhöht: Gerade ein Dreivierteljahr im Amt, fand sich Fed-Präsident Jerome Powell im vorigen Jahr inmitten der Trump-Rhetorik aus einfachen Wahrheiten und eindeutigen Feindbildern wieder.

Jetzt wackelt der Aufschwung, die präsidialen Verbalattacken auf das Feindbild Fed häufen sich - und die Notenbanker mühen sich, von Trumps Dauerfeuer unbeirrt zu handeln. Erstmals seit der Finanzkrise senkt die Fed den Leitzins. Das teilte die Notenbank am Mittwochabend deutscher Zeit nach der Sitzung ihres Offenmarktausschusses in Washington mit. Der wichtigste Zinssatz, die sogenannte Tagesgeldzielspanne, sinkt um einen Viertelprozentpunkt auf 2,0 bis 2,25 Prozent. Die Fed werde die wirtschaftlichen Daten in den USA und die globale Entwicklung genau beobachten, sagte Powell, "und angemessen handeln, um den Aufschwung zu erhalten". Die Entscheidung vom Mittwoch solle man aber "nicht als Beginn eines längeren Zinssenkungszyklus" ansehen.

Fed-Chef Powell will auch nicht riskieren, dass er zu spät reagiert

Damit machte Powell bei vielen zunächst die Hoffnung auf weitere geldpolitische Impulse zunichte: Die Aktienkurse in den USA sackten während seiner Stellungnahme kurzzeitig ab, der Leitindex S&P 500 verlor kurzzeitig bis zu 1,8 Prozent.

Dabei versucht die Fed nun den Eindruck zu vermeiden, sie gehorche dem Präsidenten. "Wir berücksichtigen nie politische Erwägungen", stellte Powell klar. Am Dienstagmorgen, als sich die Notenbanker um Powell gerade zu ihrer zweitägigen Sitzung einfanden, hatte Trump noch einmal deutlich gemacht, er wolle eine "sehr große" Zinssenkung. Die allseits erwarteten 0,25 Prozentpunkte reichten ihm nicht. "Ich bin einfach sehr enttäuscht von der Fed", rief Trump Reportern vor dem Weißen Haus zu. "Die Fed liegt oft falsch." Sollte die Konjunktur erlahmen, hätte er seine Schuldigen längst benannt.

Powell dagegen nutzt seine öffentlichen Auftritte, um seine Unabhängigkeit zu pflegen. Statt auf politische Angriffe zu reagieren, hält er sich streng an das Mandat der Notenbank, das in den USA außer der Geldwertstabilität auch auf eine hohe Beschäftigungsquote abzielt. Powell betonte, die Fed sei bereit, die Geldpolitik zu lockern, sollten sich die wirtschaftlichen Aussichten eintrüben. Die stehen mit einem US-Wachstum von 2,1 Prozent und einer Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent im zweiten Quartal zwar noch auf solidem Fundament. Die Inflation von 1,6 Prozent ist im Sinne der angestrebten zwei Prozent aber zu niedrig, und mit Trumps Handelskrieg sind die Risiken aus Sicht der Fed schwer kalkulierbar geworden. Die globale Industrieproduktion hat ihren Höhepunkt schon im Sommer 2018 überschritten.

Viele Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed hielten deshalb eine Lockerung der Geldpolitik für geboten. So hatte es Powell bereits vor drei Wochen im US-Kongress betont: "Unsicherheiten wegen der Handelskonflikte und Sorgen um die Stärke der Weltwirtschaft belasten weiter den Ausblick für die US-Wirtschaft."

Anstatt "geduldig" zu bleiben, wie es im Jargon der amerikanischen Währungshüter zuvor hieß, wollten Powell und die Seinen offenbar nicht riskieren, zu spät zu reagieren. "Wir sehen das, was die Fed sich vornimmt, als eine Art Versicherung", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Wenn die Konjunktur einfach weiterlaufe, könne ein Zinsschritt keinen großen Schaden anrichten. "Wenn in der politischen Diskussion der Eindruck entsteht, die Fed hätte einen Fehler gemacht, dann wächst der Druck noch weiter", sagt er. Ein Stück weit schirmt sich die Fed also von diesem Druck ab, indem sie vorsorglich handelt. Das bestätigte Powell am Mittwochabend: "Es gibt tatsächlich einen Versicherungsaspekt", sagte er, und wollte die Zinssenkung auch als "Risikomanagement" verstanden wissen.

Die Politik der Fed ist aber mehr als nur Risikovorsorge. Denn erst der Blick nach Frankfurt macht die Analyse der Dollar-Zinspolitik komplett - was umgekehrt ebenso gilt. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bezieht in seine Entscheidung die Maßnahmen Fed genauso mit ein wie ebenjene die Beschlüsse der Euro-Währungshüter. Fed-Vertretern zufolge dürfen die Zinsen in den USA durchaus ein gutes Stück von jenen in anderen Währungsräumen abweichen. Aber eben nicht zu weit. Es gebe eine Grenze, "wie weit dieser Prozess gehen kann, aufgrund der integrierten Kapitalmärkte", so formuliert es etwa Fed-Vize Richard Clarida, und hat dabei außer der EZB vor allem Japan und China, aber auch Länder wie Südkorea im Blick.

US-Präsident Trump bezeichnet die Fed mitunter als "unser größtes Problem"

Die Logik der Kapitalmärkte ist also als Grund für die Entscheidung der Fed nicht zu vernachlässigen. Ein Beispiel: Erhöht eine Zentralbank die Zinsen - was die Fed neun Mal seit 2015 getan hat - und eine andere nicht, dann fließt Kapital in die Volkswirtschaft mit den höheren Zinsen. Deren Währung steigt tendenziell im Wert, während Inflationsdruck, Exportvolumen und - je nach Wirtschaftsstruktur mehr oder weniger - auch das Wachstum gedämpft werden. Der seit Dezember 2018 gültige US-Leitzins von 2,25 bis 2,5 Prozent war bislang der höchste aller Zentralbanken in entwickelten Volkswirtschaften.

Der Präsident, der die Fed mitunter "unser größtes Problem" nennt, hält sich mit so komplexen Zusammenhängen nicht auf. Für seinen eigenen Erfolg braucht er eine gute Konjunktur, und dafür ist er bereit, die erst vor wenigen Jahrzehnten erkämpfte Unabhängigkeit der Notenbanken zu untergraben. Powell ist zwar ein starker Fed-Chef, der Trump die Stirn zu bieten weiß. Aber der Dauerangriff des Präsidenten wird nicht ohne Folgen bleiben.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: