Zertifikate-Handel:Turbulenzen um Emissionsrechte

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Vier Wochen vor dem Start des EU-weiten Handels mit Emissionsrechten droht in Deutschland großer Ärger: Die Unternehmen haben viel mehr Emissionrechte nachgefragt, als ursprünglich geplant war.

Von Michael Bauchmüller

Die Unternehmen, die mit dem Handel zum sparsameren Umgang mit Kohlendioxid angehalten werden sollten, wollen weitaus mehr Emissionsrechte nachgefragt, als ihnen zugeteilt werden sollten, hieß es am Freitag im Bundesumweltministerium.

Emissionen in Deutschland: Braunkohle-Kraftwerk in Lippendorf, südlich von Leipzig. (Foto: Foto: AP)

Um 14 Millionen Tonnen Kohlendioxid übersteigt die nachgefragte Menge demnach das vorgesehene Budget. Die Folge: Der Klimaschutz wird für viele deutsche Unternehmen wesentlich teurer, als bislang angenommen.

Ursprünglich hatte sich Deutschland zum Ziel gesetzt, nicht mehr als Emissionsrechte über 495 Tonnen Kohlendioxid zu verteilen. So sieht es der so genannte "Nationale Allokationsplan" vor, der regelt, in welchen Schritten die Kohlendioxid-Emissionen Deutschlands reduziert werden sollen.

"Optionsregel"

Um knapp drei Prozent sollten die Emissionen sinken, und das auch nur für Anlagen, die keine Ausnahmeregelung geltend machen konnten - etwa, weil sie frühzeitig Emissionen vermindert hatten oder weil sie Energie zwingend im Produktionsprozess brauchen. Zudem war auf Betreiben der Wirtschaft noch eine "Optionsregel" ins Gesetz aufgenommen worden.

Demnach konnten Betriebe unter bestimmten Bedingungen bestehende Anlagen wie Neuanlagen behandeln lassen - und so mehr Rechte einstreichen. Nach Informationen aus Regierungskreisen sollen allein 77 Millionen Tonnen Kohlendioxid nach dieser Regel zugeteilt werden. Vor allem der Energieversorger Eon, Stahlhersteller und Zementwerke hätten davon Gebrauch gemacht.

EU-Kommission sieht neue Anlagen im Vorteil

Die Optionsregel wurde nicht ohne Grund so weidlich ausgenutzt. Nach den Plänen der Bundesregierung soll in den betreffenden Anlagen nachträglich kontrolliert werden, wie viel sie emittiert haben, dann soll es eine Korrektur geben - wer zu viele Rechte bekommen hat, müsste diese nachträglich abgeben.

Doch genau darüber gibt es Streit: Die EU-Kommission will dies nicht zulassen - sie sieht darin eine Bevorzugung neuer Anlagen. Die Bundesregierung hat dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. "Wir gehen aber davon aus, dass dies einvernehmlich zu lösen ist", hieß es am Freitag in Berlin.

Die höhere Nachfrage macht den Klimaschutz nun für einen Großteil der betroffenen Kraftwerke und Fabriken wesentlich teurer. Nach einer Klausel, die in letzter Minute auf Betreiben des Umweltministeriums in das Gesetz eingefügt wurde, kann den Unternehmen nachträglich eine stärkere Minderung abverlangt werden, als ursprünglich vorgesehen war.

Demnach müssten die Unternehmen so lange ihre Emissionen senken, bis die Zielmenge erreicht ist. "Für Anlagen, die keinerlei Sonderzuteilungen in Anspruch nehmen können, kann aus dieser anteiligen Kürzung eine Belastung entstehen, die deutlich über dem Minderungsfaktor von 2,91 Prozent liegt", hieß es in den Regierungskreisen.

Zunächst unklar

Die Bundesregierung erwäge daher ein Gesetz, das diese Lasten ausgleichen soll. Wie dies aussehen soll, blieb zunächst unklar.

Der monatelange Streit um die erwünschte Kohlendioxid-Minderung droht nun wieder aufzuflammen. Zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium war im Frühjahr ein Streit darüber entbrannt, wie stark die Industrie zum Klimaschutz beitragen soll.

Für den Zeitraum von 2005 bis 2008, der erste Erfahrungen mit dem Emissionshandel bringen sollte, hatte Trittin eine Minderung um sieben Prozent angestrebt - während das Wirtschaftsministerium auch ohne Minderung hätte leben können.

"Aufstand höchster Ordnung"

Eine Anrechnung der 14 Millionen Tonnen will die Wirtschaft offenbar nicht hinnehmen. Eine spürbare Ausweitung der Minderungspflichten werde zu einem "Aufstand höchster Ordnung" führen, zitiert das Handelsblatt einen Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Die Bundesregierung müsse sich bei der EU-Kommission für eine Neuverhandlung der Emissionsrechte einsetzen, forderte der BDI. Unterdessen prüfen Unternehmen nach SZ-Informationen die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzklausel, nach der eine zusätzliche Nachfrage nach Emissionsrechten zu höheren Minderungs-Auflagen führen kann.

Mehrkosten von knapp 120 Millionen Euro

Es sei fraglich, ob solche Mehrkosten im Nachhinein noch verhängt werden können, hieß es. Beim derzeitigen Emissionsrechtepreis von rund 8,45 Euro je Tonne entstünden der Wirtschaft Mehrkosten von knapp 120 Millionen Euro im Jahr. Am Freitag legte der Preis an der Leipziger Strombörse EEX um ein Prozent zu.

© SZ vom 05.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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