Zerschlagung statt Börsengang:RWE torpediert Pläne der RAG

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Der RWE-Konzern versucht, den Börsengang der RAG zu torpedieren, und das Unternehmen dann zu zerschlagen. Sie will sich damit den Weg für eine Übernahme der RAG-Stromtochter Steag frei machen.

Hans-Willy Bein und Johannes Nitschmann

RWE ist mit einem Anteil von über 30 Prozent der zweitgrößte RAG-Aktionär und hatte die Börsenpläne bisher mitgetragen. Der Konzern wollte allerdings von Anfang an eine Beteiligung von 25,1 Prozent an der Steag, deren Steinkohlekraftwerke einen Teil des Stroms für RWE liefern.

RAG-Chef Werner Müller hatte dem Stromversorger aus Essen stattdessen ein anderes Tochterunternehmen verkaufen wollen, die Saar Ferngas. Der Deal scheiterte später am Veto des Bundeskartellamts.

Nun hat Müller den Gasversorger einem anderen Großaktionär der RAG angeboten, dem britisch-indischen Stahlkonzern Arcelor Mittal. Er darf Saar Ferngas zum selben Preis erwerben, den RWE zahlen wollte.

"Über den Tisch gezogen"

Der Essener Stromversorger fühle sich deshalb von der RAG "über den Tisch gezogen", heißt es in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Müller wird vorgeworfen, die beiden Großaktionäre gegeneinander ausgespielt zu haben. In einem Schreiben, das der SZ vorliegt, bezeichnet RWE die Vereinbarung, die Müller mit Arcelor Mittal getroffen hat, als rechtlich nicht bindend.

Dem RAG-Vorstand werden Pflichtverstöße vorgeworfen, weil der Vertrag ohne vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats geschlossen worden sei. Der RAG-Aufsichtsrat war im März über den Deal "nur" informiert worden.

Das Kontrollgremium soll jetzt zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen, um den Vorgang zu klären. Die RAG begrüßte dies. "Damit gibt es die Chance, den Sachverhalt aus Sicht des Vorstands erneut und sehr präzise darzulegen", sagte ein RAG-Sprecher.

Weitere Angaben zu dem Vorgang machte er nicht. Die RWE erklärte offiziell: "Wir begleiten den Börsengang der RAG konstruktiv".

Tatsächlich setzt das Unternehmen nun eher auf eine Alternative, die seit Wochen diskutiert wird: Der Industrie- und Kohlekonzern RAG würde demnach zerschlagen und seine Einzelteile getrennt verkauft; für RWE könnte dann die Steag abfallen.

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Müller arbeitet dagegen seit Jahren darauf hin, aus der früheren Ruhrkohle einen Börsenkonzern zu formen. Dieser soll auf den Säulen Chemie (Degussa), Energie (Steag) und Immobilien stehen. "Wir werden den RAG-Konzern an die Börse bringen. Daran wird sich nichts ändern'', sagt Müller.

"Hybris und Panik"

Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte mehrfach verlangt, die Sparten der RAG einzeln an Investoren zu verkaufen. Sie verspricht sich hiervon höhere Einnahmen für die Bergbaustiftung.

Die Stiftung soll nach dem Auslaufen des subventionierten Steinkohlebergbaus im Jahre 2018 die sogenannten "Ewigkeitskosten", also Berg- und Wasserschäden, finanzieren. Das Kohleland NRW ist für die Bergbaustiftung mit 70 Prozent in der Risikohaftung, der Bund mit 30 Prozent. Über die Satzung der Stiftung wird noch hart gerungen.

Am Widerstand von Nordrhein-Westfalen droht unterdessen auch der Wunsch von Müller zu scheitern, an die Spitze der Stiftung zu rücken. "Müller wird es definitiv nicht. Die Landesregierung hat ihre Veto-Karte gezogen", verlautete am Freitag in Regierungskreisen in Düsseldorf.

Bei dem jüngsten Kohlegipfel in Berlin am vergangenen Mittwoch soll Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bereits deutlich gemacht haben, dass seine Vertrauensbasis zu Müller "völlig zerrüttet" sei. Rüttgers habe für seine Haltung die Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), heißt es in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Keine Politiker an der Spitze

Rüttgers hatte in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass NRW an der Spitze der Bergbaustiftung "keinen aktiven oder ehemaligen Politiker" dulden werde. Der parteilose Müller war in der rot-grünen Bundesregierung Wirtschaftsminister.

Der Düsseldorfer Regierungschef verübelt Müller, dass sich dieser durch eine offensive Pressepolitik immer wieder selbst als Stiftungsvorsitzender ins Gespräch gebracht habe. "In einer Mischung aus Hybris und Panik hat Müller die Landesregierung unter Druck gesetzt", heißt es in der Umgebung von Rüttgers. Dadurch sei "das politische Vertrauen endgültig zerstört worden''.

RWE, die EnBW, aber auch andere Unternehmen wie die Chemiegruppe Lanxess nutzen den politischen Stillstand, um sich als Interessenten für Teile des RAG-Konzerns ins Gespräch zu bringen. RAG hat allerdings stets bestritten, dass es zu Einzelverkäufen kommen könnte.

Dabei ist die Steag von großer strategischer Bedeutung für RWE. Das gilt auch für Saar Ferngas. RWE-Chef Harry Roels hatte den geplanten Erwerb bei der Vorlage seiner Bilanz stolz herausgestellt. Tatsächlich hatte die Beschlussabteilung der Behörde bereits zwei Tage vorher die Untersagung der Übernahme angekündigt.

© SZ vom 28.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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