Zerschlagung:Ein verhängnisvoller Nachmittag

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Vor genau fünf Jahren begann die Übernahmeschlacht um den Traditionskonzern Mannesmann.

Von Daniela Kuhr

Es war ziemlich genau fünf Uhr, als der Brite am Nachmittag des 14. November in der 21. Etage des Düsseldorfer Hochhauses eintraf. Wie in diesem Jahr auch fiel der 14. November damals auf einen Sonntag.

Das Dach der deutschen Vodafone-Zentrale am Düsseldorfer Mannesmann-Ufer im Jahr 2004 (unten) und im Jahr 1999 (oben). (Foto: Foto: dpa)

Sollte der Mann mit der markanten Hornbrille auf einen Fünf-Uhr-Tee gehofft haben, wurde er enttäuscht. Es gab Kaffee und Mineralwasser. Und willkommen war er auch nicht. Das aber wenigstens dürfte ihm schon klar gewesen sein, als er in London seinen Lear-Jet bestiegen hatte.

Zur Not auch ohne Konsens

An diesem Sonntag ist es genau fünf Jahre her, dass Chris Gent nach Düsseldorf reiste, um seinem Konkurrenten Klaus Esser mitzuteilen, was er mit ihm vorhat: Er, der Chef des gerade mal 15 Jahre alten britischen Mobilfunkunternehmens Vodafone, kündigte an, dass er den mehr als hundert Jahre alten deutschen Traditionskonzern Mannesmann übernehmen wolle. Und zwar zur Not auch gegen den Willen von Konzernlenker Esser.

Gent bot 43,7 Vodafone-Aktien für eine Mannesmann-Aktie an, was bei den damaligen Börsenkursen der Rekordsumme von mehr als 100 Milliarden Euro entsprach. Essers Antwort fiel so knapp wie eindeutig aus: Das Angebot sei völlig "unangemessen".

Es sollte nicht das letzte sein, was im Kapitel Mannesmann/Vodafone "unangemessen" wirkte. Denn erledigt war die Sache damit nicht. Im Gegenteil.

Erste feindliche Übernahme eines deutschen Unternehmens

Was in den folgenden Wochen geschah, schrieb Wirtschaftsgeschichte. Von der "spektakulärsten Abwehrschlacht der deutschen Nachkriegszeit" war die Rede - ein Superlativ, der nicht weiter verwundert, denn es war die erste feindliche Übernahme eines deutschen Unternehmens überhaupt.

Nach mehr als zwei Monaten heftiger Gegenwehr (die Abwehrmaßnahmen sollen Mannesmann gut 200 Millionen Euro gekostet haben) lenkte Esser Anfang Februar 2000 schließlich ein. Vodafone hatte das Angebot mehrfach nachgebessert und zahlte letztlich im Wege des Aktientauschs umgerechnet mehr als 180 Milliarden Euro.

Der Mannesmann-Deal ist damit noch vor dem Zusammenschluss von Time Warner und AOL (150 Milliarden Euro) die bislang teuerste Firmenübernahme der Welt.

Zwei Anlässe brachten die Geschehnisse von damals in diesem Jahr wieder in die Schlagzeilen. Einer davon war der Strafprozess, der von Januar bis Juli vor dem Düsseldorfer Landgericht stattfand.

Die sechs Angeklagten, darunter Ex-Mannesmann-Chef Esser und der heutige Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Josef Ackermann, mussten sich wegen Zahlungen in Höhe von rund 60 Millionen Euro verantworten, die nach der Übernahme an leitende Manager geflossen waren.

Der Prozess endete mit Freisprüchen. Strafrechtlich machte das Gericht den Angeklagten keinen Vorwurf, wohl aber zivilrechtlich: Die Prämien seien "unangemessen" gewesen.

"Sauerei"

Als unangemessen empfand das Gericht auch einige Kommentare von Politikern, die sich zum Teil ohne nähere Sachkenntnis über den Richterspruch empörten. So war von "einer Sauerei" die Rede.

Die anschließende öffentliche Diskussion dagegen, Managergehälter künftig klarer gesetzlich zu regeln, hätte durchaus angemessen sein können.

Doch statt sie sachlich zu führen, haben die Vertreter der verschiedenen Parteien sich plötzlich gegenseitig zu übertrumpfen versucht: Jeder wollte der erste sein, der Aktiengesellschaften verpflichtet, die Bezüge ihrer Vorstandsmitglieder individuell auszuweisen.

Offenlegung allein begrenzt noch kein Gehalt

Das Ziel, einen Fall wie Mannesmann künftig zu verhindern, geriet dabei schnell in Vergessenheit. Denn die Pflicht zur Offenlegung allein begrenzt noch kein Gehalt. Das sieht man schon an der umstrittenen Millionenprämie für Esser, die damals den Anlegern ganz offiziell im Börsenprospekt mitgeteilt worden war.

Der zweite Anlass, der den Kampf um Mannesmann in diesem Jahr in die Schlagzeilen brachte, war eine Nachricht von Vodafone: Im Juni wurde bekannt, dass der Konzern in Deutschland wegen des Einbruchs der Aktienkurse 50 Milliarden Euro abschreiben und deshalb für Jahre keine Steuern zahlen will.

Wieder ein Punkt, der unangemessen wirkt. Politiker schlossen daraus, dass Vodafone für Mannesmann offenbar einen "Mondpreis" gezahlt habe. Es könne nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler dies nun auszubaden habe.

Doch auch hier wurde etwas übersehen: In der Höhe, in der Vodafone heute Verluste geltend macht, hatten Mannesmann-Aktionäre im Frühjahr 2000 Gewinne erzielt. Es war aber der Gesetzgeber und nicht Vodafone, der sich entschlossen hat, solche Gewinne nur im Ausnahmefall zu besteuern.

© SZ vom 13.11.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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