Zement:Klebstoff aus dem Hochofen

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Sandkasten-Chemie auf höchstem Niveau: Zementproduktion in Leimen. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Zement ist eine staubtrockene Angelegenheit, einerseits. Und andererseits extrem wichtig. Zement wird auf jeder Baustelle gebraucht, weltweit, in fast unvorstellbar gewaltigen Mengen.

Von Max Hägler

Am Anfang bröselt und staubt das Zeug: Kalk, Ton und Mergel rieseln herum, die Brocken müssen gemahlen, dann bei 1450 Grad Celsius im Hochofen gebrannt werden. Bis am Ende daraus der Klebstoff geworden ist, der, man kann das ohne zu übertreiben sagen, die Welt zusammenhält: Zement ist eine staubtrockene Angelegenheit, einerseits. Und andererseits extrem wichtig. Ohne Zement gäbe es keinen Beton, dieses künstlich hergestellte Gestein, aus dem die meisten Gebäude und Straßen entstehen. Schütten Bauarbeiter Wasser zum Zement, dann wird daraus ein Klebstoff, der den zugefügten Sand und Kies zusammenhält, die Rohstoffe steinhart zusammenbindet.

Es ist also ein recht banales Prinzip, Sandkasten-Chemie quasi.

Aber das Geschäft dahinter ist nicht ganz so simpel: Die Mengen sind so gewaltig, dass es kaum wirtschaftlich ist, Zement, Sand oder Kies weit herumzufahren in der Gegend. 200 Kilometer um einen Steinbruch herum mit angeschlossenem Zementwerk sind der übliche Radius, die Bahn erweitert das auf 500 Kilometer. Danach wird der Transport der recht günstigen Stoffe extrem teuer, zumindest zu Lande. Zum Veranschaulichen: Zum Bau eines großen Mehrfamilienhauses benötigen die Bauarbeiter schnell mal 100 Tonnen Sand und Kies, vier zu eins ist das übliche Mischverhältnis für Beton, es braucht also noch 25 Tonnen Zement. Die Gesamtmenge entspricht etwa fünf Lkw-Fuhren. Ein Kilometer Autobahn braucht ein Vielfaches: 35 000 Tonnen Rohstoffe und mehr, das entspricht 1500 Lastwagenfuhren. Über lange Strecken will das niemand fahren. Die Logistik limitiert also das Produkt, die Branche ist daher extrem regionalisiert.

Und doch spielen hier einige große Konzerne eine maßgebliche Rolle, neben den vielen kleinen Rohstofffabrikanten: Lafarge und Holcim haben über die Jahrzehnte Steinbrüche zusammengekauft auf den verschiedenen Kontinenten, in 90 Ländern insgesamt: Es ist die entscheidende Geschäftsgrundlage neben dem möglichst effizienten Betrieb der teuren Hochöfen. Die größten Wettbewerber: Cemex aus Mexiko und vor allem Heidelberg Cement. Der Dax-Konzern aus dem Südwesten Deutschlands hat vor einigen Jahren unter Führung des Vorstandsvorsitzenden Bernd Scheifele für 14 Milliarden Euro den britischen Kieswerkbetreiber Hanson übernommen, ein großer, taktisch kluger Deal: Sand und Kies sind zwar eigentlich genügend vorhanden auf dem Planeten, aber an den Bauplätzen oft Mangelware: Keine andere Ressource wird in solchen Mengen verbraucht wie Sand - ausgenommen wahrscheinlich nur Wasser. Auch hier, bei dem im Vergleich zu Zement eigentlich noch banaleren Rohstoff, geht es deshalb um Milliardensummen.

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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