Zäsur:Deutschland ohne Banken

Lesezeit: 3 min

Fast beiläufig verliert die Deutschlands zweitgrößte Bank ihre Selbstständigkeit. Die Öffentlichkeit beschäftigt sich lieber mit Josef Ackermann und der Standortpolitik der Deutschen Bank.

Von Nikolaus Piper

Die Mailänder Bank Unicredit kauft die Münchner HypoVereinsbank für voraussichtlich 15 Milliarden Euro - die größte grenzüberschreitende Bankenfusion, die es je gegeben hat.

Eingang zu einer Filiale der HypoVereinsbank in Frankfurt. (Foto: Foto: AP)

Doch die Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit ist seltsam verschoben. Josef Ackermann, der Chef der letzten heimischen Bank von internationalem Rang, wird zum Buhmann, weil er, wie nachhaltig auch immer, diesen Rang erhalten möchte.

Die anhaltende Krise um die HVB dagegen, der Verlust an Substanz und der Verkauf selbst interessieren niemanden.

Übernahme durch Banken-Neuling

Zwar kann das Milliardengeschäft noch scheitern, trotzdem markiert die Zustimmung der Aufsichtsgremien zur Übernahme eine Zäsur. Es ist der Abschied von einem Stück Geschichte, und den exekutiert ausgerechnet ein italienischer Banken-Neuling, den bis vor kurzem noch niemand kannte.

Die deutschen Großbanken - von der Deutschen über die Dresdner bis zur Vereins-, der Commerz- und der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank - wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit klaren industriepolitischen Motiven gegründet: Sie sollten den Ausbau der deutschen Industrie begleiten und diese von den englischen Banken unabhängig machen.

Bei der industriepolitischen Orientierung blieb es: Die Banken finanzierten den Wiederaufbau und die Exporterfolge der Bundesrepublik. Noch vor 15 Jahren mischten sie ganz oben in der Weltrangliste mit. Doch dann kam ein dramatischer Abstieg. Heute hat die Dresdner ihre Selbstständigkeit verloren, die HVB folgt ihr und bei der Commerzbank scheint der Verkauf nur noch eine Frage der Zeit. Selbst die Deutsche Bank könnte übernommen werden.

Keine deutschen Mitspieler

Der Niedergang des deutschen Kreditwesens hat etwas sehr Beklemmendes an sich: In ihm spiegelt sich die Krise des ganzen Landes. Es ist nicht schlimm, wenn eine deutsche Bank in den Besitz einer ausländischen kommt, das gehört zur internationalen Arbeitsteilung und zum europäischen Binnenmarkt. Schlimm ist es, dass es in dem Spiel keine aktiven Mitspieler aus Deutschland mehr gibt.

Es ist wie in Politik und Wirtschaft überhaupt: Draußen hat sich die Welt verändert, aber die Deutschen haben den Wandel verschlafen. Überall sind in den neunziger Jahren neue, dynamische Banken von internationalem Rang entstanden: in Großbritannien, Amerika, Spanien, Italien - nur eben nicht in Deutschland. Eine gewisse Ausnahme ist die Deutsche Bank, aber die ist verhasst und deren wichtigste Geschäfte werden von London aus geführt.

Der Fall HVB ist dabei ein Lehrstück der besonderen Art. Schon 2001 verhandelten die Mailänder und die Münchner miteinander, damals waren HVB und Unicredit ungefähr gleich viel wert, heute kommt die italienische Bank fast auf den doppelten Börsenwert, was bedeutet, dass die Aktionäre ihr für die Zukunft doppelt so viel zutrauen wie der HVB.

Frappierend ist auch, dass das HVB-Management um Dieter Rampl fast gefleht hat, von den Italienern übernommen zu werden. Offensichtlich traut es sich der Vorstand nicht mehr zu, die gravierenden Probleme der Bank in Deutschland aus eigener Kraft zu lösen.

Möglicherweise droht der Bank die Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit durch die Ratingagenturen, wenn sie allein bleibt. Auch kauft Unicredit die HVB nicht wegen, sondern trotz des Deutschlandgeschäfts. Interessant für den Übernehmer sind allein die osteuropäischen Töchter.

Ein Stück gescheiterte bayerische Indutriepolitik

Die HVB ist auch ein Stück gescheiterter bayerischer Industriepolitik. Sie entstand 1998, weil Ministerpräsident Stoiber verhindern wollte, dass sich die Deutsche Bank die damalige Bayerische Vereinsbank einverleibte und München als Banken-Standort litt.

Stattdessen wurde die Vereinsbank mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank vereinigt. Was niemand bedachte, war die Tatsache, dass sich dadurch Risiken ballten und die neue Bank sehr verletzlich wurde. Jetzt verschwindet die Schaltzentrale ganz aus Deutschland.

Geld ist ein besonderes Produkt, Finanzierungsfragen können Schicksalsfragen für Industriebetriebe werden, zum Beispiel, wenn es um internationale Großaufträge geht. Deshalb ist es sehr riskant, wenn sich ein Industrieland bei Finanzgeschäften sang- und klanglos aus der ersten Liga verabschiedet.

Dilettantische Fusionspläne

Politiker und Manager machen sich deswegen große Sorgen, aber niemand hat es geschafft, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Eine Fusion von Deutscher und Postbank wurde viel zu spät und sehr dilettantisch getestet, ein Zusammengehen von Commerzbank und HVB früh aufgegeben.

Umgekehrt: Unicredit, die italienische Bank, die die HVB jetzt übernehmen soll, ist durch Fusion mehrerer privater und öffentlicher Banken entstanden. In Deutschland hätte sie nie eine Chance bekommen, weil die Sparkassen per Gesetz vor Übernahmen geschützt sind. Eine große Koalition von SPD und CDU sorgt bis heute dafür, dass dies so bleibt.

Sicher: Auch in Zukunft werden Unternehmen in Deutschland Kredit bekommen. Viele Sparkassen und Volksbanken sind sehr leistungsfähig, auch die Ausländer wollen hier ja Geschäfte machen. Nur - Spitze ist Deutschland nicht mehr.

© SZ vom 13.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: