Zäsur am Immobilienmarkt:Das Wunder von Dresden

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Erstmals hat eine deutsche Stadt ihren gesamten Wohnungsbestand an einen Finanzinvestor aus dem Ausland verkauft. Dresden wird damit seine Schulden auf einen Schlag los.

Simone Gröneweg

Das Geschäft werden Stadtparlamente in Deutschland aufmerksam verfolgen: Die Mitglieder des Dresdner Stadtrates haben am Donnerstagabend die Wohnungsgesellschaft Woba an die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Fortress verkauft.

Verkäufe von Wohnanlagen seit 2004 (Foto: Graphik: SZ)

Der Kaufpreis für die 48.000 Wohnungen beträgt 1,7 Milliarden Euro. Fast eine Milliarde Euro soll offenbar direkt in den Stadthaushalt fließen. So könnte die sächsische Landeshauptstadt ihre Schulden auf einen Schlag loswerden.

40 Räte stimmten für das Geschäft, 29 waren dagegen und einer enthielt sich.

"Der Verkauf könnte eine Signalwirkung für andere Kommunen haben", vermutete Lutz Freitag, Präsident des GDW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. "Damit hätte Dresden eine Vorreiterrolle. Der Preis ist sensationell gut", sagte Morten Hahn, Geschäftsführer des Immobilienberatungsunternehmens Dr. Lübke.

Umstrittenes Geschäft

Die Stadt nutze das derzeit starke Interesse der Gesellschaften aus dem Ausland und habe den richtigen Zeitpunkt zum Verkauf getroffen. Matthias Moser, Deutschland-Geschäftsführer von Fortress, ist von dem Woba-Kauf und der Stadt Dresden überzeugt: "Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum der Stadt sind sehr gut."

In Dresden selbst ist das Geschäft mit Fortress umstritten. Die Konflikte gehen quer durch die Fraktionen - besonders bei SPD, Grünen und der Linkspartei/PDS.

Sorgen machen sich die Gegner vor allem wegen möglicher sozialer Probleme, die auf die Stadt zukommen könnten. Dazu gehören zum Beispiel Mieterhöhungen. Die Stadt Dresden nehme sich die Möglichkeit, in Zukunft auf den städtischen Wohnungsmarkt Einfluss zu nehmen, ist zu hören.

Seit fast drei Jahren drängen internationale Investoren auf den deutschen Wohnungsmarkt. Mittlerweile befinden sich 900.000 Wohnungen in ihrem Besitz. Vor allem die im internationalen Vergleich niedrigen Immobilienpreise haben die Fondsgesellschaften angelockt.

Hauptakteure sind neben der Beteiligungsgesellschaft Fortress zum Beispiel die Londoner Terra Firma Capital Partners, Blackstone und Cerberus. Nach Ansicht von Experten ist der Wohnungsmarkt in Bewegung wie nie zuvor. So reihte sich in den vergangenen beiden Jahren Verkauf an Verkauf (Grafik). Große Konzerne, Bund und Länder nutzten die Gelegenheit, um Geld in ihre Kassen zu spülen.

Viele kleine Bestände

Die Verkäufe dürften anhalten. Schätzungsweise 2,5 bis drei Millionen Wohnungen gehören noch der öffentlichen Hand, wobei der größte Teil der öffentlichen Wohnungsgesellschaften über kleinere Bestände verfügt, das heißt 5000 bis 10.000 Einheiten.

Viele Experten vermuten: Verläuft der Verkauf in Dresden reibungslos, dürften schon bald andere Kommunen folgen. "Wenn 2,5 Millionen Wohnungen hierzulande für 40.000 Euro pro Einheit weggehen, was die untere Grenze wäre, kommen immerhin 100 Milliarden Euro zusammen", rechnet der Immobilienanalyst Tobias Just von der Deutschen Bank vor, um zu verdeutlichen, welches Potenzial in diesem Markt steckt.

Mieterschützer warnen dagegen seit längerem vor einem Ausverkauf. Dieser Trend müsse gestoppt werden, sagte etwa die Mieterbund-Präsidentin Anke Fuchs: "Wohnungen sind nicht nur Wirtschaftsgut und Renditeobjekt." Der GdW-Präsident Freitag kritisiert zudem: "Es ist eine Illusion, durch den Verkauf von Tafelsilber den Haushalt langfristig zu sanieren."

Dazu gehöre mehr, und das müssten die Verantwortlichen begreifen. Den betroffenen Bewohnern machen wohl vor allem die hohen Renditeerwartungen der Käufer Angst. Diese liegen zum Teil bei 20 bis 25 Prozent. Dabei nutzen die Gesellschaften das niedrige Zinsniveau und setzen beim Kauf der Bestände meist sehr viel Fremdkapital ein.

Von 80 bis 90 Prozent ist die Rede. So können sie dann unter Umständen zweistellige Renditen auf das eingesetzte Eigenkapital erwirtschaften. Die Strategien der Investoren unterscheiden sich allerdings. Einige halten die Wohnungen und vermieten, andere wollen sie so schnell wie möglich weiter verkaufen.

© SZ vom 10.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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