WTO-Konferenz:Verpasste Chance für mehr Wohlstand

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Bei der Ministerrunde der Welthandelsorganisation WTO im mexikanischen Cancún haben sich Industriestaaten sowie Entwicklungs- und Schwellenländer nicht auf einen gemeinsamen Themenkatalog einigen können. "Damit wurde eine Chance zur Weiterentwicklung des freien Welthandels vertan", so Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement.

Angesichts tiefer Gräben zwischen reichen und armen Ländern ist die Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún gescheitert. Nachdem in den ersten Verhandlungstagen vor allem über den Abbau milliardenschwerer Agrarsubventionen gestritten wurde, brachten am Sonntag festgefahrene Positionen bei der fairen Vergabe von Regierungsaufträgen und Handelserleichterungen das Aus.

Die 146 WTO-Mitglieder äußerten dennoch die Hoffnung, dass die laufende Welthandelsrunde abgeschlossen werden könne. Bis zum 15. Dezember soll auf Arbeitsebene ein Treffen in Genf einberufen werden, um über den Fortgang der Gespräche zu beraten. Viele Globalisierungskritiker feiterten das Scheitern begeistert.

Das Ende der großen Hoffnungen

Es ist das zweite Mal in der Geschichte der 1995 gegründeten WTO, dass eine Ministerkonferenz scheitert. 1999 war bereits ein Treffen in Seattle ohne Ergebnis abgebrochen worden. Das Treffen in Cancún hatte begleitet von Demonstrationen tausender WTO-Kritiker und überschattet vom Selbstmord des koreanischen Bauernfunktionärs Lee Kyang Hae am Mittwoch mit großen Hoffnungen begonnen. Es sollte einen erfolgreichen Abschluss der laufenden Welthandelsrunde bis Anfang 2005 ermöglichen.

Cancún sei ein "Rückschlag", hieß es am Sonntag in einer gemeinsamen Entschließung der Mitgliedstaaten. Ungeachtet dessen werde die Erklärung der Konferenz von Doha bekräftigt, bei der 2001 die jetzige Handelsrunde mit einem besonderen Augenmerk auf die Belange der Entwicklungsländer eingeläutet wurde.

WTO-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi sagte, die Gespräche seien nun "komplizierter" geworden, er sei aber "nicht entmutigt". Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sprach von einer vertanen Chance für den Welthandel. Er schloss ebenso wie Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) nicht aus, dass es nun zu einer erhöhten Zahl bilateraler Handelsabkommen kommen werde. Künast sah darin die Gefahr, dass starke Länder auf Kosten schwacher profitieren könnten.

EU-Verhandlungsführer Pascal Lamy sagte, die Doha-Runde sei "nicht tot, sondern auf der Intensivstation". Er kritisierte dabei die Funktionsweise der auf einen hundertprozentigen Konsens angelegten Organisation, die eine Einigung erschwert habe. Lamy äußerte Zweifel, dass die WTO-Botschafter in Genf "eine Einigung erzielen, wo die Minister gescheitert sind".

Der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick zeigte sich skeptisch, dass bis Ende 2004 ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde erreicht werden könne. Wie Deutschland sind die USA demnach aber bereit, auf Basis eines vom Gastgeber Mexiko vorgelegten Vorschlags weiter zu verhandeln. Lehre von Cancún müsse es aber sein, dass ein Kompromiss unter den WTO-Mitgliedern "eine ernsthafte Bereitschaft erfordert, sich auf die Arbeit, nicht auf Rhetorik zu konzentrieren", betonte Zoellick.

Lamy hatte in den festgefahrenen Verhandlungen am Sonntagvormittag in einem letzten Kraftakt angekündigt, er sei nun auch bereit, einzeln über die vier so genannten Singapur-Themen zu sprechen und nicht mehr nur im Paket. Dabei geht es um Investitionen, die transparente Vergabe von Regierungsaufträgen, fairen Wettbewerb und Handelserleichterungen wie Bürokratieabbau.

Clement bestätigte, dass Deutschland darauf verzichtete, weiter Verhandlungen bei den Bereichen Investitionsschutz und Wettbewerb zu fordern. Mehrere afrikanische Staaten und Südkorea hätten es aber dann abgelehnt, "überhaupt über Singapur zu sprechen", sagte der Minister. Als Erfolg von Cancún bezeichnete Clement die schon im Vorfeld erzielte Einigung zum Zugang armer Länder zu billigen Medikamenten.

Clement fordert sachorientierte Verhandlungen

Eine nächste Konferenz mache allerdings "nur Sinn, wenn wir dann ein wenig ideologie-, schlagwort- und rhetorikfreier und wieder sachorientierter verhandeln können", sagte Clement am Montag im ZDF- "Morgenmagazin". "Welthandel hat mit ökonomischen Fakten und mit Sachfragen zu tun. Da ist mit Schlagworten wenig anzufangen."

Die Hilfsorganisation Action Aid erklärte: "Keine Einigung ist besser als eine schlechte Einigung." Oxfam ging davon aus, die reichen Länder würden nun "die Handelsgespräche der WTO begraben".

Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen sangen nach dem Scheitern im Tagungszentrum in Anlehnung an einen Beatles-Song "Money can't buy the world". Künast warnte jedoch davor, das Scheitern der Konferenz als Sieg zu sehen: "Wer jetzt feiert, feiert auf dem Rücken der Armen."

© sueddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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