WPP-Chef Martin Sorrell:Ein Werbetycoon gegen Sex-Blogs und Mafiazwerge

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Sir Martin Sorrell, Chef des weltweit zweitgrößten Werbekonzerns WPP, kämpft gegen anonyme Blog-Einträge im Internet. Er war dort zu "Don Martino" mutiert, einem sexsüchtigen Mafioso mit zweifelhaften Neigungen.

Peter Martens

Illustre Figuren sind in Internet-Blogs besonders gerne beheimatet. Letztes Jahr kam eine neue hinzu: Als sexsüchtiger Mafioso trieb ein gewisser "Don Martino" in einer Reihe von digitalen Tagebüchern sein Unwesen. Besonders großen Zuspruch fand dabei eine jpeg-Datei mit einer "äußerst böswilligen" Darstellung von Don Martino und seiner Geliebten mit der Überschrift: "Der Mafia-Wicht und seine Schizo-Nymphomanin.".

Der Chef des Werbekonzerns WPP, Sir Martin Sorrell, ist auf manche Blogger nicht gut zu sprechen. (Foto: Foto: Reuters)

Eingeweihte wussten, dass damit niemand anderes gemeint war als Sir Martin Sorrell. Dass der 62-jährige Engländer nicht nur Freunde haben kann, ist bei seiner beruflichen Position kaum erstaunlich: Der Adlige ist Chef von WPP, der zweitgrößten Werbeholding der Welt.

Gegen Don Martino vor Gericht

Der Konzern mit Sitz in London beschäftigt rund 90.000 Mitarbeiter in über 105 Ländern. Große Namen wie die Grey Global Group, Ogilvy & Mather Worldwide, Young & Rubicam und JWT gehören dazu.

Als Werbemann müsste es Sorrell eigentlich aushalten können, wenn einmal nicht die Werbe-Kreativen ihrer Phantasie freien Lauf lassen, sondern der "mediale Bodensatz des Internets". Doch Sorrell beschloss, sich zu wehren.

Gegenüber der BBC fuhr er schweres Geschütz auf: Die Angriffe seien an "Feigheit, Vergeltungssucht und Beleidigungen" nicht zu überbieten, sagte der Konzernlenker dem britischen Fernsehsender. Die Attacken kamen allerdings schnell als Bumerang zu Sorrell zurück.

"Warum fährt der Mann so aus der Haut?", fragten sich viele Beobachter und wurden auch schnell fündig. Schließlich ist ein Detail der Karikaturen besonders infam: Auch seine Mitarbeiterin und inoffizielle Geliebte Daniela Weber war Bestandteil der Blog-Inhalte.

Weber ist COO der italienischen WPP-Niederlassung. Besonders pikant dabei: Der 44-Jährigen wird auch eine frühere Beziehung zu Marco Benatti nachgesagt, einem italienischen WPP-Oberen, der 2005 entlassen wurde.

Verleumdung und Beleidigungen

Mit den amourösen Verwicklungen innerhalb seines Imperiums konfrontiert, startete Sorrell eine Gegenkampagne: Der WPP-Chef engagierte private Spezialisten, um die elektronischen Spuren der Blog-Einträge zu verfolgen. Doch die Nachforschungen blieben ohne nennenswerte Ergebnisse.

Daraufhin nahm Sorrell seinen Ex-Mitarbeiter Marco Benatti ins Visier. Benatti war nicht nur angeblich mit Ms. Weber liiert, sondern auch zehn Jahre lang geschäftlich mit WPP verbunden: Über sein Mailänder Medienunternehmen FullSix Spa arbeitete der Italiener mit WPP zusammen. Zusätzlich war Benatti zuletzt WPP-Bereichsleiter für Italien, bevor er 2005 in Unfrieden entlassen wurde.

Einige Zeit später tauchten die verleumderischen Blogs und die besagte Karikatur auf. Für Sorrell war der Fall damit klar: Hinter den Machenschaften müsse Benatti stecken. Der Konzernchef engagierte private Experten, um die elektronische Spur zurück zu verfolgen.

Falsche Yahoo-Adresse

Das Ergebnis war mager: Die Nachforschungen ergaben lediglich, dass die umstrittenen Blog-Inhalte von einer falschen Yahoo-Adresse in Frankreich ins Netz gestellt wurden.

Daraufhin setzte Sorrell den Kampf vor Gericht fort. Er zerrte Marco Benatti sowie seinen Geschäftspartner Marco Tinelli in London vor Gericht. In dem jüngst begonnenen Prozess ging es sehr lebhaft zu, wie britische Medien berichten. Die Beschuldigten Benatti und Tinelli bestritten dabei stets, in irgendeiner Weise mit den Einträgen oder der Karikatur zu tun zu haben.

Nachdem sich Sorrell zunächst recht hartleibig gezeigt hatte, sorgte er nach zehn Verhandlungstagen wieder für Aufsehen: Noch vor einer Gerichtsentscheidung nahm er überraschend ein Vergleichsangebot an.

Rekordentschädigung

Diese Vereinbarung sieht vor, dass Sorrell und Daniela Weber zusammen 50.000 britische Pfund für die Verletzung der Privatsphäre erhalten - 20.000 gibt es für Sorrell und 30.000 für Weber. Zusätzlich akzeptierte der WPP-Chef eine Entschädigungszahlung von 100.000 Pfund (rund 148.000 Euro) für die Beleidigung seiner Persönlichkeit.

Nach dem unerwarteten Prozessende nahmen beide Seiten für sich in Anspruch, als Gewinner da zu stehen. Sorrell sagte, die Gerechtigkeit habe gesiegt. Dagegen höhnten Benatti und Tinelli in einer Mitteilung, der Konzernchef sei "vom Schlachtfeld geflohen." Seine Anklage sei "auf eine fatale Weise fehlerhaft" gewesen, so die italienischen Geschäftsleute. Er habe es nicht geschafft, in dem Fall irgend etwas nachzuweisen. Dessen ungeachtet akzeptierten Benatti und Tinelli eine Entschädigungszahlung an Sorrell.

Dieses Angebot hätten sie ihm bereits vor Verhandlungsbeginn unterbreitet. Sorrell habe es damals jedoch ausgeschlagen und erst während des Prozesses akzeptiert, kritisierten die Italiener. Ihre Erklärung: Sorrell hätte gar keine Beweise liefern können. Die Frage, warum sie dann einen Vergleich akzeptieren, ließen Benatti und Tinelli offen.

Ein Zwei zu Null

Auch Sorrell feierte den Prozessabschluss als Sieg. Angesichts der bewilligten Entschädigungen für Verletzung der Privatsphäre und für Beleidigung sprach er in der britischen Zeitung The Independent von einem großen Erfolg und verglich er die Zahlungen mit einem "Zwei-zu-Null-Spiel im Fußball".

Doch der Sieg müsste Sorrell eigentlich bitter aufstoßen: Zwar entspricht die Entschädigung laut Independent tatsächlich einer Rekordsumme. Allerdings werden die gesamten Prozesskosten für Sorrell auf rund zwei Millionen Pfund geschätzt, was in etwa drei Millionen Euro entspricht.

Der Prozess gegen die Vertragsauflösung zwischen WPP und FullSix Spa, der italienischen Firma von Benatti und Tinelli, wird in einem gesonderten Prozess fortgeführt.

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