Wolfsburg:Machtkampf bei Volkswagen

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Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff stellt sich im VW-Aufsichtsrat offen gegen Ferdinand Piëch.

Michael Kuntz

Bereits bald nach dem Einstieg von Porsche bei Europas größtem Autohersteller vor gut einem Jahr hatte sich Wulff mit dem Porsche-Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking geeinigt, dass bei der Hauptversammlung im Mai 2007 an die Stelle von Ferdinand Piëch, 69, als Vorsitzender des VW-Aufsichtsrates eine neutrale Person treten soll.

Unter anderem war der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer genannt worden, der jedoch abwinkte.

Die Ankündigung von Porsche, seine Anteile an Volkswagen von derzeit 27,4 Prozent auf 30 Prozent minus eine Aktie aufstocken zu wollen, hatte vor allem an den Aktienmärkten lebhafte Spekulationen darüber ausgelöst, ob das von den Familien Porsche und Piëch beherrschte Sportwagen-Unternehmen VW letztlich vollständig übernehmen will.

Von Seiten des Unternehmens hieß es dazu mehrfach, Porsche wolle unterhalb der Schwelle bleiben, ab der ein Übernahmeangebot an alle übrigen Aktionäre vorgeschrieben wäre.

Andererseits hat der Porsche-Aufsichtsrat den Vorstand ermächtigt, über eine Kapitalerhöhung fast acht Milliarden Euro in die Kassen zu bekommen und sich so einen großen finanziellen Spielraum zu verschaffen. Das nährte die Zweifel daran, ob Ferdinand Piëch als Schlüsselfigur in beiden Firmen tatsächlich nicht erneut für den Vorsitz des VW-Aufsichtsrates kandidieren wird.

Auch gegen Wiedeking

Ministerpräsident Christian Wulff als Vertreter von Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat sprach sich nun klar dagegen aus, dass Piëch dieses Gremium über 2007 hinaus führt: "Die Großaktionäre wie das Land Niedersachsen und Porsche sollten nach meiner Meinung den Aufsichtsratsvorsitz nicht anstreben", sagte er der Bild am Sonntag.

Piëch habe nach dem Einstieg der Sportwagenfirma bei VW anfangs großen Wert darauf gelegt, Porsche nicht zugerechnet zu werden. "Heute dürfte das noch schwerer vermittelbar sein." Wulff ist auch dagegen, dass Porsche-Chef Wendelin Wiedeking Nachfolger Piëchs wird. Wiedeking und sein Finanzvorstand Härter vertreten Porsche bereits im VW-Aufsichtsrat.

Wulff spricht sich ebenfalls gegen eine Einflussnahme von Piëch auf die Geschäftspolitik bei VW aus. "Das operative Geschäft obliegt allein dem Vorstand. Auch darauf muss der Aufsichtsrat achten", sagte der CDU-Politiker.

Das Land Niedersachsen ist nach Porsche zweitgrößter VW-Aktionär. Gegenwärtig besteht bei den Machtverhältnissen noch eine Pattsituation. Das VW-Gesetz deckelt die Stimmrechte bei 20 Prozent. Die EU-Kommission hält das Gesetz für einen unzulässigen Eingriff in die Rechte von Aktionären und will es abschaffen.

Dazu findet vor dem Europäischen Gerichtshof am 12. Dezember eine mündliche Verhandlung statt. Das Urteil wird im kommenden Jahr erwartet. Porsche, so hat Wiedeking mehrfach erklärt, rechne damit, dass das VW-Gesetz fallen werde. Dann wäre der Machtkampf um Volkswagen entschieden: Porsche hätte in der traditionell schwach besuchten VW-Hauptversammlung die Stimmenmehrheit.

Wulff fordert auch, die Diskussion um die Führung des Konzerns zu beenden. Sie war durch den überraschenden Rücktritt von Bernd Pischetsrieder ausgelöst worden, der durch den bisherigen Audi-Chef Martin Winterkorn ersetzt wurde. "Mit Machtspielchen muss endlich Schluss sein. Sie sind den Beschäftigten nicht länger zuzumuten", sagte der CDU-Politiker und fügte hinzu: "Entscheidend ist, welchen Weg Volkswagen in den nächsten Jahren nimmt.

Ich bin zuversichtlich, dass Martin Winterkorn den Kurs von Bernd Pischetsrieder fortführt." Winterkorn war am Freitag zum neuen Vorstandsvorsitzenden von VW von 2007 an berufen worden. Dabei waren Spekulationen aufgekommen, dass auch VW-Markenchef Wolfgang Bernhard seinen Posten verlassen könnte.

Nach der Aufsichtratssitzung am Freitag waren Winterkorn und Bernhard gemeinsam im Firmenjet zur Automesse nach China gereist. Bernhard betonte in Peking, VW habe in China beträchtliche Fortschritte gemacht. "Damit konnten wir den Abwärtstrend stoppen und sogar umkehren. Volkswagen wird in China wieder stark sein."

Bernhard präsentierte auf der Messe mehrere neue VW-Modelle, während Winterkorn anschließend bei Audi sprach - in Anwesenheit von Bernhard. Zur künftigen Rolle von Bernhard wollten sich beide Manager nicht äußern. Winterkorn sagte dazu nur: "Kein Kommentar." Winterkorn wolle erst im kommenden Jahr eine neue Vorstandsstruktur einführen, die zu einer Entmachtung Bernhards führen werde, wurde am Wochenende spekuliert. Das Verhältnis der beiden Manager gilt als getrübt.

Eine Rückkehr des VW-Markenchefs zu DaimlerChrysler würde von den Arbeitnehmern dort nicht begrüßt werden. Betriebsratsvorsitzender Erich Klemm sagte zu den Spekulationen über die Zukunft von Chrysler-Sanierer Bernhard: "Das Kapitel ist für uns erledigt."

© SZ vom 20.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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