Wolfgang Clement:Die deutsche Version von Speedy Sarkozy

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Deutschlands Wirtschaftsminister mischt sich stärker in die Industriepolitik ein - auch im Wettstreit mit seinem französischen Kollegen.

Von Ulrich Schäfer

Am Tag nach seinem Paris-Ausflug zog es den Superminister und seinen Staatssekretär für Industriefragen in den Biergarten. Doch im "Café am Neuen See", Berlins populärster Open-Air-Gaststätte, fanden die beiden zunächst keinen Platz.

Wolfgang Clement und Georg Adamowitsch, der Mann für die Industriethemen, ließen sich schließlich an einem versteckten Tisch am Rande nieder, gönnten sich ein Glas Bier und genossen unweit von Clements Wohnung am Rande des Tiergartens den goldenen Herbsttag.

Die Herren im Anzug sahen jedoch so aus, als hätten sie noch Geschäftliches zu erledigen. Denn der Terminkalender von Clement ist in diesen Wochen prall gefüllt. Es geht, anders als im Sommer, nicht nur um Hartz IV oder Ausbildungsplätze. Denn in Deutschland brennt es, zehntausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel, bei Opel und Karstadt.

"Die können nicht miteinander"...

Überall redet Clement mit, überall mischt er sich ein, spricht mit den Managern, den Betriebsräten, den Aufsichtsräten. Aus Clement, dem Arbeitsmarktpolitiker, ist in diesen Wochen Clement, der Industriepolitiker geworden - die deutsche Version des Nicolas Sarkozy.

Der französische Minister für Wirtschaft und Finanzen hat, seit er im Amt ist, seinen deutschen Kollegen immer wieder genervt. Clement musste sich vorhalten lassen, warum er nicht ähnlich in die Wirtschaft eingreife wie Sarkozy bei der Fusion der Pharmakonzerne Sanofi und Aventis oder dem geplanten Einstieg von Siemens bei Alstom, warum er sich nicht stärker um die "nationalen Champions" kümmere.

Nun tut er dies mehr denn je. Clement redet mit den Managern von General Motors in Zürich und Detroit, um den Stellenabbau in Deutschland "in sehr engen Grenzen" zu halten. Der Verlust von 10.000 Jobs, wie ihn Opel angekündigt hat, wäre "eine Katastrophe", sagt der Mann aus Bochum.

Kurzerhand sagte Clement deswegen auch vorletzte Woche ein seit Monaten geplantes Treffen mit Sarkozy ab - was in Paris als neuerlicher Beweis dafür gesehen wurde, dass man in Berlin von der französischen Wirtschaftspolitik nicht viel hält. "Die können nicht miteinander", räumen Berliner Beamte ein. Selbst vom Kanzler ist zu vernehmen, Sarkozy handele "extrem nationalistisch".

Insofern darf man es als Akt der Versöhnung ansehen, dass Clement am Samstag überraschend nach Paris flog. Eigentlich waren die Minister nur für den gestrigen Abend in Berlin verabredet, um im Vorfeld des deutsch-französischen Ministerrats an diesem Dienstag über die strittigen Themen in der Industriepolitik zu beraten.

...und müssen doch

Doch dann kam von Sarkozy die zusätzliche Einladung an die Seine. Und so speiste man in der Privatwohnung von "Speedy Sarkozy". Es soll, so heißt es im Berliner Wirtschaftsministerium, ein "konstruktives Gespräch" gewesen sein. "Konstruktiv" heißt in diesem Sinne aber wohl auch, dass Clement mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten hat.

Die jüngste Idee von Sarkozy, als Reaktion auf den Ölpreis die Energiesteuern zu senken, lehnte er bereits im Laufe der vergangenen Woche ab.

Auch von einem anderen Vorschlag aus Paris hält Clement nicht viel. Vor zwei Wochen hatte sein Kollege vorgeschlagen, nach dem Vorbild des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS auch in der Werftenbranche einen deutsch-französischen Industrieverbund zu schaffen.

Doch in Berlin wird befürchtet, dass die Franzosen in diesem Verbund vor allem die defizitäre Werftensparte von Alstom unterbringen wollen - und dies letztlich der eben erst verabschiedeten Fusion der deutschen Werften von Thyssen-Krupp und HDW schaden würde.

"Die Zeit für einen solchen Verbund", verkündete denn auch am Montag Clements Sprecherin, "ist noch nicht reif". Und dies liege vor allem an den Franzosen: Deutschland habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, aber "das steht auf der anderen Seite noch aus".

Der Industriepolitiker Clement weiß, dass er stets im Interesse seines Kanzlers handelt. So versuchte Schröder auf seiner jüngsten Indienreise, einen U-Boot-Auftrag, den die französische Staatswerft DCN schon sicher wähnte, doch noch nach Kiel zu holen.

Auch über Sarkozys Vorschlag, die Ölpreis-Spekulation stärker zu bekämpfen, äußerte sich Gerhard Schröder süffisant: "Dafür gibt es keine Patentrezepte, auch wenn man das bei unseren Nachbarn gelegentlich glaubt."

© SZ vom 26.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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