Wohnungsbau-Offensive:"Viel versprochen, wenig gehalten"

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In Großstädten wie Berlin sind günstige Wohnungen knapp. (Foto: mauritius images)

Ein Jahr nach dem Start der Initiative verschiedener Verbände ist klar: Der Bund hat nur mäßig vorgelegt. Nun sind die Länder gefragt.

Von Benedikt Müller und Gianna Niewel, München/Berlin

Knapp ein Jahr ist es her, dass Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) eine "Wohnungsbau-Offensive" ausgerufen hat. Die vielen Menschen, die im Herbst 2015 nach Deutschland geflohen sind, hatten der Politik vor Augen geführt, dass es eng würde in den Großstädten. Seit Jahren konkurrieren dort Familien, Geringverdiener und ältere Menschen um Wohnraum. Die Lage erfordere ein "zügiges Handeln aller Beteiligten", sagte Hendricks damals. Künftig sollte nicht nur mehr gebaut werden, sondern auch dichter und günstiger.

Jetzt, ein Jahr vor der Bundestagswahl, zieht ein ungewöhnliches Bündnis von Mieterbund, Baugewerkschaft, Verbänden der Wohnungswirtschaft und der Bauindustrie eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Offensive: "Viel versprochen, wenig gehalten." Eigentlich sind diese Verbände selten einer Meinung - aber alle wollen sie, dass hierzulande mehr Wohnungen gebaut werden.

Offizielle Zahlen geben ihnen recht. Die Bundesregierung schätzt, dass jährlich 350 000 Wohnungen neu gebaut werden müssten, um die Nachfrage zu decken. Doch im vergangenen Jahr sind bundesweit 248 000 Wohnungen fertiggestellt worden - darunter nur 15 000 Sozialwohnungen. "Wir hinken da enorm hinterher", sagte Hendricks' Staatssekretär Gunther Adler vor Kurzem auf der Immobilienmesse Expo Real in München. Was hat die Politik bisher getan, um aufzuholen?

Erste Städte greifen durch, richten Sozialquoten für Neubauten ein, schaffen Stellplatz-Verordnung ab

Zunächst wollte die Bundesregierung den Wohnungsbau mit Steueranreizen fördern. Wer in Ballungsgebieten günstige Mietshäuser (statt teurer Eigentumswohnungen) baut, sollte im ersten Jahr 30 Prozent seiner Kosten von der Steuer absetzen können. Doch dann wurden sich Union und SPD nicht einig, wie der Staat kontrollieren könnte, dass die neuen Wohnungen wirklich bezahlbar sind. Deshalb wird es vorerst keine Steuerförderung geben. Die Verbände sind enttäuscht: rote Karte.

Allerdings fehle es zurzeit gar nicht an Investoren, sagt Christian Bruch vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Vielmehr sind Grundstücke in den Ballungszentren dermaßen knapp, dass die Preise stark gestiegen sind. So hat sich Bauland in Berlin allein im Jahr 2015 um 30 Prozent verteuert.

Daher vergibt der Bund seine eigenen Grundstücke nicht mehr nur zum Höchstpreis. Erste Liegenschaften hat er günstiger verkauft, etwa wenn dort Sozialwohnungen gebaut werden. Städte wie Hamburg oder München schreiben für Neubauten längst einen Mindestanteil geförderter Mietwohnungen fest - und vergeben Flächen an den Bauträger mit dem besten sozialen Konzept statt an den Meistbietenden.

Doch das sind Ausnahmen, sagen die Verbände. Insgesamt sei "nahezu keine wirksame" Bereitstellung von günstigem Bauland erfolgt. Denn viele Städte sind auf die Einnahmen durch den Verkauf von Bauland angewiesen. Vielerorts regt sich zudem Widerstand, wenn immer mehr Flächen verbraucht werden.

Deshalb ist es Teil der Offensive, Städte zu verdichten: Wo Wohnraum fehlt, sollen Dächer ausgebaut, Gebäude aufgestockt und leer stehende Büros leichter zu Wohnungen umgewandelt werden können. Hier zeigen sich die Verbände zufriedener. Das Bauministerium hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach Städte künftig urbane Mischgebiete ausweisen dürfen. In dieser neuen Kategorie darf es lauter und dichter sein als in normalen Gebieten.

Allerdings scheitert die Verdichtung vielerorts an Brandschutz-Auflagen oder Stellplatz-Verordnungen. Wer in den Innenstädten zusätzliche Wohnungen baut, schafft es oft nicht, die nötigen Parkplätze zu erstellen. In Zeiten, in denen das eigene Auto für viele immer unwichtiger wird, haben Städte wie Berlin und Hamburg die Stellplatz-Verordnung kurzerhand abgeschafft. Doch es dauert, bis solche städtischen Reformen Schule machen.

Bis dahin bleibt es dabei: In Deutschland gelten heute vier mal so viele Bau-Standards wie vor 25 Jahren. So entstehen Geschichten wie die einer Baugesellschaft, die in Bielefeld eine Kindertagesstätte aus Fertigteilen gebaut hat. Die Kita hätte man in anderen Städten genauso bauen können, was Zeit gespart hätte. Doch im benachbarten Niedersachsen etwa gilt eine andere Bauordnung. Die Bundesregierung will nun, dass die Länder ihre Bauordnungen angleichen. Erst dann lohnen sich serielle Bauten. Darüber beraten die Bauminister der Länder diese Woche bei ihrer Konferenz in Magdeburg. Noch zeichnet sich aber nicht ab, dass sie eine einheitliche Bauordnung finden werden.

Zur Länderaufgabe ist auch der Bau von Sozialwohnungen geworden. Der Bund verdreifacht zurzeit seine Ausgleichszahlungen an die Länder auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Am Freitag wollen die Bauminister bekanntgeben, wie sie die zusätzlichen Mittel unter sich aufteilen. Viele Länder haben den Bau von Sozialwohnungen in der Vergangenheit vernachlässigt. Erst vor einem Jahr haben sie versprochen, die Bundesmittel auch wirklich für den Wohnungsbau einzusetzen. Eine Berichtspflicht gab es nicht. Doch wie der soziale Wohnungsbau von 2020 an gefördert werden soll, ist noch unklar. Dann läuft die aktuelle Regelung zwischen Bund und Ländern aus.

Insgesamt liegt es nun stark an Ländern und Kommunen, Wohnraum zu fördern. "Hier ist eine stärkere Zusammenarbeit gefragt", sagt Mieterbund-Chef Lukas Siebenkotten, "damit die Probleme nicht nur analysiert, sondern auch behoben werden." Doch wie viele Reformen im letzten Jahr vor der Bundestagswahl noch umgesetzt würden, sei unklar. So dürften Wohnen und Bauen zu wichtigen Wahlkampf-Themen werden. Siebenkotten erinnert: "Jeder Mieter ist auch ein Wähler."

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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