Wohnen I:Die Grundsteuer soll der Vermieter zahlen

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Ein Viertel in Berlin mit vielen Mietwohnungen. (Foto: imago)

Der Bundesfinanzminister will die Berechnung der Grundsteuer so reformieren, dass drastische Mietsteigerungen vermieden werden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Im Streit um die Neuberechnung der Grundsteuer ist der zuständige Bundesfinanzminister am Donnerstag in die Offensive gegangen. Er werde dafür sorgen, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform "gerecht" ausfallen werde, sagte Olaf Scholz in Berlin. Der Sozialdemokrat kündigte "mieterfreundliche Lösungen" an. Deren Belastung werde nicht steigen. Deutsche Städte seien noch immer so, dass auch Leute mit wenig Geld in begehrten Wohnlagen lebten und Leute mit viel Geld in weniger guten Gegenden. "Das wollen wir nicht gefährden", sagte Scholz. Er zeigte sich offen dafür, notfalls die Umlage der Grundsteuer auf die Miete zu untersagen. "Das kann man ändern. An mir soll das nicht scheitern."

Scholz reagierte damit auf Vorwürfe von Mieterverbänden, aus der Wirtschaft und der Landespolitik. Man fürchtet, dass die neue Grundsteuer vor allem das Wohnen in ohnehin teuren Gegenden weiter verteuert. Die Grundsteuer darf vom Immobilieneigentümer, der sie ans Finanzamt zahlen muss, auf die Miete umgelegt werden. Am Montag war aus dem Bundesfinanzministerium bekannt geworden, dass es in Bestlagen zu zusätzlichen Belastungen in "mittlerer zweistelliger" Höhe jährlich kommen könnte. Scholz wollte dies nicht bestätigen. Er gehe davon aus, dass die meisten Mieter profitieren würden. In Einzelfällen könnten Mietsteigerungen "durch Kappung korrigiert werden".

Das Steueraufkommen liegt derzeit bei 14 Milliarden Euro und geht komplett an die Länder

Ein konkreter Vorschlag, jegliche Mietsteigerungen dadurch zu verhindern, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Miete korrigiert wird, liegt bisher nicht vor. Scholz ist dafür nicht zuständig. Allerdings hätte er einen kurzen Dienstweg zu Justizministerin Katarina Barley, die eine entsprechende Gesetzesinitiative voranbringen müsste. Scholz sagte, "wenn der politische Wille besteht, kann man das voranbringen". Er sei Sozialdemokrat, "es ist nicht so, dass man mich ziehen muss". Dass die große Koalition sich darauf einigen könnte, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Aus der Unionsfraktion verlautete am Donnerstag, ein Verbot der Umlagefähigkeit werde man nicht unterstützen.

Scholz steht unter enormen Zeitdruck. Bereits im Januar will er sich mit den Ländern verständigen, bis Ende 2019 muss die Neuberechnung der Grundsteuer von Bundestag und Bundesrat gesetzlich verabschiedet werden. Bis Ende 2024 ist dann Zeit, die Vorgaben in den Behörden umzusetzen, ab 1. Januar 2025 soll die neue Grundsteuer gelten. Der Zeitplan ist angesichts des komplizierten Vorhabens sehr eng. Die ähnlich komplizierte Reform der Erbschaftsteuer hatte in der vergangenen Legislatur länger gedauert und war am Ende nur aufgrund nochmaligen Drucks vom Bundesverfassungsgericht zustande gekommen. Damals hatte Scholz als Landeschef von Hamburg noch an der anderen Seite des Tisches gesessen.

Am Mittwoch hatten sich Scholz und die Finanzminister der Länder erstmals getroffen; der Bundesfinanzminister hatte zwei Vorschläge auf den Tisch gelegt. Scholz sagte, man habe sehr konstruktiv und sachorientiert beraten. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) zeigte sich am Donnerstag noch "skeptisch, ob das von Olaf Scholz bevorzugte Modell diese Anforderungen erfüllt". Er kündigte aber an, beide Modelle intensiv zu prüfen. Der Deutsche Landkreistag teilte dagegen mit, er unterstütze "Kernelemente" des Modells einer werteabhängigen Grundsteuer. "Eine rein flächenbezogene Steuer läge nicht im Interesse der Landkreise und wird von uns abgelehnt", sagte Präsident Landrat Reinhard Sager. Er sehe nicht, wie man nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine gesetzliche Regelung des Bundes mit einem Systemwechsel zu einer Flächensteuer rechtfertigen könne.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 18. April 2018 die Wertermittlung für die Grundsteuer als nicht verfassungskonform eingestuft. Die Richter kritisierten, dass die gesetzliche vorgeschriebene Anpassung der Immobilienwerte alle sechs Jahre nicht beachtet worden sei. Die verwendeten Einheitswerte stammten aus den Jahren 1964 (alte Länder) und 1935 (neue Länder). Sie entsprächen nicht den tatsächlich aktuellen Werten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regierung aufgefordert, bis Ende 2024 eine verfassungsgerechte, sozial gerechte und das Recht der Kommunen auf eigenständige Hebesätze bewahrende Lösung zu finden. Dabei soll das Aufkommen der Grundsteuer konstant bleiben. Es liegt bei 14 Milliarden Euro. Das Geld geht komplett an die Länder.

Scholz lässt zwei Modelle beraten. Das wertunabhängige Modell orientiert sich an der Fläche von Gebäuden und an deren Nutzung. Es führt dazu, dass Einfamilienhäuser in München-Bogenhausen genau so bewertet werden wie in Bad Salzungen.

Scholz will die Grundsteuer vom Wert der Immobilie abhängig machen. In dem zweiten, von ihm bevorzugten Modell wird der Grundstückswert ermittelt, dann der Steuermessbetrag festgelegt und schließlich setzt die Kommune über den Hebesatz die Grundsteuer fest. Weil der Wert der Immobilien ansteigt, will Scholz die Steuermesszahl zum Ausgleich drastisch senken. Zudem sollen die Bürgermeister die Hebesätze so absenken, dass die Grundsteuer am Ende nicht steigt. Eine Garantie wollte Scholz nicht geben. Er gehe aber davon aus, "dass es sich keiner erlauben wird, es anders zu machen". Und was den Vorwurf der überbordenden Bürokratie betrifft: Scholz will mit Daten arbeiten, die weitgehend vorhanden sind. Statt ausufernden Gutachten zu erstellen, sollen die Kaltmieten zur Bewertung herangezogen werden. Bis 2025, hofft Scholz zudem, werde das alles digital erledigt.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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