Wirtschaftskriminalität:Spur nach Taschkent

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Eine dubiose Schweizer Firma mit Verbindung zur Tochter des usbekischen Präsidenten ist pleite. Sie hinterlässt Schulden in Milliardenhöhe.

Von Bernhard Odehnal und Charlotte Theile, Zürich

Ein Ring mit rotem Diamant und Brillanten von Maison Boucheron, 19,5 Millionen Franken Verkaufspreis. Eine Halskette mit roten Rubinen. Die Ermittler der Schweizer Bundeskriminalpolizei staunten nicht schlecht, als sie den Tresor einer noblen Genfer Privatbank öffneten. Noch erstaunlicher: die Rechnungen, die sie danach fanden. Wohl war die Besitzerin des Tresors für ihren Hang zum Luxus bekannt. Aber dass Gulnara Karimowa, Tochter des damaligen usbekischen Staatspräsidenten Islam Karimow, zwischen 2006 und 2009 in der Schweiz Schmuck und Uhren für 34 Millionen Dollar und 4 Millionen Euro gekauft hatte - das war dann doch bemerkenswert.

Bezahlt hat die heute 46-jährige Präsidententocher die Schmuckstücke nicht selbst. Die Rechnungen wurden von einer in Zug ansässigen Firma namens Zeromax beglichen. Das stellt ein Bericht vom September 2016 fest, den die Bundeskriminalpolizei für die Bundesanwaltschaft verfasste. Er wurde der Süddeutschen Zeitung nun zugespielt.

Die 2005 gegründete Firma stand in usbekischem Besitz, wickelte zeitweise bis zu 80 Prozent des Erdölhandels des zentralasiatischen Staates ab und war Auftraggeber von Prunkbauten wie dem "Weißen Haus", einem 800 Millionen Franken teuren Palast im Herzen der Hauptstadt Taschkents. 2010 ging die Zuger Firma in Konkurs und hinterließ einen gigantischen Schuldenberg, etwa fünf Milliarden Franken. Die Frage, wer die Firma tatsächlich kontrollierte, ist bis heute umstritten.

Hinter Zeromax soll die Präsidententochter Karimowa stehen

Einen Teil der Schulden hat Zeromax bei Jürgen Schneider. Schneider, der in Wirklichkeit anders heißt, ist Geschäftsführer eines schwäbischen Unternehmens, seine Firma baute damals prunkvolle Treppengeländer in den Palast. Ein ungewöhnlicher Auftrag - die Materialien vom Feinsten, der Termindruck kaum zu bewältigen, dazu eine Höflichkeit, wie sie hohen Staatsgästen zuteil wird. Schneider und viele andere deutsche Mittelständler achteten darauf, möglichst nur nach Vorauszahlung zu arbeiten. Trotzdem blieben sie am Schluss auf Forderungen in Millionenhöhe sitzen. Wer die Ausfälle ersetzen soll? Schneider sieht den usbekischen Staat in der Pflicht. Doch auch von der Schweiz ist er enttäuscht. Denn die schweizerische Bundesanwaltschaft hat im Umgang mit den umkämpften, beschlagnahmten Geldern schon einige Volten beschrieben. "Hinsichtlich der beschlagnahmten Gelder und Sachgegenstände von Frau Karimowa haben wir mehr aus den Medien erfahren als von den Verfahrensbeteiligten in der Schweiz", sagt Schneider.

Im Zuger Handelsregister waren als Gesellschafter und Geschäftsführer der Zeromax zwei Usbeken eingetragen. In Usbekistan habe es jedoch immer schon Gerüchte gegeben, dass die wahre Eigentümerin von Zeromax die Präsidententochter Karimowa sei, sagt der im schweizerischen Winterthur lebende usbekische Regimekritiker Alischer Taksanow.

Die Funde der Bundeskriminalpolizei stützen diese Vermutung. In dem 12-seitigen Bericht werden Rechnungen präsentiert, die schweizerische und deutsche Unternehmen für die Renovierung von Karimowas Villa "Magnolia" in der Genfer Gemeinde Cologny stellten, außerdem Rechnungen für den Kauf von Immobilien in Frankreich und Hongkong sowie den Transfer europäischer Fußballprofis nach Usbekistan. Insgesamt listet das Schweizer Bundesamt für Polizei, die Fedpol, Zahlungen von 66,1 Millionen Dollar und 47,1 Millionen Euro auf, die Zeromax im Interesse und wahrscheinlich im Auftrag von Karimowa tätigen musste. Gefunden wurden auch Geldabflüsse von Zeromax-Konten zu Offshore-Firmen, die Karimowa zugeordnet werden: Von 2006 bis 2009 waren das 354,7 Millionen Dollar und 10,7 Millionen Euro. Kurz danach wurde die geplünderte Zeromax zu einem der größten Konkursfälle der Schweizer Wirtschaftsgeschichte.

Karimowa leitete bis Ende 2013 die usbekische UN-Mission in Genf. Im September dieses Jahres ließ die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche 800 Millionen Franken ihres Vermögens einfrieren und eröffnete ein Strafverfahren gegen Karimowa und drei weitere Usbeken. Auch bei der eigenen Familie fiel die Präsidententochter in Ungnade. Bis heute steht sie in Taschkent unter Hausarrest. Wem aber stehen ihre Millionen aus der Schweiz zu? Zeromax hat viele Geschädigte hinterlassen: Versicherungen in der Schweiz, mittelständische Handwerksbetriebe in Deutschland, Rohstoffhändler in Russland. Viele von ihnen sind der Meinung, dass Zeromax eindeutig Karimowa gehört habe und die ausstehenden Schulden deshalb aus dem eingefrorenen Geld in der Schweiz gezahlt werden müsste. Tatsächlich ließ die Bundesanwaltschaft die Konkursverwaltung von Zeromax 2014 als Beteiligten im Strafverfahren gegen Karimowa zu, schloss sie aber 2017 wieder aus. Eine Berufung gegen den Ausschluss wurde im Februar 2018 vom Bundesstrafgericht abgelehnt.

Im Urteil des Bundesstrafgerichts werden die Ermittlungen der Bundeskriminalpolizei vom Tisch gewischt: Zahlreiche Zahlungen von Zeromax zugunsten Karimowas ließen nicht den Schluss zu, "dass Gulnara Karimowa Kontrolle über diese Gesellschaft ausübte". Für bedeutender hält das Gericht Aussagen ehemaliger Manager von Zeromax, dass Karimowa mit der Firma nichts zu tun gehabt habe. Diese Manager sitzen in Usbekistan in Haft. Die Anwälte der Zeromax-Gläubiger vermuten, dass sie unter Zwang aussagen mussten. Die Bundesanwaltschaft beantwortet Fragen dazu nicht.

Die Regierung in Bern ist offenbar bemüht, den Fall loszuwerden

Die Menschenrechtssituation in Usbekistan habe sich zwar seit dem Tod von Präsident Islam Karimow 2016 deutlich verbessert, schreibt die Organisation Human Rights Watch in ihrem Jahresbericht, aber Folter, politisch motivierte Haftstrafen und Zwangsarbeit seien auch unter dem neuen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev weit verbreitet. Der Machtapparat sei immer noch der alte, bestätigt Alischer Taksanow: Ob Minister, Bürgermeister, Staatsanwälte, Richter, Geheimpolizisten - "sie alle dienten Karimow und sie sind weiterhin im Amt". Taksanow lebt seit zwölf Jahren in der Schweiz. Der Journalist verfasste kritische Berichte über die usbekische Regierung. Nach massiven Drohungen verließ er das Land.

Die Schweizer Regierung ist offenbar bemüht, den Fall Karimowa loszuwerden. Am 9. Mai traf der Bundesrat einen vorläufigen Entscheid: Karimowas 800 Millionen Franken sollen vollständig an Usbekistan zurückgegeben werden, da die Gelder "mutmaßlich aus Korruptionshandlungen zum Nachteil des usbekischen Staates stammen", erklärt das Bundesamt für Justiz. Die Bundesanwaltschaft ebnete dafür den Weg, indem sie gegen die Beschuldigten in der Usbekistan-Affäre Strafbefehle erließ und 700 Millionen Franken einzog. Gegen Karimowa selbst wird weiterhin ermittelt.

Für die usbekische Regierung ist der Schweizer Entscheid Grund zum Jubeln: Nun sei die Rückgabe der Millionen "in positiver Art" gelöst worden, schrieb im Juni die Zentralasiatische Nachrichtenagentur. Und zitiert einen Schweizer Beamten, wonach die Gläubiger von Zeromax "wenig bis gar keine Chance haben, zumindest einen Teil des Geldes zu bekommen".

Die Hoffnungen der deutschen Mittelständler ruhen nun ganz auf den deutschen Wirtschaftsverbänden und der deutschen Politik. Im Januar hat sich der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev zum Staatsbesuch in Berlin angekündigt. Jürgen Schneider hofft, dass die Bundeskanzlerin mit ihm auch über die ausstehenden Zahlungen für die Palastbauer von Taschkent sprechen wird.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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