Wirtschaftskriminalität:Bis zu 60 Beteiligte an VW-Affäre

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Die Volkswagen-Affäre weitet sich aus. "Das Netz der Tarnfirmen ist größer und komplizierter als gedacht", sagte VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder in einem Interview.

Michael Kuntz

Es seien "50 oder 60 Personen in dem Zusammenhang aufgetaucht". Unklar sei nur, wer sich etwas zu Schulden habe kommen lassen.

Ein bisschen Licht und viel Schatten gibt es derzeit bei VW. (Foto: Foto: dpa)

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt bisher nur gegen drei ehemalige VW-Mitarbeiter: den Ex-Personalchef bei Skoda Helmuth Schuster, den entlassenen Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer und Klaus Volkert, den zurückgetretenen Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates.

"Wir können uns an solchen Zahlenkonstruktionen noch nicht beteiligen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft: "Wir gehen solide und ruhig unseren Weg und werden sehen, was die weiteren Ermittlungen ergeben."

Vielzahl von Belegen

Zwei Staatsanwälte sind mit einer Sonderkommission des Landeskriminalamtes Niedersachsen dabei, eine Vielzahl von Belegen zu prüfen. Die Ermittlungen seien nicht immer einfach - zum Beispiel bei Eigenbelegen, die keinen weiteren Verwendungszweck angeben.

"Wir reden eher von Wochen und Monaten, bis wir den Überblick haben, das liegt an der Komplexität der einzelnen Sachverhalte, die wir zu prüfen haben und auch an der Vielzahl von Unterlagen", sagte der Sprecher weiter.

Zu klein sei die Ermittlergruppe nicht. "Sie war bislang jedenfalls groß genug, um voranzukommen. Wenn wir einen erheblichen Engpass sehen würden, würden wir handeln."

Indien, Angola und Prag

Laut Pischetsrieder ist es bei den "drei Vorgängen" in der Affäre geblieben: Indien, Angola und die Firma FBel in Prag. "Aber anscheinend ist der Kreis der nicht zum Unternehmen gehörenden Beteiligten größer als erwartet", sagte er dem Stern.

Dem früheren Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer, einem der Beschuldigten, warf der VW-Vorstandsvorsitzende vor, er habe versucht, Menschen abhängig zu machen. "Es gibt eine Reihe von Mitarbeitern, die mir sagten, von ihm Geld angeboten bekommen zu haben, es aber nicht angenommen hätten", sagte Pischetsrieder weiter.

VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch fügte in dem Interview hinzu, von den "Millionen Seiten" umfassenden Dokumenten seien bisher "noch keine zehn Prozent" überprüft worden. Laut Pischetsrieder werden nur Unterlagen vom Jahr 2001 an überprüft. "Da gibt es genügend Material", sagte er. Im September erwarte er einen Zwischenbericht. Von Lustreisen der Betriebsräte auf Konzernkosten hätten sie beide nichts gewusst, erklärten Pischetsrieder und Piëch.

Der Vorstandschef beteuerte, dass Volkert nicht mit Vergünstigungen zu einer besseren Zusammenarbeit bewegt worden sei. "Das hatte nichts damit zu tun", sagte Pischetsrieder. Er erklärte, dass der wegen des Skandals zurückgetretene Personalvorstand Peter Hartz ihm versichert habe, nichts vom Tun Gebauers gewusst zu haben.

Sparen für den Gewinn

VW-Markenchef Wolfgang Bernhard hat nach Aussagen von Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch beste Aussichten, nach Bernd Pischetsrieder der nächste Vorstandsvorsitzende zu werden. Der im vergangenen Jahr von DaimlerChrysler zu Volkswagen gewechselte Manager ist vor allem als Sanierer bekannt. Über einen Rückgang zu seinem früheren Arbeitgeber war spekuliert worden, weil sein früherer Chrysler-Kollege Dieter Zetsche dort bald neuer Konzernchef wird.

Piëch sagte im Stern auf die Frage, was Bernhard von VW versprochen wurde, um ihn zu halten: "Das ist ganz einfach: Herr Bernhard hat sich ausgerechnet, dass Herr Pischetsrieder fünf Jahre älter als Herr Zetsche ist. Wenn er gute Arbeit leistet, weiß er, wo er früher dran ist" ( SZ vom 16.8.). Er habe mit Bernhard aber noch nicht über die Nachfolge als Konzernchef gesprochen.

Zur Frage der Pischetsrieder-Nachfolge sagte Piëch, Audi-Chef Martin Winterkorn sei fünf Jahre älter als der amtierende VW-Chef. "Und sonst ist zurzeit niemand in Sicht." Wichtig sei, dass ein Techniker an der ersten Stelle bei VW stehen solle, sagten beide übereinstimmend.

VW sieht sich auf Kurs

Unterdessen sieht sich Europas größter Autohersteller Volkswagen nach fast acht Monaten auf Kurs, die für 2005 gesteckten Gewinnziele zu erreichen. Wegen der Probleme auf den beiden wichtigen Märkten USA und China steht für Vorstandschef Pischetsrieder und Finanzchef Hans Dieter Pötsch der Konzern vor großen Herausforderungen.

Der operative Gewinn nach Sondereinflüssen soll im laufenden Jahr die 2004 erzielten 1,62 Milliarden Euro übertreffen. Der Vorsteuergewinn soll über den 1,09 Milliarden Euro des Vorjahres liegen, bekräftigte Pischetsrieder in einer Telefonkonferenz mit Analysten in London. Mit Hilfe massiver Einsparungen soll er bis 2008 um vier Milliarden Euro auf 5,1 Milliarden Euro steigen. Die einzelnen Maßnahmen des Sparprogramms "ForMotion plus" sollen noch im November vom Aufsichtsrat beschlossen werden.

© SZ vom 25.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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