Wirtschaftskriminalität:Betrüger schädigen fast jede zweite Firma

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Mit Wirtschaftskriminalität haben rund 40 Prozent aller deutschen Unternehmen zu tun, darunter deutlich mehr große als kleine Firmen. Häufig führt nur der Zufall auf die Spur von Betrug, Untreue, Fälschung, Produktklau oder auch Korruption.

Von Helga Einecke

(SZ vom 27.08.03) - In einer zweiten Studie im Abstand von zwei Jahren gaben Firmen in Deutschland, Europa und weltweit der Beratungsgesellschaft PwC Auskunft über Fehlverhalten. Zwar ging in diesem Zeitraum die Zahl der betroffenen Unternehmen hier zu Lande um acht Prozent zurück. Aber Karl-Heinz Maul, Partner bei PricewaterhouseCoopers (PwC), mag daraus keinen Trend ablesen. "Lange nicht alle Fälle kommen ans Licht, es ist unwahrscheinlich, dass die Bedrohung in Deutschland abgenommen hat ", sagt er dazu. Die deutsche Wirtschaftskriminalität bewege sich noch immer über europäischem Durchschnitt.

Die Häufigkeit der Computerkriminalität und der Geldwäsche wird häufig unterschätzt. Der Korruption wird andererseits eine zu große Bedeutung eingeräumt. Für die tatsächlichen Häufigkeiten auf das Bild klicken. (Foto: Foto: SZ)

Die Häufigkeit von Falschbilanzierung werde ebenso überschätzt wie der Umfang von Korruption und Industriespionage. Ein Drittel aller Fälle betreffe Betrug und Untreue, gefolgt von Computerkriminalität.

Zwei Millionen Euro Schaden je Fall

Allerdings entstehen den Firmen durch Spionage, Produktklau und Korruption weit höhere Schäden als durch die Betrügereien. Viele Unternehmen sehen sich nicht in der Lage, die Höhe der ihnen entstandenen Verluste anzugeben. Weltweit sprechen Firmen im Schnitt von Schäden von zwei Millionen Euro je Fall. Die Wirtschaftskriminalität kostet aber nicht nur Geld, sondern wirkt sich auch auf die Moral der Mitarbeiter, auf Geschäftsbeziehungen und die Reputation aus.

Den materiellen Schaden bekommen die deutschen Unternehmen selten ersetzt. Nach Erkenntnissen von PwC sind sie weniger als amerikanische Konkurrenten bereit, gegen eigene Mitarbeiter schnell, offen und konsequent vorzugehen. Außerdem hat nur jede dritte Firma eine so genannte Vertrauensschadensversicherung abgeschlossen.

Dessen ungeachtet fühlen sich die meisten Unternehmen gut gewappnet gegen Wirtschaftskriminalität. Sie führen interne Kontrollsysteme, einen Verhaltenskodex für Mitarbeiter oder Hinweissysteme auf Fehler als vorbeugende Maßnahmen ins Feld.

Viele Delikte unentdeckt

Die Firmenberater bezweifeln den Erfolg. Schließlich wurden über die Hälfte aller Straftaten in den Unternehmen durch Zufall oder Tipps entdeckt. Wirtschaftskriminelle verwenden offenbar viel Energie auf die Verwischung ihrer Spuren, was ihre Entdeckung erschwert.

Sie haben es in großen Unternehmen leichter, weil es bei anonymen Anteilseignern an "natürlichen Opfern" fehlt. Besonders betroffen sind die Branchen, bei denen es um Geld geht, also Banken und Versicherungen. Aber auch Dienstleister und Computerfirmen sind stärker betroffen als andere.

Die Verbrecher mit dem weißen Kragen sind zum überwiegenden Teil Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen. Häufig betrügen Einzelne ihren Arbeitgeber systematisch über Jahre und verfeinern ihre Verschleierungen im Laufe der Zeit. Das wichtigste Motiv der Wirtschaftskriminellen ist nach Angaben von Maul der Neidkomplex.

In Deutschland hat die Wirtschaftskriminalität zwar nur einen Anteil von weniger als zwei Prozent an allen registrierten Straftaten. Ihr Gesamtschaden wird aber auf 6,7 Milliarden Euro oder einen Anteil von mehr als 50 Prozent geschätzt.

Spezialisierte Staatsanwälte

Die Justiz reagiert auf diese Entwicklung mit einer steigenden Zahl von auf Wirtschaftsdelikte spezialisierten Staatsanwaltschaften. Schwerpunkte der Verbrechensbekämpfung auf diesem Gebiet wurden zunächst in Frankfurt, München und Düsseldorf gebildet. Aber auch in Berlin, Hamburg, Mannheim, Bochum und Hamburg sorgen spektakuläre Fälle für umfangreiche Ermittlungen.

Zu den bekanntesten Managern, die vor Gericht standen, gehören der Coop-Chef Bernd Otto, der Sportbodenhersteller Friedel Balsam, der Bauunternehmer Jürgen Schneider, Vulkan-Chef Friedrich Hennemann, der Immobilienunternehmer Roland Ernst, Flowtex-Chef Manfred Schmider, die EM.TV-Brüder Florian und Thomas Haffa sowie Comroad-Gründer Bodo Schnabel.

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