Wirtschaft in Gefahr:Teures Benzin wird zum Konjunkturrisiko

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Der Benzinpreis steigt unaufhaltsam. Jetzt werden die Forderungen nach Absenkung der Öko-Steuer immer lauter.

Von Marc Beise und Meite Thiede

Der Benzinpreis scheint unaufhaltsam zu steigen. Nach der jüngsten Preisrunde kostet ein Liter Superbenzin im bundesweiten Durchschnitt 1,20 Euro - so viel wie noch nie.

(Foto: Foto: ddp)

Experten rechnen damit, dass sich die Aufwärtsbewegung fortsetzen wird. Auch der Ölpreis ist auf Rekordniveau. Damit wachsen die Gefahren für die labile deutsche Konjunktur.

Die steigenden Energiepreise könnten auch auf die Aktienkurse durchschlagen und die Börse nach unten ziehen. Vor dem Hintergrund des hohen Steueranteils beim Benzin werden die Forderungen nach einer Absenkung der Öko-Steuer lauter.

Marktführer Aral hatte den Preis für Superbenzin bereits am Montag um vier Cent auf 1,20 Euro je Liter heraufgesetzt, die Wettbewerber zogen am Dienstag nach.

Rohöl noch weiter angestiegen

Auch das Rohöl verteuerte sich nochmals: Die Nordsee-Sorte Brent kostete mehr als 35 Dollar je Barrel (159 Liter) - der höchste Stand seit der Kuwait-Krise Oktober 1990. Ein weiterer Anstieg auf 38 oder mehr Dollar gilt als durchaus möglich.

Experten erklärten die Verteuerung des Benzins allerdings nicht mit dem Rohölpreis, sondern mit den Preisen am Spotmarkt Rotterdam. Dort kostete die Tonne Superbenzin am Dienstag 457 Dollar; das waren 53 Prozent mehr als am ersten Handelstag des Jahres.

Der Benzinpreis an den Tankstellen stieg dagegen seither um zwölf Prozent, der Rohölpreis um 18 Prozent.

Hohe Nachfrage aus den USA

Der Grund für die hohen Preise in Rotterdam liegt an der hohen Benzin-Nachfrage in den Vereinigten Staaten. Schon seit einigen Jahren können die veralteten US-Raffinerien im Frühjahr den durch die beginnende Reisezeit steigenden Bedarf nicht mehr selbst befriedigen; Vorräte haben die Konzerne schon lang nicht mehr.

Die Händler decken sich deshalb in Europa ein, was die Preise dort in die Höhe treibt.

Das Problem zu geringer Raffineriekapazitäten könnte sich nach Meinung von Marktexperten weltweit noch verstärken. Denn während in den westlichen Industrieländern der Mineralölverbrauch stetig sinkt, steigt er in den Schwellenländern umso schneller.

China ist inzwischen nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Ölimporteur der Welt und hat im vergangenen Jahr Japan auf den dritten Platz verwiesen.

Sinkende Gewinnmargen und höhere Konsumkosten

Die hohen Energiepreise beginnen sich zu einer ernstem Gefahr für die ohnehin labile deutsche Konjunktur auszuweiten. "Die Belastung wird stärker, keine Frage", sagte der Chefvolkswirt der HypoVereinsbank, Hüfner, der Süddeutschen Zeitung. "Wenn der Preis für Öl und Benzin weiter steigt, wird er sich zur Gefahr auswachsen."

Der Preisanstieg drückt die Gewinnmargen der Unternehmen, höhere Benzinpreise den privaten Konsum. Hüfner wies daraufhin, dass nach einer Faustregel zehn Dollar mehr für ein Barrel Öl ein halbes Prozent Wirtschaftswachstum kosten.

Ölpreis schlägt sich auf Börsenkurse durch

Der weiter anziehende Ölpreis wird nach Einschätzung von Börsianern auch die internationalen Finanzmärkte belasten. "In den kommenden drei bis sechs Monaten wird der Ölpreis auf die Kurse durchschlagen", sagte Volkswirt Rainer Sartoris von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Andere Börsianer äußerten sich ähnlich.

Nach Modellrechnungen auf der Grundlage von statistischen Daten der Deutschen Shell muss ein durchschnittlicher Autofahrer in Deutschland (Fahrleistung 11400 Kilometer) mit Mehrkosten von knapp 100 Euro jährlich rechnen, falls die Benzinpreise auf ihrem gegenwärtigen Niveau bleiben sollten.

Trotz der hohen Benzinpreise haben auch die Mineralölkonzerne am Kraftstoffverkauf derzeit nicht viel Freude. Sie können die hohen Beschaffungskosten nur zum Teil an die Kunden weitergeben. Es herrscht scharfer Wettbewerb, der Markt ist überbesetzt: Jede vierte der 16000 Stationen gilt als überflüssig.

Last der Ökosteuer immer offensichtlicher

Außerdem ist Benzin mit hohen Steuern belegt. Von den derzeit gezahlten 1,20 Euro je Liter Superbenzin gehen 65,5 Cent Mineralöl- und Ökosteuer sowie 16,6 Cent Mehrwertsteuer an den Fiskus.

Nun zeige sich die "ganze Last der fünffachen Ökosteuer", klagte der Präsident der Automobilindustrie (VDA), Bernd Gottschalk. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) forderte angesichts der Rekordpreise die Bundesregierung auf, durch eine Senkung der Öko-Steuer für niedrigere Benzinpreise zu sorgen.

"Es gilt, jetzt endlich die Notbremse zu ziehen, sonst können sich viele Menschen den Weg zur Arbeit nicht mehr leisten", so der Sprecher des Verbandes.

© SZ vom 05.05.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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