Wirbel um Immobilienfonds:Eine Analystin sorgt für Aufregung

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Alexandra Merz, Analystin für offene Immobilienfonds bei der Agentur Scope, hat starke Nerven - und die braucht sie zur Zeit auch.

Christina Amann

Merz wird derzeit heftig von allen Seiten kritisiert; man wirft ihr vor, mit einer Verkaufsempfehlung für die beiden Fonds des Anbieters Kanam eine Massenflucht der Anleger ausgelöst zu haben.

Die Analystin hatte auf Schwierigkeiten bei einem Kanam-Geschäftspartner und drohende Liquiditätsprobleme bei Mittelabflüssen hingewiesen.

Sinkt die Liquidität zu stark, muss ein Fonds geschlossen werden. Genau das trat ein. Zuerst musste der kleinere Fonds US Grundinvest geschlossen werden, ein paar Tage später war es auch beim deutlich größeren Fonds Grundinvest so weit.

"Diese Sache schweißt uns zusammen"

Zu den Kritikern gehörte neben Fondsvertretern auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin), der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus-Peter Müller oder Bundesbank-Vorstandsmitglied Edgar Meister.

Die massive Kritik habe bei Scope eine interne Diskussion ausgelöst, sagt Merz. Mit offenem Ergebnis. So könnte Scope von klaren Handlungsanweisungen abrücken und künftig wie andere Ratingagenturen Noten vergeben. "Wir sind nicht reumütig, aber lernbereit", sagt Merz.

Zur Zerreißprobe wurde es für die relativ junge Ratingagentur aber nicht. Scope wurde 1999 gegründet, derzeit sind etwa 50 Mitarbeiter dort beschäftigt. "Diese Sache schweißt uns zusammen."

Die 39-Jährige ist Kritik gewohnt. So wurde sie im Dezember dafür gescholten, die Fonds der DB Real Estate zu positiv berurteilt zu haben - der Fonds Grundbesitz Invest hatte Wertberichtigungsbedarf bei seinen Deutschland-Immobilien angekündigt.

In der Folge zogen so viele Anleger ihr Geld ab, dass erstmals in der mehr als 40-jährigen Geschichte ein solcher Fonds geschlossen werden musste. "Das ist immer ein Dilemma der Ratingagenturen", sagt Merz und zuckt mit den Schultern.

Sowohl beruflich als auch privat hat die Mutter von fünf Kindern eine gehörige Portion Gelassenheit gelernt. Nach dem Studium ging sie direkt zur Deutschen Bank nach Paris. Der älteste Sohn Johann war schon geboren.

Doch auch in Frankreich sind Kinder nicht immer förderlich für die Karriere, wie Merz schmerzlich erfahren musste. Nach der Geburt des zweiten Sohnes Théo schnappte ihr ein Kollege den versprochenen Posten weg, Merz wehrte sich und erhielt eine Abfindung. Das Ergebnis war eine Menge Geld auf dem Konto und ein neuer Job bei der Ratingagentur Moody's. Sie zog an die Côte d'Azur, zwei weitere Kinder folgten.

Bei Moody's hatte Merz erstmals mit offenen Immobilienfonds zu tun. Die Branche wollte sich bewerten lassen, ein Novum in der Geschichte der Fonds. Moody's gewann 2001 die Ausschreibung und legte erste Ratings vor. Noch enthielten diese einige Fehler, räumt Merz ein. "Wir mussten damals noch viel lernen, unsere Lernkurve war aber ziemlich steil."

Doch dann kam Kind Nummer fünf und ein weiterer Bruch in der Karriere. Moody's und Merz trennten sich. Mit einer neuen Abfindung fing sie bei Scope an und entwickelte dort das Rating für die offenen Fonds weiter. Ohne Auftrag der Fondsgesellschaften, Scope finanziert sich durch den Verkauf der Ratings an Banken und Finanzdienstleister.

Das sichere eine gewisse Unabhängigkeit, betont Merz. Darauf besteht sie. "Wir wollen Tacheles reden."

© SZ vom 25.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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