Wiederverstaatlichung:Gazprom greift nach dem Öl von Yukos

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Auf seinem Weg zum Ölriesen will der weltweit größte Erdgas-Produzent das Kerngeschäft des angeschlagenen Ölkonzerns Yukos übernehmen. Experten vermuten, dass an diesem Expansionskurs auch Eon und die Deutsche Bank als Berater beteiligt sind.

Von Gerd Zitzelsberger und Hans-Willy Bein

Am Rande einer Gazprom-Direktoriumssitzung wurde am Dienstag in Moskau bekannt, dass der Mammut-Konzern für das Ölunternehmen Juganskneftegas bieten werde.

Spitzenmanager von Gazprom machten überdies kein Hehl daraus, dass ihre Ambitionen noch weiter reichen. Sergei Bogdanchikow etwa, der Chef der Ölsparte, wurde von der Agentur Bloomberg mit dem Satz zitiert, dass Gazprom zwei gleichstarke Säulen des Geschäfts - gemeint sind Gas und Öl - haben sollte.

Derzeit entfallen auf Gazprom zwar 94 Prozent der russischen Gasförderung; beim Öl aber hat sie mit einer Produktion von weniger als 800 000 Barrel pro Tag nur einen kleinen Marktanteil.

Gazprom beruft sich bei ihrem Expansionskurs auf den Rat der Deutschen Bank. "Wir werden sorgfältig die Empfehlung des Instituts zur Kenntnis nehmen", zitierte Reuters einen Spitzenmanager des Konzerns.

Bekannt ist, dass die Deutsche Bank von Gazprom ein Beratungsmandat übertragen bekommen hat. Nach Londoner Marktgerüchten hat das Institut auch bereits zugesagt, eine Finanzierung für die Übernahme der Juganskneftegas zu arrangieren.

Das Mindestgebot liegt bei 8,65 Milliarden Dollar. Eine Sprecherin der Deutschen Bank lehnte allerdings jede Stellungnahme strikt ab: "Wir geben gar keinen Kommentar."

Experten vermuten, dass Gazprom ihren Expansionskurs auch im Einvernehmen mit dem Düsseldorfer Energiekonzern Eon verfolgt. Eon ist über ihre Tochtergesellschaft Ruhrgas mit 6,4 Prozent an Gazprom beteiligt, und Ruhrgas-Chef Burkhardt Bergmann sitzt als einziger Ausländer im Direktorenrat von Gazprom; sein Unternehmen ist zugleich einer der größten Gazprom-Kunden.

Hohe Schulden

Frühere Pläne, ihre Beteiligung an Gazprom aufzustocken, hat die Eon zwischenzeitlich jedoch fallen lassen. Gazprom wird zwar an der Börse gehandelt, die Mehrheit von 51 Prozent des Kapitals liegt jedoch beim russischen Staat.

Der Konzern kontrolliert 25 Prozent der weltweiten Erdgasreserven; er ist gleichzeitig aber mit hohen Schulden belastet. Gazprom ist nicht nur der größte Erdgasproduzent, sondern ihm gehören auch die innerrussischen Gaspipelines, Beteiligungen an Finanzunternehmen sowie etwa ein Telefonnetz. Das Unternehmen setzt schon heute mit 300.000 Mitarbeitern mehr als 23 Milliarden Euro um.

Die sibirische Juganskneftegas, für die Gazprom jetzt bieten will, ist die mit Abstand wichtigste Tochtergesellschaft des Yukos-Konzerns. Sie soll am 19. Dezember im Auftrag des russischen Fiskus versteigert werden; er will damit rückständige Steuern von Yukos eintreiben.

Gazprom gilt schon jetzt als der aussichtsreichste Bieter und würde allein damit schon seine Ölförderung auf künftig 1,8 Millionen Barrel (159 Liter) am Tag erhöhen. Gleichzeitig ist Gazprom mit der russischen Regierung im Gespräch, um das staatliche Ölunternehmen OAO Rosneft zu übernehmen; es produziert derzeit 425000 Barrel pro Tag.

Auf der Einkaufsliste von Gazprom stehen nach Londoner Marktgerüchten auch bereits die beiden privaten Ölkonzerne Sibneft und Surgutneftegas. Insgesamt gehe es um Zukäufe von 40 bis 50 Milliarden Dollar, heißt es. Gazprom würde mit diesen Übernahmen zwar noch lange keine Monopolstellung im russischen Energiesektor haben.

Vielmehr ist dort beispielsweise auch bereits BP mit einem Gemeinschaftsunternehmen tätig. Zudem werden Shell und Exxon ab dem Jahr 2007 mit ihren Großprojekten auf der Halbinsel Sachalin nahe Japan zu wichtigen Produzenten aufsteigen. Gazprom bekäme jedoch eine dominierende Stellung. Russland ist mit 9,2 Millionen Barrel am Tag hinter Saudi-Arabien die zweitgrößte Ölfördernation.

Die Wiederverstaatlichung eines großen Teils der russischen Energiewirtschaft wird am Finanzplatz London mit Entsetzen zur Kenntnis genommen. "Das ist nicht einmal im wirklichen Interesse des russischen Staates", sagte Leo Drollas, der Chefvolkswirt des Centre for Global Energy Studies (CGES).

Mittlerweile gebe es genügend Belege, dass Staatskonzerne weniger effizient seien, und die Ausweitung der russischen Ölförderung in den vergangenen Jahren sei praktisch ausschließlich von den privaten Unternehmen getragen worden. Drollas rechnet damit, dass das Wachstum des Energieangebots aus Russland durch die geplante Expansion von Gazprom abgeschwächt wird.

Zur Sorge, dass die Opec mit Saudi-Arabien an der Spitze einen Verbündeten hinzugewinnen könnte, bestehe kein Anlass: "Russland wird es auch künftig den Saudis überlassen, bei einem Überangebot die Produktion zu drosseln, selbst aber mit voller Kraft weiter fördern", sagte Drollas.

© SZ vom 01.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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