Wie Rolls-Royce seine Nobel-Autos verkauft:Offenbarung aus Holz und Leder

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Rolls-Royce hat mit BMW seit einigen Jahren einen starken Partner. Doch das Geschäft mit dem Luxus ist schwierig. Weltweit lassen sich nur 2500 Personenwagen zum Preis von mehr als 250.000 Euro absetzen.

Michael Kuntz

Mike Pratt hat damals diese Stellenanzeige in der Tageszeitung gelesen. BMW suchte für sein neues Rolls-Royce-Werk im Süden Englands Leute mit Sinn für feine Materialien und besonderem handwerklichen Geschick.

Auch die Kühlerfigur Emily gehört zu den vielen kleinen teuren Details, die einen Rolls-Royce auszeichnen. (Foto: Foto: Reuters)

Pratt stellte 2002 in Chichester Lederwaren her, Taschen, Tagebücher, aber auch die rote Box, in welcher der britische Schatzkanzler das Manuskript seiner Etatrede ins Parlament zu tragen pflegt.

Leute wie Pratt suchten sie bei BMW, denn der bayerische Autohersteller hatte 1998 zwar die Marke Rolls-Royce gekauft, nicht aber die alte Fabrik im mittelenglischen Crewe, in der Volkswagen heute die Tradition der jahrzehntelangen Schwestermarke Bentley fortführt.

Sechs Monate in Dingolfing geschult

Der Engländer wurde sechs Monate bei BMW in Dingolfing geschult, arbeitete an der edlen Lederausstattung der Prototypen mit und war dabei, als Anfang 2003 im neugebauten Werk Goodwood der erste Phantom vom Band lief.

Heute leitet Pratt die Leder-Werkstatt mit den 72 Mitarbeitern, die pro Fahrzeug 378 Teile auswählen, zuschneiden und vernähen. So viele sind es bereits beim Basismodell. Für die Business-Version mit den Liegesitzen im Fond liefern sie 478 verschiedene Teile an das Fließband, an dem täglich fünf der mindestens 375.000 Euro teuren Autos gebaut werden.

Doch die Liebhaber von Limousinen mit vielen kleinen, teuren Details sind rar, das Geschäft mit dem Luxus ist schwierig. Weltweit lassen sich nur 2500 Personenwagen zum Preis von mehr als 250.000 Euro absetzen.

80.000 potentielle Käufer

Auf 80.000 wird die Zahl der potentiellen Käufer geschätzt. Sie verfügen über 30 Millionen Euro liquide Mittel und sind damit die High Net Worth Individuals (HNWI).

Marktführer ist Rolls-Royce. Kein Hersteller verkauft von den über 200.000 Euro teuren Limousinen mehr als die Briten, die nächste Woche beim Autosalon in Genf ihr neues Cabriolet erstmals dem europäischen Publikum präsentieren.

Es wird einiges unternommen, um Menschen davon zu überzeugen, sich etwas zu kaufen, was sie nicht brauchen, aber gern haben wollen.

Ursprünglich wollte Rolls-Royce einmal tausend Fahrzeuge pro Jahr an die Frau oder den Mann bringen. Doch diese Marke wurde nie erreicht. 2006 fertigten die Arbeiter in der Autofabrik in Goodwood 805 Stück der Limousinen, die sich ein normaler Mensch nie im Leben leisten kann.

Fast unauffällig

Die Manufaktur mit ihrem flachen, u-förmigen Gebäude fügt sich trotz ihrer Größe fast unauffällig in die grüne Umgebung der Hügellandschaft zwischen London und der Kanalküste bei Chichester.

Der britische Architekt Nicholas Grimshaw hat in Goodwood das durch die Kantine mit dem Werk verbundene Hauptquartier um einen freien Platz herum gebaut, auf dem die kostbaren Produkte des Hauses am Haupteingang vorfahren.

Allenfalls auch mal ein BMW darf hier parken unter den Augen der Arbeiter, die vom Fließband aus einen freien Blick haben - ins Grüne und auf die Freifläche mit der wahrscheinlich größten Rolls-Royce-Dichte im Straßenverkehr weltweit.

Hier in Goodwood arbeiten 550 Leute, davon 200 in der Produktion. Mike Pratt ist mit seinen 40 Jahren schon einer der Älteren, der Durchschnitt liegt bei 35 Jahren.

Die Kunden werden jünger

Diejenigen, die einen Rolls-Royce herstellen, sind also um einiges jünger als die, von denen er gefahren wird. Dabei sind die Käufer dieser Luxuswagen heute Anfang 50 und nicht mehr Mitte 60 wie zu den Zeiten der alten Firma Rolls-Royce. Kräftig den Altersschnitt gesenkt hat etwa der 30 Jahre alte Eigentümer einer Firma in Birmingham, der mit dem Modell Phantom täglich ins Büro fährt.

Zur jüngeren Kundschaft zählt auch Nigo, der japanische Popmusiker (,,Teriyaki Boyz'') mit eigener T-Shirt-Company. Bei der Eröffnung von einem seiner ,,A Bathing Ape''-Läden in Hongkong standen 2000 Leute vor der Tür. ,,Ich habe einen großen Respekt vor zeitlosen Marken wie Louis Vuitton, Fendi, Cartier und selbstverständlich Rolls-Royce'', sagt er. Der 28-Jährige fährt zur Zeit einen schwarz-silbernen Phantom, es ist bereits sein dritter.

Der amerikanische Verleger Bill Curtis posiert bereitwillig in Shorts und Hawaiihemd mit Surfboard neben seinem grünen Rolls-Royce. Das passt gut zu seinen 16 Zeitschriften rund ums Wohnen, Reisen und Autofahren, die ihm offenkundig viel Geld einbringen.

"Ein innerer Wert wie große Kunst"

Der eher klassische Kunde ist Scheich Jaber al Abdullah al Jaber al Sabah, ein Mitglied des Herrscherhauses von Kuwait. Er verlor etliche Stücke seiner Sammlung historischer Limousinen beim Einmarsch der Iraker 1990 und kaufte sich nach einem Besuch in Goodwood im vergangenen Jahr einen Phantom. ,,Ich glaube, alles was alt, selten und limitiert ist, verkörpert Geschichte und damit einen inneren Wert wie große Kunst'', sagt der Scheich.

Rolls-Royce hat nichts weniger als den Anspruch, das beste Auto der Welt zu bauen. Fahrer und Mitfahrer finden also alles, was sie aus einem S-Klasse-Mercedes, dem 7er BMW oder einem Audi A8 auch gewohnt sind.

Aber sie finden es nicht sofort. Denn die moderne Technik ist gut verpackt in reichlich Holz und Leder in dem großzügig bemessenen Innenraum. In den Fond muss man quasi nach oben einsteigen, sodass der Fahrgast an der Ampel zwangsläufig aus dem Rolls-Royce auf die Insassen anderer Autos herabschauen kann.

Nostalgisches Ambiente

Es ist dieses Schwelgen im eher nostalgischen Ambiente, verbunden mit der Möglichkeit, jederzeit moderne Technik benutzen zu können. Da lässt sich dann der Bildschirm des Navigationsgerätes gegen eine klassische Zeigeruhr austauschen, die Kühlerfigur Emily verschwindet beim Parken, die hinteren Türen lassen sich von innen elektrisch zuziehen - und alles funktioniert per Knopfdruck.

Auf diesen Mix aus High-Tech und Handwerk wartet der Kunde geduldig drei Monate, und wenn ein Kühlschrank enthalten sein soll, sogar bis zu sechs Monate.

Oft nahm er sich vorher ein, zwei Jahre Zeit, bis er den Auftrag erteilt hat. Meist erfordert es längerfristige Beziehungen, die gepflegt werden müssen, bevor einer der 80 Händler, von denen übrigens nicht jeder immer einen Vorführwagen da hat, eine dieser absoluten Luxuskarossen verkauft.

Das Bekenntnis zum Reichtum

Denn richtig dringend ist die Anschaffung ja nicht. Es sind meist die Inhaber kleinerer oder mittlerer Unternehmen, die sich zu ihrem Reichtum bekennen. Vorstände börsennotierter Gesellschaften scheuen dagegen den Kauf eines Rolls-Royce, schon wegen möglicher kritischer Nachfragen von Aktionären. Lieber stellen sie ihn privat in die Garage.

Da die Kundschaft durchaus auch schon etwas vom Klimawandel gehört hat, müssen Händler mit Fragen nach Verbrauch und Umweltfreundlichkeit der schweren Limousinen rechnen.

Der Ausstoß von Kohlendioxid ist mit 390 Gramm pro Kilometer jenseits aller umweltpolitischen Wünsche, der Überlandverbrauch von elf Litern auf hundert Kilometern eindrucksvoll. Dann folgt der dezente Hinweis, dass es erstens ja nicht so viele von diesen Autos gibt und sie zweitens nicht so oft unterwegs sind. Sie kommen auf durchschnittlich nur 10.000 Kilometer pro Jahr.

Normalerweise besitzt der Käufer eines Rolls-Royce bereits sechs andere Wagen. Meist gehören zum Sortiment eine Limousine der Oberklasse, ein Geländewagen, ein Sportwagen von Ferrari oder Aston Martin, ein Cabrio und oft noch ein Oldtimer.

Händler sollten gut vernetzt sein

Menschen mit solchen Fuhrparks leben geballt in Beverly Hills, wo der Händler 50 Rolls-Royce pro Jahr verkauft, und in New York, gefolgt von Großbritannien. Die Händler sollten also gut vernetzt sein in ihrer wohlhabenden Klientel. Im Mittleren Osten zum Beispiel zählen sie im Idealfall selbst zu einer Königlichen Familie.

Nicht nur bei Rolls-Royce, auch bei den beiden Konkurrenten erfüllten sich die Hoffnungen nicht. Der Maybach von Mercedes blieb mit 1900 verkauften Exemplaren seit dem Jahr 2002 weit unter den Erwartungen.

Bei Bentley schoss zwar die Stückzahl auf rund 9000 Autos jährlich, aber das liegt vor allem an dem schon für etwa 170.000 Euro erhältlichen Continental, der sich großer Beliebtheit bei den Maklern an der Londoner Börse und anderen Finanzmanagern erfreut.

Einmaligkeit der Marke

,,Wir wollen keine 8000 bis 10 000 Autos produzieren'', sagt der deutsche Finanzmanager von Rolls-Royce, Hanno Kirner, zu diesem Erfolg der Konkurrenz. ,,Wir wollen die Exklusivität und Einmaligkeit der Marke.''

Lässt sich mit wenigen, aufwändig hergestellten Autos überhaupt Geld verdienen? ,,Wir machen operativen Gewinn'', antwortet Kirner. ,,Wir leisten einen positiven Beitrag zum BMW-Ergebnis und stehen allein auf eigenen Füßen.''

Man sei ein eigenständiger Autohersteller, und eine solche weltweite Struktur müsse von mehr als nur einem Modell getragen werden. Bisher gab es nur den Phantom und den Phantom in einer um 22 Zentimeter verlängerten Version.

200 neue Arbeitsplätze

Dazu kommt nun zum Sonnenbaden für etwa 400.000 Euro das Drophead Coupé, die Offenbarung aus Goodwood, wie ein Motorjournalist schrieb. Das allein beschert schon eine zweite Schicht und 200 neue Arbeitsplätze in Goodwood.

Richtig expandieren wird Rolls-Royce voraussichtlich 2010 mit einem kleinen Modell, der das bislang stiefmütterlich behandelte Marktsegment zwischen 200.000 und 300.000 Euro versorgen soll. Die Vertriebsleute rechnen im Übrigen damit, dass sie die Hälfte der Cabrio-Kunden bereits kennen, weil sie schon einen Phantom besitzen.

Angesichts der geringen Stückzahlen sei es ein entscheidender Vorteil für Rolls-Royce, auf die Möglichkeiten eines großen Herstellers zurückzugreifen, sagt Kirner.

Englische Lebensart aus Dingolfing

So arbeite die Entwicklungsabteilung in Goodwood eng mit dem Forschungszentrum in München zusammen. Bereits beim Phantom stammt die feine englische Lebensart zum Teil aus München und Dingolfing.

Der 6,75 Liter-Motor mit 453 PS wird nach Rolls-Royce-Vorgaben bei BMW gebaut. Die Rohkarossen kommen aus Niederbayern, bevor sie in Südengland fünf Tage lang einfarbig oder sieben Tage lang zweifarbig lackiert werden.

Es mag für konservative Briten bitter sein, aber der jahrzehntelang von ihnen geprägte kleine Markt der superteuren Limousinen ist heute fest in deutscher Hand. Der Maybach wird bei Mercedes gebaut, Bentley ist die Luxusmarke von Volkswagen und Rolls-Royce neben BMW und Mini eine der Marken der BMW-Gruppe.

BMW im Alltag

Das hat Folgen: Der Chef von Rolls-Royce, der Zugang hat zu einem Phantom mit Chauffeur für repräsentative Termine, fährt im Alltag als Dienstwagen den Geländewagen BMW X5. Mike Pratt kommt im BMW 320d zur Arbeit.

Bei Königin Elisabeth II. stehen zwar sieben Rolls-Royce im Fuhrpark. Das sind aber noch historische Modelle, gebaut in Crewe. Immerhin: Probe gefahren ist Ihre Majestät den Rolls-Royce Phantom aus Goodwood bereits - im Jahr 2006 beim Staatsbesuch in Malta.

© SZ vom 03.03.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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