Werbemacht der Energieriesen:Umleitung zu den billigen Töchtern

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Die großen Stromkonzerne drehen zwar dreist an der Preisschraube, doch nur wenige Kunden wechseln den Anbieter. Aber auch wer seine Trägheit überwindet, muss aufpassen: Oft unterschreibt er nur bei der Billig-Marke eines Großkonzerns - Werbung wirkt.

Martin Bell

Nur fünf Minuten, dann hat man seinen Stromanbieter gewechselt. Trotzdem zögern die Verbraucher. Sie klagen über hohe Preise, suchen sich aber keinen anderen Versorger.

Strom wird teurer: Versorger, die ihre Preise erhöht haben. (Foto: Tabelle: SZ)

Doch jetzt kommt Bewegung in den Markt. Seit dem 1. Juli dieses Jahres müssen sich die Stromanbieter ihre Grundtarife nicht mehr behördlich genehmigen lassen, die Regierung hat deshalb in der Folge mit Preissenkungen gerechnet.

Doch das Gegenteil trat ein: Während die Verbraucherpreise im Juni durchschnittlich um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr stiegen, kletterten die Strompreise um 6,2 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). "Jetzt reicht's", sagen offenbar viele Kunden. Die Bundesnetzagentur registriert eine "signifikante" Anzahl von Kündigungen.

Auf die Wechselwelle eingestellt

Doch die Konzerne haben sich bereits auf die ja zu erwartende Wechselwelle eingestellt. Genervt verlassen Verbraucher ihren Stromanbieter und kehren - oft ohne es zu merken - über die Hintertür zurück zu der Adresse, die sie verlassen wollten.

Der Trick: Ableger, die ihre Familienzugehörigkeit nicht eben vor sich hertragen, sollen wechselwillige Bundesbürger innerhalb des Konzerns umschichten oder der Konkurrenz abspenstig machen. Bestes Beispiel: E wie Einfach aus München, der auch E wie e.on heißen könnte.

Im Februar gestartet, pumpte die 100-prozentige des größten deutschen Energieversorgers Eon bis Juli über neun Millionen Euro in Werbemaßnahmen, fast ein Drittel des gesamten Branchen-Budgets.

Werblicher Starkstrom

Radio-Spots, Anzeigen, beleuchtete Citylights, dazu ein Kinospot - werblicher Starkstrom, der kleine Wettbewerber mit Macht in die Schranken verweisen will.

Ähnlich wie Yello, 100-prozentige Tochter der Karlsruher EnBW - Nummer vier im deutschen Strommarkt. Nachdem Yello seinen letztjährigen Markenbotschafter Franz Beckenbauer der Mutter überlassen hat, fordert das Kölner Unternehmen Verbraucher nun auf, den "inneren Schweinehund" zu überwinden, ein Geschöpf, das in TV und Print als Sinnbild dient, Energie für den Wechsel aufzubringen. Aber bitte für den Wechsel zur EnBW-Marke.

Der Strommarkt ist gehörig in Bewegung. Momentan profitiert davon allerdings weniger die Kundschaft als vielmehr die Werbeträger, das heißt: Fernsehen, Print- und Onlinemedien.

Denn gegenüber 2006 stiegen die Werbeausgaben im ersten Halbjahr 2007 um fast 20 Prozent.

Zurückhaltung der Großen

Dabei überrascht: Die Werbe-Budgets für die vier großen Konzernmarken fallen bisher bescheiden aus. Mit 2,48 Millionen Euro gab das Quartett aus EnBW, Eon, RWE und Vattenfall im ersten Halbjahr 2007 zusammen kaum mehr aus als Newcomer Nuon Deutschland (2,34 Millionen laut Nielsen Media Research).

Stattdessen ermöglichen die großen Vier ihren Töchtern groß angelegte Werbefeldzüge.

Außenseiter Nuon, Ableger des gleichnamigen niederländischen Konzerns, umgarnt mit "Lekker Strom" zurzeit verstärkt Endverbraucher in Berlin, Hamburg und Stuttgart.

Fünf Motive erscheinen in Tageszeitungen und sollen zum Wechsel animieren. Offenbar mit Erfolg: Rund 42 000 Neukunden kamen allein im Mai und Juni aus Vattenfalls Revieren an Spree und Elbe.

Auch Ökostrom-Anbieter wie Lichtblick und Greenpeace Energy berichten von einer auffälligen Häufung neuer Vertragsabschlüsse, insbesondere in Norddeutschland, wo die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel lange Schatten werfen.

Die Großen dominieren

Die Viererbande in der Defensive? Von wegen. Auch wenn sich laut Verband der Elektrizitätswirtschaft 1100 Unternehmen im Markt tummeln, darunter 150 Neulinge - Eon & Co. dominieren das Volt-Biz nach wie vor.

Fast 50 Prozent der Privathaushalte lassen sich vom Quartett versorgen, dazu das Gros der Industrie. Gemeinsam deckt das Quartett, so das Bundeswirtschaftsministerium, rund 80 Prozent der inländischen Stromerzeugung ab.

Den Appetit der Großen auf noch mehr Marktanteile beobachtet das Bundeskartellamt mit Argusaugen. Im Juni hatte es vor dem OLG Düsseldorf Erfolg mit seiner Entscheidung, e.on die Beteiligung an einem Stadtwerk zu untersagen - eine Wachstumsstrategie, die vor allem die Düsseldorfer und RWE verfolgen.

Das OLG-Urteil sei "eine Grundsatzentscheidung mit weitreichender Auswirkung", so das Kartellamt.

Image-Pannen

Während die Billig-Marken in die Werbeschlacht ziehen, kämpfen die Konzerne mit Image-Pannen. Die zögerliche Informationspolitik über die Störfälle in Brunsbüttel und Krümmel kostete vorige Woche Vattenfalls Kommunikationschef Johannes Altmeppen und Vorstandssprecher Klaus Rauscher ihre Posten.

Am selben Tag, an dem Rauscher seinen Rücktritt anbot, teilte der Konzern mit, man übernehme die Patenschaft für die junge Giraffe Layla aus dem Hamburger Tierpark Hagenbeck.

Der Essener Energieversorger RWE, Deutschlands Nummer zwei, verkohlt unterdessen per Anzeigen Verbraucher mit dem "weltweit ersten CO2-freien Kohlekraftwerk" - einem Vorhaben, das erst 2014 spruchreif wird.

Steckdosen sind auch mal alle

Und Marktführer Eon aus Düsseldorf ließ Ende letzten Jahres ein Mädchen auf Plakaten fragen: "Sind die Steckdosen auch mal alle?" Zehn Millionen Europäer stellten fest: Ja, Steckdosen sind auch mal alle - jedenfalls in weiten Teilen der EU, als Eon Leitungen über der Ems abschaltete, damit das Kreuzfahrtschiff "Norwegian Pearl" passieren konnte.

"Schau'n mer mal", würde wohl Franz Beckenbauer antworten, Testimonial des EnBW-TV-Spots, der seit Juni läuft. Den 30-Sekünder flankiert ein 420 Quadratmeter großes Video-Poster in Berlin, bestückt mit einem LED-System, das die Lichtgestalt des deutschen Fußballs zum Leuchten bringt.

Stromverbrauch? Unbekannt. "Energie braucht Impulse", lautet die Werbebotschaft. Das gilt auch umgekehrt.

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