Werbebranche:"Die WM bringt sicher nicht den erhofften Schub"

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Angekündigt war die WM als eine gigantische Erfolgsstory für Deutschland: 50.000 neue Jobs, von denen 20.000 dauerhaft erhalten bleiben sollen. Die Werbebranche ist inzwischen allerdings ernüchtert.

Millionen Touristen "zu Gast bei Freunden" und eine anziehende Konjunktur: Mit diesen Hoffnungen war die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland verknüpft.

Werbung mit dem Thema Fußball: Das WM-Stadion in Mönchengladbach ganz im Zeichen der Postbank. (Foto: Foto: dpa)

In den vergangenen Wochen daher: Fußball überall. Kaum ein Fernsehspot, der nicht irgendwie das Thema aufgreift. Seit Monaten holt Media-Markt mit Pocher, Steinhöfel & Co. den Titel, McDonald's lässt zur WM Millionengewinne regnen, und Paulaner schickt Oliver Kahn mit Waldemar Hartmann auf die Bank.

Die Werbungtreibenden sind inzwischen, auch aufgrund bisheriger Erfahrungen, dennoch ernüchtert. "Die WM hat keinen großen Effekt auf den Werbemarkt", sagt Manfred Kluge von der OMD.

"Budgets nicht erhöht"

"Zwar wird das Fußball-Ereignis in vielen Werbespots thematisiert, die Budgets wurden aber nicht erhöht", so der Geschäftsführer der Düsseldorfer Media-Agentur. Lediglich einige der 15 FIFA-Sponsoren haben ihre Werbeaufwendungen erhöht.

Auch abseits von Print- und TV-Werbung sind die Effekte der Meisterschaft geringer als erwartet. Beispiel Außenwerbung: Vor allem die öffentliche Diskussion über Bannmeilen der FIFA im Umfeld der Stadien, in denen nur offizielle Sponsoren werben dürfen, hat für Irritation bei Werbungtreibenden gesorgt.

Themenbezogene WM-Kampagnen haben beispielsweise bei Außenwerber Ströer Sales & Services, Köln, einen Umsatz von rund 30 Millionen Euro eingebracht. "Wie viele dieser Werbeinvestitionen on Top zu den normalen Budgets dieser Kunden einzahlen, wird erst am Ende des Jahres sichtbar sein", schränkt Geschäftsführer Ströer Sales & Services Jan Hardorp jedoch ein.

Belebung im Umfeld von Flughäfen

Bei der Außenwerbung gibt es zwar eine spürbare Belebung im Umfeld von Flughäfen, sonst bleiben die Effekte eher gering, bestätigt auch Konkurrent Udo Schendel, Geschäftsführer bei Jost von Brandis, Hamburg.

Der fraglos positive Effekt der Weltmeisterschaft wird geringer ausfallen als erhofft - selbst wenn während der Veranstaltung noch Last-Minute-Buchungen eingehen.

Die erwartet zumindest Jens-Uwe Steffens, Geschäftsführer von Pilot Media, "nicht zuletzt, weil ja etliche der geplanten WM-Aufpreise weitgehend wieder zurückgezogen wurden". Oder die Außenwerber sich gerade massiv um Last-Minute-Bucher bemühen.

Michael Bohn, Chairman von Zenithmedia, Düsseldorf, bringt es auf einen Satz: "Die WM bringt sicher nicht den erhofften Schub."

Stellt sich die Frage, was danach kommt. Wird der deutsche Werbemarkt in Agonie zurückfallen, nachdem schon das Ereignis des Jahres nicht den erhofften Effekt brachte?

Gut angelaufen

Immerhin, bisher lief das Jahr nach einigen Startschwierigkeiten auch unabhängig von der WM gut an. Erstmals seit Jahren gab es im Fernsehen im Frühjahr wieder ausgebuchte TV-Formate. Kommt also doch noch ein spürbarer Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte 2006?

Nicht nur Martin Krapf ist vom After-WM-Hype überzeugt: "Im WM-Zeitraum sind viele Unternehmen den Empfehlungen ihrer Agenturen gefolgt und haben ihre Investitionen zumindest zurückgefahren. Dementsprechend hatten WM-Kunden einen überproportionalen Share of Voice, was bei den Ausweichlern zu höheren Investitionen in der zweiten Jahreshälfte führen müsste", sagt der Geschäftsführer des RTL-Vermarkters IP Deutschland aus Köln.

Außenwerber Jan Hardorp teilt die Argumentation: "Die WM-Ausweichler werden nun, nach dem Fußball-Ereignis, ihre Kommunikation aufleben lassen." Freilich ist ein solcher Nachholeffekt reine Spekulation. Ob die Werbekunden tatsächlich das Bedürfnis haben, ihre WM-Abstinenz zu kompensieren, ist völlig offen.

Pilot-Chef Steffens erwartet denn auch keine großen Nachwirkungen des Fußball-Events: "Danach geht der Werbemarkt erst mal in die Sommerpause." Diese wird jedoch nicht ganz so heftig ausfallen, wie in den Vorjahren.

Konjunkturelle Aufhellung

Aufgrund der generellen konjunkturellen Aufhellung und einer Stabilisierung des Arbeitsmarkts steigt die Konsumfreude in der Bevölkerung gegenwärtig wieder.

Das Marktforschungsinstitut GfK, Nürnberg, ermittelte in seiner kontinuierlichen Konsumklima-Studie einen entsprechenden Trend: Die Ausgabenbereitschaft ist bei den Deutschen so hoch wie Ende der neunziger Jahre - es wäre töricht, jetzt nicht für das eigene Produkt zu werben.

Und dann ist da noch die geplante Mehrwertsteuererhöhung zum Jahreswechsel. Viele Experten sind überzeugt, dass die saisonale Belebung des Werbegeschäfts zum Jahresende dieses Mal höher ausfallen wird: "Da werden am Ende sicherlich noch Last-Minute-Schnäppchen angepriesen werden", prognostiziert Kluge.

Spürbare Preiserhöhungen zu erwarten

Das mache besonders bei Autos, Unterhaltungselektronik oder anderen langlebigen Investitionsgütern Sinn, bei denen spürbare Preiserhöhungen zu erwarten sind.

Rund 13 Prozent der Bevölkerung, so eine Studie des Stern, planen Anschaffungen von hochpreisigen Gütern vorzuziehen. Nun werden solche Produkte nicht von heute auf morgen gekauft, die Auswahl und Entscheidung brauchen Zeit.

Im Dezember dürften Kampagnen für den diesjährigen Auto-, Waschmaschinen- oder Fernseherkauf zu spät kommen. Insofern werden die Werbespendings für diese Produkte bereits im Spätsommer anziehen.

Printmedien mit taktischem Vorteil

Besonders bei den Printanzeigen, so Sven Holsten, Geschäftsführer der Zeitungs-Vermarktungskombi NBRZ, München: "Da dann die Abverkäufe gesteigert werden müssen, wird die Zeitung als dazu passendes taktisches Werbemedium vermehrt eingesetzt werden."

Umgekehrt wird bei Fast Moving Consumer Goods die geplante Steuererhöhung werbetechnisch keine Auswirkungen haben. "Da sind die Konsequenzen für den Kunden erst nachgelagert zu spüren", argumentiert Pilot-Chef Steffens und dämpft damit übergroße Erwartungen.

Anders als in früheren Jahren kommen Etaterhöhungen zudem nicht mehr eins zu eins der TV- und Print-Werbung zu Gute. "Zusätzliche Budgets werden inzwischen immer mehr in Online, Direkt- und Handelsmarketing-Kampagnen gesteckt", weiß Steffens. Gelder, die bei Anzeige und Fernsehspot dann fehlen.

Online unbeeindruckt von Schwankungen

Online etwa schreibt seit geraumer Zeit gänzlich unbeeindruckt von üblichen saisonalen Schwankungen oder anderen äußeren Einflüssen Zuwachsraten. "Für diesen Bereich gehen wir von einem deutlich zweistelligen Wachstum aus", sagt IP-Chef Krapf und bestätigt damit die Einschätzung der Branchenanalysten.

Zwischen zehn und 15 Prozent schwanken deren Wachstumsprognosen für 2006. Dialog- und Handelsmarketing können da zwar nicht mithalten, aber auch hier ist das Plus höher als in der Klassik. Einen deutlichen Anstieg der TV-Werbebudgets erwartet Kluge konsequenterweise auch nicht, zumal ja bereits das vierte Quartal 2005 hervorragend gelaufen sei, die Latte also bereits hoch liege: "Das Wachstum bleibt unter fünf Prozent", so seine Prognose.

Andreas Kühner, Sprecher der SevenOne Media, Unterföhring, geht sogar darunter: "Wir gehen davon aus, dass der gesamte deutsche TV-Werbemarkt 2006 um netto zwei Prozent wachsen wird."

Business as usual

Bei der Printwerbung sind die Prognosen ähnlich: "Zurzeit würde ich allenfalls von einer leichten Belebung des Werbemarkts ausgehen. Nach der WM ist nach den derzeitigen Konjunkturindikatoren vom business as usual auszugehen.

Das Konsumklima ist gut, viele Investitionen werden noch vor der Steuererhöhung getätigt werden", sagt Thomas Lindner, Anzeigenleiter des Stern. NBRZ-Chef Holsten ergänzt: "Wo sollen auch die Impulse für deutliches Wachstum herkommen?" Schließlich werde für die Gesamtwirtschaft ebenfalls ein allenfalls moderates Wachstum erwartet.

WM-Effekt zwar gering, aber vorhanden

Was Branchenexperten jedoch unisono ausschließen ist, dass die Werbespendings des Jahres 2006 sinken. Dafür lief das erste Halbjahr bereits zu gut. Auch wenn der Effekt der WM geringer war als erwartet, wegzudiskutieren ist er nicht. Und mit der geplanten Steuererhöhung ist auch das zweite Halbjahr gesichert.

"Insgesamt wird das Jahr 2006 über dem Vorjahr liegen", ist Kluge von der OMD überzeugt. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) erwartet, dass die Gesamtinvestitionen in Werbung dieses Jahr die 30-Milliarden-Grenze knacken werden - nach 29,6 Milliarden im Vorjahr. Damit würde der Werbemarkt nach Talfahrt das Niveau von 2001 wieder erreichen.

Allerdings: Für 2007 erwartet der Verband nur eine minimale Steigerung der Werbeausgaben von unter einem Prozent. Von einer gefestigten Trendwende kann demnach keine Rede sein.

Mehr Marketing-Mitarbeiter gesucht

Wenn auch das Zwischenhoch nur von kurzer Dauer ist, auf einen weiteren Bereich könnte es sich dennoch belebend ausgewirkt haben: Der Personaldienstleister Adecco zählte jedenfalls in seinen Stellenmarkt-Auswertungen von Januar bis Ende Mai insgesamt 2310 ausgeschriebene Positionen im Marketing und 1468 in Werbung und PR. Damit wurde für diese Bereiche jeweils rund ein Viertel mehr Mitarbeiter gesucht als im Vorjahreszeitraum.

Zusammenfassend kann das Jahr 2006 in wenigen Sätzen beschrieben werden: Der Werbemarkt wird nach der WM, die insgesamt nur moderate Zuwächse erbracht hat, erst einmal ins übliche Sommerloch absacken.

Der Herbst wird ähnlich dem des Vorjahres verlaufen, allerdings mit einem leichten Plus. Dieses wird aus einer insgesamt leicht gestiegenen Konjunktur resultieren. Aber auch aus Kampagnen-Verschiebungen von Kunden, die während der WM nicht werben wollten und dann nachziehen.

Steigerung zum Jahresende

Zum Jahresende werden die Werbebudgets dann überdurchschnittlich steigen - vorausgesetzt, die Mehrwertsteuererhöhung 2007 wird planmäßig umgesetzt.

Insgesamt werden die Werbeausgaben 2006 zwischen einem und fünf Prozent über denen des Vorjahres liegen. Es gibt also für die Branche allen Anlass dafür, zuversichtlich in die zweite Halbzeit des Werbejahres 2006 zu gehen.

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