Wer den Dollar in die Knie zwingt:Stunde der Spekulanten

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Die Scheichs klopfen den Dollar weich. Das ist vielleicht die spektakulärste Theorie hinter dem Kursrutsch der Weltleitwährung.

Von Martin Hesse

(SZ vom 12.01.2003) — Demnach verschieben Milliarden schwere Investoren aus den Golfstaaten seit Monaten Vermögen von den USA nach Europa, weil ihnen die Irak-Politik von Präsident George W. Bush nicht passt. "In jeder Bank hat man davon gehört, aber keiner kann das Gerücht bestätigen", sagt Wolfgang Stobbe, Vorstand des Devisenbrokers Ibas.

Die Wirklichkeit ist komplizierter. Doch dass reiche Araber sich wie viele andere Anleger vom Dollar abwenden, ist plausibel - aus rein ökonomischem Kalkül: Wer fürchtet, mit einer Währung Geld zu verlieren, verkauft sie, und trägt damit zur Erfüllung der Prognose bei. Doch wer verkauft wirklich Dollars und wohin fließt das Geld?

Ein Kandidat sind die Notenbanken. Sie halten weltweit - ohne Gold - Währungsreserven von insgesamt 2,9 Billionen Dollar. Mit Abstand die wichtigste Reservewährung ist der Dollar. Doch seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 haben sich die Gewichte leicht verschoben.

Hielten Notenbanken nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ende 1999 nur 12,7 Prozent ihrer Reserven in Euro, ist der Anteil bis Ende 2002 auf 18,7 Prozent gestiegen. Die Dollar- und Yen-Reserven schrumpften dagegen (Grafik). Devisenexperten deutscher Großbanken vermuten, dass sich der Trend zugunsten des Euro fortgesetzt hat.

Dennoch: "Die Umschichtungen der Zentralbanken sind nicht ausschlaggebend für die jüngste Entwicklung an den Devisenmärkten", sagt Ulrich Wortberg, Währungsstratege bei der DZ Bank.

Die Zentralbanken Chinas und Japans haben ihre Dollar-Reserven zuletzt sogar erheblich aufgestockt. China hat die heimische Währung an den Dollar gekoppelt und muss den Yuan durch Dollarkäufe künstlich niedrig halten. Wie China ist auch Japan daran interessiert, die eigene Währung nicht zu stark werden zu lassen, um die Exportwirtschaft zu entlasten.

Die Bank of Japan hat 2003 etwa 188 Milliarden Dollar eingesetzt, um den Yen-Anstieg zu bremsen. Vor allem deshalb schwollen die gesamten Reserven Japans nach Schätzungen des IWF bis Ende 2003 auf rund 660 Milliarden Dollar an. 1999 waren es 287 Milliarden Dollar gewesen.

Asiaten stopfen das Loch

Andere Zentralbanken haben dagegen ihre Eurobestände zulasten des Dollar erhöht. Dazu zählen Taiwan und Südkorea. Aber auch Mittel- und Osteuropäer halten wegen des bevorstehenden EU-Beitritts und der zunehmenden Handelsverflechtung immer mehr Euro. "Es bleibt aber dabei, dass der Dollar die wichtigste Handelswährung ist. Die Verschiebungen im Welthandel sind nicht maßgeblich für die jüngsten Währungsbewegungen", sagt Bastian Hepperle, Devisenexperte bei der WestLB.

Den USA ist die Währungspolitik Japans und Chinas ein Dorn im Auge, weil sie die amerikanische Industrie im Wettbewerb gegen die asiatische Konkurrenz benachteiligt. Andererseits stopfen die Asiaten durch ihre Dollarkäufe das Loch in der amerikanischen Leistungsbilanz. Die Commerzbank rechnet, dass die USA täglich 1,5 Milliarden Dollar ins Land holen muss, um die Lücke zu schließen, die entsteht, weil die Amerikaner mehr konsumieren als sie produzieren.

Bis vor kurzem schlossen vor allem private Investoren durch ihre Wertpapierkäufe die Lücke: Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter, Versicherungen, Pensionskassen. Nach Zahlen der DZ Bank flossen im Jahresdurchschnitt 2003 jeden Monat 58 Milliarden Dollar an Finanzinvestitionen in die USA, vier Fünftel kamen von privaten Investoren.

Im Herbst ebbte der Geldzufluss jedoch deutlich ab: Im September wurden insgesamt nur noch 16 Milliarden Dollar investiert, elf Milliarden davon stellten Zentralbanken. Die WestLB schätzt, dass mittlerweile die Notenbanken Chinas und Japans drei Viertel des US-Leistungsbilanzdefizits finanzieren.

Zwar fließt nach Einschätzung des Devisenbrokers Stobbe noch immer mehr Anlagekapital von Europa in die USA hinein, als abgezogen wird. Doch es wird weniger. Hinzu kommt, dass auch viele Amerikaner mittlerweile lieber im Ausland investieren, als im eigenen Land: "Die Amerikaner legen 1,2 Mal so viel in ausländischen Aktien an wie in amerikanischen", sagt Stobbe.

Kurzfristiges Kalkül

Das dürfte vorläufig so bleiben, glauben Investmentbanker. "Der schwache Dollar könnte ausländische Investoren veranlassen, von amerikanischen in Wertpapiere anderer Länder umzuschichten. Dies würde den Dollar weiter schwächen und weitere Verkäufe von US-Anlagen auslösen", schreiben die Strategen von J.P. Morgan in einer Studie mit Blick auf das neue Jahr.

Dies werde aus zwei Gründen vor allem amerikanische Aktien treffen: Erstens sicherten sich institutionelle Anleihen-Käufer häufig am Terminmarkt gegen Währungsrisiken ab, bei Aktien sei das weniger der Fall. Zweitens dürften die asiatischen Zentralbanken weiterhin Dollar-Anleihen kaufen, um den Kursrutsch der US-Devise zu bremsen.

Die Aktienanleger investieren dagegen zunehmend in Europa und Japan, zumal der amerikanische Aktienmarkt im Vergleich als höher bewertet und damit riskanter gilt. Die Tokioter Börse registriert daher seit rund acht Monaten regelmäßig Nettozuflüsse aus dem Ausland. Gegenüber Europa bietet Japan aus Anlegersicht den Vorteil, dass die Wirtschaft dort stärker vom kräftigen Wachstum Chinas profitiert.

Für das zunehmende Tempo der Dollar-Abwertung sind nach Meinung der Marktbeobachter jedoch nicht mittelfristig orientierte Investoren verantwortlich, die aufgrund von Zinsunterschieden und bestimmten Wachstumserwartungen in Aktien oder Anleihen anlegen. "Da ist sehr viel kurzfristige Spekulation im Spiel", sagt der Devisenexperte Wortberg. Vor allem Hedge-Fonds und die Eigenhändler der Banken wetten auf den Abwärtstrend des Dollar.

In die Karten spielten ihnen die Finanzminister der G7 bei ihrem Treffen in Dubai. Im September sprachen sich dort die Vertreter der führenden Wirtschaftsnationen für flexible Wechselkurse aus. Für Spekulanten bedeutete das im Klartext: Den USA wäre eine Abwertung des Dollar recht, um die seinerzeit lahmende Konjunktur anzukurbeln und schließlich über einen schwächeren Dollar die Leistungsbilanz ins Gleichgewicht zu bringen.

Daher lohnte es sich, auf einen fallenden Dollar zu spekulieren. Am zweiten Februarwochenende treffen sich die G7-Finanzminister in Florida. Sie wollen über die Wechselkurse sprechen. Spätestens dann wird es wieder spannend für die Währungsjongleure.

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