Weniger streng:Schröder will Pakt aufweichen

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Gerhard Schröder will die Schuldenregeln des Europäischen Stabilitätspaktes aufweichen. Es gehe darum, den Pakt "in einer ökonomisch vernünftigen Weise" zu interpretieren.

Von Ulrich Schäfer

(SZ vom 30.08.03) Schröder erklärte vor dem Verein der ausländischen Presse, Deutschland wolle den Pakt nicht verlassen, ihn aber nicht so streng auslegen, wie dies die EU-Kommission zuletzt getan habe: "Wir müssen das Wachstumsziel deutlicher unterstreichen, als das in den letzten Jahren der Fall gewesen ist." Diese Auffassung werde von der französischen Regierung geteilt und er habe auch nichts Gegenteiliges von der italienischen Regierung gehört.

Von den zwei Facetten des Paktes

Schröder betonte erneut, dass es sich dem Namen nach um einen "Stabilitäts- und Wachstumspakt" handele. Es gehe darum, teilte am Freitag auch das Bundesfinanzministerium mit, den Pakt "in seinen beiden Facetten anzuwenden".

Das Haus von Hans Eichel hat unterdessen die so genannte Maastricht-Meldung nach Brüssel geschickt und eingeräumt, dass Deutschland auch in diesem Jahr - und damit zum zweiten Mal in Folge - gegen die Schulden-Regeln des Stabilitätspaktes verstoßen werde.

Das Defizit von Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen werde am Jahresende bei 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen und die öffentliche Kreditaufnahme noch etwas höher sein, als die Bundesregierung bereits im Juni eingeräumt habe.

"Ziel bleibt es, das Staatsdefizit im kommenden Jahr wieder unter die Drei-Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrages zurückzuführen", teilte das Finanzministerium mit.

Eichels Experten erwarten 4 Prozent - mindestens

Intern räumen Eichels Experten allerdings ein, dass dies kaum zu schaffen ist: So erwarten die Beamten, dass die Schuldenaufnahme schon dieses Jahr auf über vier Prozent steigen werde.

Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser rechnete am Freitag vor, dass das staatliche Defizit sogar 4,3 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung erreichen werde.

Angesichts dieser Entwicklung sei es, wie Beamte des Finanzministeriums einräumen, überaus schwierig, im kommenden Jahr durch Sparmaßnahmen wieder unter die Drei-Prozent-Marke zu kommen. Sie verwiesen darauf, dass auch Eichel das Erreichen des Stabilitätsziels stets an eine Bedingung geknüpft habe: ein Wachstum von mindestens zwei Prozent.

Skepsis auch für 2004

Alle aktuellen Konjunkturprognosen für 2004 fallen aber deutlich schlechter aus. So warnt der Internationale Währungsfonds, dass das Defizit im nächsten Jahr bei 3,9 Prozent liegen werde - zumal das Vorziehen der Steuerreform neue Milliardenlücken reiße.

Skeptisch ist auch die EU-Kommission, obwohl sich ein Sprecher am Freitag in Brüssel eher zurückhaltend äußerte: "Wir sehen immer noch Möglichkeiten, dass das Ziel erreicht wird." Die Kommission wird im Oktober ihre Prognose für alle Mitgliedsstaaten vorlegen.

Eichels Ministerium zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass Berlin trotz des neuerlichen Verstoßes gegen den Pakt keine milliardenschweren Strafzahlungen leisten müsse. Deutschland habe sich Anfang des Jahres gegenüber dem Europäischen Rat verpflichtet, sein übermäßiges Defizit bis Ende 2004 abzubauen, "sofern keine besonderen Umstände vorliegen". Mit den eingeleiteten Sparmaßnahmen entspreche man "auch weiterhin der vom Rat vorgegebenen Linie".

Solange dies der Fall sei, habe Brüssel auch keinen Anlass, neue Schritte gegen die Bundesrepublik einzuleiten oder Sanktionen zu verhängen. "Das Defizitverfahren gegen Deutschland ruht daher zur Zeit", erklärte das Finanzministerium.

Die Konjunktur ist schuld

Die Regierung begründet den hohen Schuldenanstieg in diesem Jahr vor allem mit der schwachen Konjunktur, insbesondere die Ausgaben für den Arbeitsmarkt seien gestiegen. Zudem sei die Kreditaufnahme der Länder und Kommunen stark gewachsen, ebenso das Minus in der Renten- und Krankenkassen.

Die Opposition verlangte erneut den Rücktritt des Finanzministers: "Wir brauchen nicht 2006, sondern sofort Neuwahlen" , sagte der CDU-Haushaltspolitiker Dietrich Austermann. CDU-Parteichefin Angela Merkel forderte Eichel auf, ein neues Konzept zur Finanzierung der Steuerreform vorzulegen.

In Schweden wächst angesichts der hohen Defizite in Deutschland, Frankreich und anderen EU-Staaten die Angst vor dem Euro. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Göran Persson sagte in einem Rundfunkinterview, sein Land werde eine Einführung des Euro im Jahr 2006 überdenken, falls der Stabilitätspakt zerfalle.

In Schweden gibt es am 14. September eine Volksabstimmung darüber, ob sie der Währungsunion beitreten sollen. In den Umfragen haben die Euro-Skeptiker derzeit einen Vorsprung von 14 Prozent. Persson sagte: "Es ist offensichtlich, dass die Bedingungen, über die wir sprechen - einen funktionierenden Stabilitätspakt - natürlich gegeben sein müssen."

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