Wende bei Bertelsmann:Das vermutlich schönste Geschäft seines Lebens

Lesezeit: 3 min

Die Familie Mohn verhindert den Börsengang - und macht einen Investor noch reicher als er schon ist.

Hans-Jürgen Jakobs

Das Fernsehen hat die Verantwortlichen von Bertelsmann früh gelockt. Schon zu Beginn des Privat-TV 1984 waren sie dabei - als Mitgesellschafter des Senders RTL, dessen Name in der Anfangszeit mit Bezug aufs Programm als "Rammeln, Töten, Lallen" verulkt wurde.

Die Manager aus Gütersloh unter dem damaligen Vorstandschef Mark Wössner störte eher, dass nicht sie das Sagen am damaligen TV-Standort Luxemburg hatten, sondern eine Firma namens CLT, hinter der ein ehemaliger Schrotthändler und Stahlindustrieller stand: Baron Albert Frère aus Brüssel.

Jahrelang kämpfte das 1835 gegründete Unternehmen Bertelsmann hinter den Kulissen um RTL, doch die Perspektiven hellten sich erst auf, als Mitte der neunziger Jahre die CLT-Manager im digitalen TV viel Geld versenkten und Frères Fernsehen vor dem Abgrund stand.

In seiner Stunde der Not gelang 1996 eine Fusion zwischen der CLT und der Bertelsmann-Tochter Ufa, die - zwecks Wertausgleich - sogar 800 Millionen Euro in die Ehe mitbrachte.

Das war der erste zweifelhafte Deal mit Frère, doch das war nichts im Vergleich zu einem Geschäft fünf Jahre später: Da tauschte Frères Firma Groupe Bruxelles Lambert (GBL) einfach ihren verbliebenen Anteil von 30 Prozent an der alten CLT-Ufa, die nun RTL Group hieß, gegen 25,1 Prozent am gesamten Unternehmen Bertelsmann, verbunden mit der Option, diesen Anteil später an die Börse bringen zu können.

Altlast verschwunden

Davon machte Maître Frère nun eben Gebrauch - für ihn das vermutlich schönste Geschäft seines Lebens. Denn damals, 2001, setzte der RTL-Verbund gerade mal vier Milliarden Euro um, und Frère wäre vermutlich mit einem Kaufpreis von zwei Milliarden Euro statt des Bertelsmann-Anteils gut bedient gewesen.

Doch der damalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff drängte an die Börsen. Er sah dank der Frère-Option die Chance, im großen Stil Kapital anzuziehen. Konzernpatron Reinhard Mohn lobte zunächst die Chance einer effektiven Unternehmenskontrolle durch Analysten - später sah er Risiken, wohl auch für die eigene Macht. Der Absturz des französischen Konzerns Vivendi, gelenkt von Middelhoffs Freund Jean-Marie Messier, diente ihm als warnendes Beispiel.

Jetzt, mit dem Rückkauf des GBL-Anteils durch Bertelsmann, ist die Altlast getilgt, verschwand eine der letzten Erinnerungen an Middelhoff, den jetzigen Karstadt-Quelle-Chef. Die Kaufsumme von 4,5 Milliarden Euro freilich stellt die Verantwortlichen in allen sechs Konzerndivisionen vor besondere Herausforderungen, auch die Chefs der noch börsennotierten RTL Group, die sich zum wesentlichen Umsatz- und Gewinnbringer des Bertelsmann-Konzerns entwickelt hat.

Möglichst viel Cash und Rendite muss für das Abenteuer Rückkauf erwirtschaftet werden. In Köln, beim Hauptsender RTL Television, werden Stellen im großen Stil gekürzt, Redaktionen zusammengelegt und Programmkosten gesenkt. So ist eine erneute Ausstrahlung der teuren Dschungelshow Ich bin ein Star! - Holt mich hier raus verschoben worden.

Insgesamt hat die RTL Group seit 2001 knapp 2,4 Milliarden Euro verdient - so hoch liegt das kumulierte operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) in fünf Jahren. Die schlechte Werbekonjunktur in Deutschland freilich droht sich nachteilig auszuwirken. Zudem drücken Investitionen in die digitale Zukunft und europäische Märkte auf die Marge. RTL-Group-Chef Gerhard Zeiler sieht Pay-TV als attraktives Feld.

Als möglicher Nachfolger des Ende August 2007 scheidenden Bertelsmann-Vorstandschefs Gunter Thielen wird aber nicht der international versierte TV-Manager Zeiler gesehen, sondern Hartmut Ostrowski, der die Gütersloher Dienstleistungstochter Arvato leitet. Hier erwarten die Bertelsmann-Strategen die größten Wachstumssprünge. Die Arvato-Leute kümmern sich im englischen East Riding zusammen mit der Kommune sogar um das Eintreiben von Steuern.

Weniger interessant erscheinen den Bertelsmann-Strategen offenbar die Musik-Aktivitäten. Wettete der Ex-Vorstandschef Middelhoff mit Journalisten noch, wann der Konzern zur Nummer eins der Welt bei Musik würde, stellt Nachfolger Thielen nun die Musikverlage von BMG Music Publishing zum Verkauf.

Auch der 50-Prozent-Anteil am Musikriesen Sony BMG ist offenbar feilgeboten worden - dem japanischen Mitgesellschafter Sony, der noch einige Jahre ein Vorkaufsrecht genießen kann. Doch konnte wohl keine Einigkeit erzielt werden. Nun kümmert sich Rolf Schmidt-Holtz, der deswegen den Bertelsmann-Vorstand verlassen musste, in New York um die Profitabilität von Sony BMG. Schmidt-Holtz war in den neunziger Jahren maßgeblich am Aufbau des Bertelsmann-Fernsehens beteiligt.

© SZ vom 26.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: