Wechsel an der BDI-Spitze:Geschwächte Lobby

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Jürgen Thumann tritt als BDI-Präsident ab - und hinterlässt einen geschwächten Verband. Sein Nachfolger muss die Existenzberechtigung der Lobbygruppe beweisen.

Nina Bovensiepen

Stabwechsel beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): Der frühere Bau-Manager Hans-Peter Keitel will Jürgen Thumann nachfolgen. Dürfte man Keitel einen Rat geben, so würde man ihm als erstes einen bescheideneren Einstand empfehlen, als ihn 2005 der scheidende BDI-Präsident feierte. Thumann zelebrierte die Amtsübernahme in einer pompösen Gala mit 970 Gästen in dem mit Rosen übersäten Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt. Der BDI-Präsident bekam einen Araber-Hengst namens Hamasa Mosaad ("der Glückliche") geschenkt und der damalige Kanzler Gerhard Schröder zitierte auf der Bühne Heinrich Heine.

Designierter BDI-Präsident Keitel: Der Neue muss die Existenzberechtigung des Verbandes beweisen. (Foto: Foto: AP)

Es wäre nicht nötig, diese alte Geschichte hervorzukramen, wenn sie nicht so viel Aussagekraft besäße. Denn der Einstand von Thumann macht deutlich, mehr als man es damals ahnen konnte, wie sehr die Selbstwahrnehmung des BDI und seine wahre Bedeutung auseinanderklaffen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, der immerhin 100.000 Unternehmen mit etwas mehr als acht Millionen Beschäftigten vertritt, mag sich nach außen gerne mächtig und stolz gebärden - in Wahrheit haben sein Ruf und Einfluss arg gelitten.

Missglückte Personalpolitik

Der scheidende Präsident hat daran großen Anteil. Thumann hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Bevor der Westfale den Job übernahm, war viel Lobendes über ihn zu lesen: Ein Leisesprecher, ein vornehmer und bodenständiger Mann rücke an die BDI-Spitze.

Die Rückschau sieht anders aus. Selten stand ein mächtiger Verbandspräsident so in der Kritik wie Thumann. Geschwächt hat der Präsident sich und den Verband etwa mit seiner missglückten Personalpolitik, vor allem mit der Causa Norbert Röttgen. Thumann wollte den CDU-Mann Röttgen 2006 zum BDI-Hauptgeschäftsführer berufen. Die Wahl eines Politikers für das wichtige Amt regte die Ex-BDI-Präsidenten Michael Rogowski und Hans-Olaf Henkel derart auf, dass sie über die Boulevardpresse dagegen Front machten. Röttgen zog schließlich zurück. Die Suche nach einem Hauptgeschäftsführer endete nach langer Quälerei mit der kommunikativ schlecht vermittelten Berufung des bayerischen Umweltministers Werner Schnappauf.

Damit nicht genug. Auf der politischen Bühne hat der Ruf des BDI gelitten, weil häufig nicht klar ist, wofür der Lobbyverband eigentlich noch steht. In der Debatte über den Schutz deutscher Konzerne vor ausländischen Staatsfonds etwa warnte Thumann zunächst vor politischem Aktionismus, dann sprach er sich für eine Kontrolle nach amerikanischem Vorbild aus, um auch diese Position kurz darauf zu widerrufen. Auch in Debatten um die Energiepolitik oder um die Erbschaftsteuer gab es Irritationen über die Ausrichtung der Lobbyisten.

Fehlender "medialer Resonanzboden"

Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass dies nicht auf den BDI alleine zutrifft. So sind auch für die anderen Wirtschaftsverbände mit dem Start der großen Koalition härtere Zeiten angebrochen. In der politischen Konstellation, in der zwei große Volksparteien miteinander koalieren, finden Lobbyisten schwerer Gehör. In rot-grünen Zeiten etwa konnten die Verbände häufig die Union auf ihre Seite ziehen, um gegen die Regierung zu wettern. Das erzeugte Aufmerksamkeit.

Dieser "mediale Resonanzboden", wie Finanzminister Peer Steinbrück es einmal nannte, ist mit der großen Koalition weggebrochen. Und dennoch: Dass der BDI ausgerechnet in der Regierungszeit einer CDU-Kanzlerin einen solchen Bedeutungsverlust erleiden musste, schmerzt die BDI-Mitglieder schon lange. Dass die Präsidenten der anderen Wirtschaftsverbände teilweise ernster genommen werden als ihrer, haben sie verärgert registriert.

Auf den neuen Präsidenten wartet harte Arbeit. Ob im Kanzleramt, unter Konzernlenkern oder bei den Mitgliedsverbänden: Hans-Peter Keitel wird klarmachen müssen, wozu der einst mächtige BDI noch gebraucht wird. Daran entscheidet sich, ob die Lobby-Organisation eine eigenständige Zukunft hat - oder ob die immer wieder kursierenden Gerüchte über eine Fusion mit anderen Verbänden am Ende wahr werden.

© SZ vom 29.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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