Warnstreiks:Die "Pinkelpause" erhitzt wieder die Gemüter

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Extrawurst oder Produktivitätsgarant? Die in der Metallindustrie Nordbadens und Nordwürttembergs gewährte Erholungszeit von acht Minuten pro Stunde avanciert mal wieder zum Streitthema.

Im traditionellen Pilotbezirk Baden-Württemberg gab es am Mittwoch erste Warnstreiks im Tarifkonflikt der Metallindustrie.

Ein DaimlerChrysler-Mitarbeiter beim Warnstreik im Werk Sindelfingen. (Foto: Foto: AP)

Zunächst hätten die rund 1000 Beschäftigten der Nachtschicht bei DaimlerChrysler in Sindelfingen die Arbeit niedergelegt, sagte IG-Metall-Sprecher Kai Bliesener in Stuttgart. Danach folgten Kundgebungen in anderen Daimler-Werken sowie bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach.

Die IG Metall kämpft in Baden-Württemberg nicht nur für fünf Prozent mehr Lohn für die knapp 800.000 Beschäftigten, sondern auch für den Erhalt einer je nach Gusto als Steinkühler- oder Pinkelpause bezeichneten Arbeitsunterbrechung - einer bezahlten Erholungszeit von acht Minuten pro Stunde. Dieses Privileg der Südwest-Akkordarbeiter war bereits im Sommer 2004 von der DaimlerChrysler-Konzernleitung zur Disposition gestellt worden. Die damalige Kompromisslösung sah für die betroffene Belegschaft des deutsch-amerikanischen Konzerns eine Gegenrechnung mit Weiterbildungszeiten vor.

"Bestandteil dieses Produktionssystems"

Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück verteidigte diese Sonderregelung für Metaller in Nordbaden und Nordwürttemberg; "Das ist keine Extrawurst, sondern Bestandteil dieses Produktionssystems", sagte der Porsche-Betriebsrat im ZDF-Morgenmagazin.

"Wer Akkord arbeitet, braucht diese Pausen, damit die Qualität beibehalten werden kann." Nur so könnten die Beschäftigten die hohe Produktivität auf Dauer halten. "Auch durch diese Erholzeiten konnte Porsche in den letzten Jahren seine Produktivität steigern und Gewinne einfahren", betonte der Gewerkschafter. Die zusätzlichen Pausen seien auch in anderen Unternehmen mit Akkordarbeit anzutreffen.

"Sinnvoll und effizient"

Hück forderte, dass die verfügbaren Arbeitszeiten "sinnvoll und effizient" gestaltet werden sollen.

Für die laufenden Tarifverhandlungen kündigte Hück an: "Ich will den Arbeitgebern die Hand reichen, aber nur dann, wenn sie bereit sind, da mitzumachen."

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall fordert dagegen die Abschaffung der Steinkühler-Pause. Den entsprechenden Tarifvertrag hatte die Organisation bereits zum Jahresende 2005 gekündigt.

Erneute Verhandlungen am 6. März

Die Friedenspflicht war daraufhin am Dienstag ausgelaufen. Am 6.März treffen sich die Tarifparteien erneut zu Verhandlungen in Böblingen bei Stuttgart.

Der Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) kritisierte am Mittwoch die Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn. "Es ist nur die halbe Wahrheit, wenn die IG-Metall sagt, dass die Lage unserer Branche im Augenblick zufriedenstellend ist", erklärte Verbands-Präsident Dieter Brucklacher mit Blick auf die vorwiegend mittelständisch geprägte Maschinenbaubranche.

"Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass sich 20 bis 30 Prozent der VDMA-Unternehmen nahe oder sogar in der Verlustzone befinden." So habe etwa die Papiertechnik im vergangenen Jahr ein Minus von 34 Prozent verkraften müssen.

"Wechselnde Ertragslage"

Brucklacher forderte daher einen moderaten Abschluss und Boni bei guten Gewinnen. "Variable Erfolgsbeteiligungen sind ohnehin der Königsweg für den Umgang mit wechselnden Ertrags- und Konjunkturlagen, wie sie für unsere Branche typisch sind."

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