Warnstreik der Postzusteller:Bereit für einen langen Arbeitskampf

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Der Warnstreik der Postboten soll ihre Verhandlungsposition untermauern - und offenbart, wie verbittert die Angestellten in dem einst öffentlichen Sektor sind.

Konrad Fischer

Der eintägige Warnstreik könnte erst der Anfang sein, glauben die angestellten Postboten, die sich heute vor dem Münchner Gewerkschaftshaus versammelt haben. Offiziell protestieren sie gegen die Pläne ihres Arbeitgebers Deutsche Post, die bestehende Regelung für den Kündigungsschutz auszusetzen und die Wochenarbeitszeit der Beamten zu erhöhen.

Schlange stehen für den Protest: In München beteiligen sich mehr als 350 Postzusteller am Warnstreik. (Foto: Foto: K.Fischer)

Doch der Frust sitzt eigentlich viel tiefer. "Seit Jahren verschlechtern sich unsere Arbeitsbedingungen" sagt Luigi Esposito, Postbote im Münchner Stadtteil Giesing. "Die Ausfuhrbezirke wurden immer weiter ausgedehnt, anstatt dass neue Leute eingestellt wurden." Ein Kollege pflichtet ihm bei: "Wenn jetzt noch die Wochenarbeitszeit steigt, dann ist das endgültig nicht mehr zu schaffen."

Auch Anton Hirtreiter von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sagt: "Wenn die Arbeitszeit so erhöht wird, wie sich das die Arbeitgeber vorstellen, dann wird es zum Verlust von rund 5000 Arbeitsplätzen kommen."

Ernstzunehmende Warnung

Solche oder ähnliche Szenarien befürchten viele der Beschäftigten bei der Deutschen Post. Die Stimmung vor dem Gewerkschaftshaus ist daher eindeutig: Heute ist es zwar nur ein Warnstreik, aber diese Warnung ist ernst zu nehmen. "Alle Postboten sind bereit für einen längerfristigen Arbeitskampf", gibt ein aufgebrachter Briefzusteller zu Protokoll. "Sollte bei den nächsten Verhandlungen kein ordentliches Ergebnis erzielt werden, bin ich für einen kompletten Streik - nicht nur von den Zustellern."

Die Postboten fühlen sich von ihrem Arbeitgeber zunehmend unter Druck gesetzt. "Die zum Teil menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen die Mitarbeiter der Konkurrenz auf die Straße geschickt werden, sollen für uns als Messlatte dienen", sagt ein Streikender und erhält Unterstützung: "Dadurch wird aber die Qualität unserer Dienstleistung gemindert, worunter letztlich alle leiden."

Die Arbeitgeberseite fordert eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit der Beamten im Postgewerbe von 38,5 auf 40 Stunden. Die geplante Arbeitszeitverlängerung trifft also gar nicht die, die heute hier stehen und protestieren.

Erst mal geht es nur um ihre verbeamteten Kollegen - deren Arbeitszeiten aber gravierende Auswirkungen auf die Einstellungssitiuation bei den Angestellten haben werden.

Streik für die verbeamteten Kollegen

Anton Hirtreiter macht den Postboten die Auswirkungen der geplanten Regelung deutlich: "Die Post würde zunächst keine ihrer Auszubildenden übernehmen und auch die befristeten Arbeitsverträge würde man einfach auslaufen lassen." Deshalb stellt es heute keiner der privatrechtlicht beschäftigten Briefträger in Frage, für die verbeamteten Kollegen die Arbeit ruhen zu lassen. Die Beamten selbst dürfen nicht streiken.

Doch nicht nur die Angst um den eigenen Arbeits- oder Ausbildungsplatz ist es, die die Postboten heute auf die Straße treibt. "Vor allem geht es uns heute um die Beamten - das sind schließlich unsere Kollegen", sagt ein Streikender und benennt damit eine große Stärke der Postmitarbeiter, auf die die Gewerkschaft Verdi in diesem Arbeitskampf große Hoffungen setzt.

"Die Solidarität unter den Postangestellten ist sehr hoch", so Harald Pürzel, Vorsitzender des Verdi-Bezirks München. Zu einer Spaltung der Belegschaft im Arbeitskampf, wie es zuletzt bei der Deutschen Bahn zwischenzeitlich der Fall war, ist von den Post-Mitarbeitern wohl nicht zu erwarten.

Keine Einzelgruppe am längeren Hebel

Schließlich sitzt hier auch keine Einzelgruppe am deutlich längeren Hebel, wie die Lokführer bei der Bahn oder die Lotsen am Flughafen. "Ob der Zusteller den Brief nicht austeilt oder der Sortierer die Briefe nicht ordnet, bedeutet für den Kunden dasselbe: Der Briefkasten bleibt leer."

Die Streikenden sind davon überzeugt, dass für ihre Arbeitsniederlegung auch die Kunden Verständnis haben werden. "Wir fordern ja keine unangemessenen Lohnaufschläge sondern nur eine faire Anstellung, auf die wir uns verlassen können."

Dafür steht auch Luigi Esposito heute Schlange und trägt sich in die langen Streiklisten der Gewerkschaft Verdi ein. "Denn dieser Job ist schließlich nicht nur für mich persönlich wichtig, sondern sichert meiner Frau und meinen Kindern das Auskommen."

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