Walter Bau am Tag des Insolvenzantrags:Angst hinter dem großem "W"

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In der Augsburger Zentrale des Baukonzerns herrscht Ausnahmezustand - und der Oberbürgermeister ärgert sich maßlos: "Da zeigt sich mal wieder, dass die Mitverantwortung für Arbeitsplätze bei vielen Banken mehr und mehr schwindet."

Von Guido Kleinhubbert

An normalen Tagen würde sich niemand etwas dabei denken, dass Claudia Guldenschuh in der Kantine der Walter Bau-AG zu Mittag isst. An diesem Tag wirkt ihre Anwesenheit aber fast schon inszeniert und wie ein böses Omen.

Von den Banken fallen gelassen: Walter Bau. (Foto: Foto: dpa)

Deutschlands drittgrößtes Bauunternehmen hat nämlich drei Stunden vor Guldenschuhs Ankunft einen Insolvenz-Antrag beim Augsburger Amtsgericht gestellt - und das könnte in den nächsten Wochen ihren Einsatz erfordern.

Guldenschuh arbeitet für den Psychologischen Dienst des Augsburger Arbeitsamtes und kümmert sich dort um die Betreuung beschäftigungsloser Menschen. Unter anderem lotet sie aus, ob zum Beispiel "ein Maurer auch in der Verwaltung arbeiten kann".

Nur ein Zufall

Doch handelt es sich um einen Zufall, dass sie gerade jetzt bei Walter Bau vor Ort ist. Erst vor wenigen Monaten haben sie und ihre Kollegen wegen Platzmangel in der Arbeitsamt-Zentrale die neuen Büros in einem Nebengebäude bezogen - und danach die Möglichkeit bekommen, in der Kantine des Bauunternehmens zu verbilligten Preisen essen zu können.

"Irgendwie eine Ironie der Geschichte", sagt Guldenschuh, die sofort als Mitarbeiterin des Arbeitsamtes erkennbar ist, weil sie an ihrer Strickjacke ein Namensschild mit dem Logo der Bundesagentur für Arbeit befestigt hat.

Die Psychologin sitzt direkt an der Essensausgabe, wo es heute Chili und Pizza gibt. Der Essenssaal ist lichtdurchflutet, Schnee weht vor die Fenster, die Betonwände sind weiß und grün gestrichen.

"Unter enormem Druck"

Die wenigen Menschen, die schon um 12 Uhr gekommen sind, wollen lieber nichts sagen. Nur einer schnauzt die Journalisten an, dass er sich jetzt "verdammt noch mal" seiner Pizza widmen wolle. "Die Mitarbeiter stehen alle unter enormem Druck", sagt Guldenschuh, die bisher nur wenig mit den Walter-Leuten gesprochen hat.

Demnächst könnte sich das allerdings ändern, denn der Abbau von Arbeitsplätzen scheint unvermeidlich. Etwa 9500 Menschen sind bei Walter Bau beschäftigt, die meisten jedoch außerhalb von Augsburg.

In der Zentrale sind es gerade einmal 200, unter anderem die Frau an der Pforte, die heute "den stressigsten Tag ihres Lebens" hat. Das Telefon läutet im Sekundentakt, aber durchstellen kann sie niemanden: Betriebsrat und Geschäftsleitung sitzen zur Beratung zusammen und lassen mitteilen, dass sie nicht zu sprechen sind.

Die Frau an der Pforte hatte ihren Dienst gerade angetreten, als sie gegen halb neun aus dem Radio vom Insolvenz-Antrag ihres Arbeitgebers erfuhr - kurz zuvor war den meisten Kollegen auch eine E-Mail vom Betriebsrat zugegangen.

Die zehn größten Baukonzerne in Deutschland. (Foto: Grafik: sueddeutsche.de)

Geschockt sei sie "eigentlich nicht" gewesen, sagt die Frau, schließlich sei der Weg zum Insolvenzrichter "ja auch eine Chance, oder?"

Den wuchtigen Betonklotz, an deren Eingang sie sitzt, ließ Ignaz Walter vor etwa 30 Jahren im Augsburger Textilviertel als Zentrale seines Baukonzerns errichten. Schon jetzt ist der Bau viel zu groß für die wenigen Mitarbeiter, die noch in Augsburg geblieben sind.

Fast wie eine Kathedrale

Mittlerweile sind auch einige andere Firmen mit ins Haus gezogen und brachten Metallschilder im Eingangsbereich an. Der Blick fällt von hier aus ins Atrium, das fast an eine Kathedrale erinnert: An ihrem anderen Ende ist das Firmenlogo, das blau-gelbe "W", zu erkennen, das in die Panoramascheiben eingelassen ist.

Nicht einmal 50 Jahre ist es her, als unweit des Firmensitzes die meisten der traditionsreichen Webereien und Spinnereien dem Druck der ausländischen Konkurrenz nachgeben und die Produktion einstellen mussten. Tausende Menschen standen plötzlich auf der Straße.

Dass es nun auch bei Walter Bau so weit sein könnte, ärgert Augsburgs Oberbürgermeister Paul Wengert (SPD) maßlos: "Da zeigt sich mal wieder, dass die Mitverantwortung für Arbeitsplätze bei vielen Banken mehr und mehr schwindet."

In den vergangenen Tagen habe doch alles nach einer Lösung ausgesehen, sagt Wengert. "Richtig zuversichtlich" sei man im Rathaus gewesen. Jetzt drohe die Zerschlagung des letzten großen Traditions-Konzerns, der seinen Hauptsitz noch in der Hauptstadt des Regierungsbezirks Bayerisch-Schwaben habe.

"Sehr enttäuscht von den Banken"

Genau wie Wengert ist auch die Gewerkschaft IG Bau "sehr enttäuscht" von den Banken. Der Augsburger Gewerkschafts-Mitarbeiter Wolfgang Wende ist schon am Morgen zur Konzernzentrale gefahren, um den Kollegen die "volle Unterstützung" zuzusagen.

Er geht in der Kantine von Tisch zu Tisch, versucht die Mitarbeiter zu beruhigen, bittet sie, mit dem Betriebsrat an einem Strang zu ziehen. "Die Stimmung ist natürlich sehr schlecht", sagt er, "aber wir werden um jeden einzelnen Job kämpfen."

© SZ vom 02.02.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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