Währungen:Der Euro im Kontinentaldrift

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Amerika, Europa und Asien formieren sich neu - nicht nur in der Geographie. Weil sich der Dollar gegenüber Asiens Devisen nicht so stark abwerten kann, wie von Amerika gewollt, muss der Euro dran glauben. Schon gewinnt Europas Devise kräftig an Wert.

Von Helga Einecke

Ein passendes Bild zur Währungswelt kommt aus der Erdkunde. Die drei Kontinente Amerika, Europa und Asien driften auseinander. Sie formieren sich neu, begleitet von Erdstößen.

Die genaue zeitliche Abfolge von Bewegung und Beben sowie die Größe der entstehenden Kluft ist nicht exakt vorhersehbar. Doch ganz im Dunkeln tappen die Geologen nicht - und auch nicht die Währungsfachleute. Denn es gibt eine Reihe von Tatsachen, die sich aus den Erfahrungen der Währungsgeschichte interpretieren lassen.

Absturz mit Absicht

Aktuell verliert der weltweit dominierende Dollar an Wert gegenüber allen anderen Devisen. Das ist von den USA politisch so gewollt und wird an den Devisenmärkten willig umgesetzt.

Die Vereinigten Staaten kommen so günstiger an in Dollar berechnete Rohstoffe, allen voran an das Öl. Sie können ihre Güter gleichzeitig günstiger am Weltmarkt anbieten und sind vor teuren Einfuhren gefeit.

Zudem brauchen die Amerikaner jede Menge Geld. Sie müssen ein riesiges Staatsdefizit finanzieren. Sie geben außerdem für Waren und Dienstleistungen aus aller Welt weit mehr aus als sie umgekehrt einnehmen, sie leben also auf Kosten der Leistungen anderer Nationen. Sie kaufen die meisten Waren und Dienstleistungen in Asien ein, vor allem in Japan, China, Indien, aber auch in Korea, Taiwan oder Singapur.

Die Handelsmacht Japan, deren Wirtschaft seit Jahren den Weg aus der Krise sucht, nimmt die mit der Dollar-Abschwächung verbundene Aufwertung ihrer Währung allerdings nicht hin. In diesem Jahr soll sie 120 Milliarden Dollar gekauft haben, um den Yen niedrig zu halten. Weitere 70 Milliarden Dollar haben die Zentralbanken von Taiwan und China aufgewandt.

Chinas Währungshebel

Dabei verfügt das aufstrebende China über keinen Währungshebel. Der Wechselkurs des Yuan wird nicht am Devisenmarkt gebildet, er ist festgezurrt. Sehr zum Ärger der Amerikaner, deren Finanzminister bereits einen Werbefeldzug durch Asien unternahm, um die Handelspartner von der Notwendigkeit biegsamerer Währungen zu überzeugen.

Auch auf der Weltwährungskonferenz in Dubai wurde über den nötigen Kurswechsel im Währungsverhältnis zwischen Amerika und Asien geredet, in einem Kommuniqué "mehr Flexibilität" verlangt.

Dieser Stillstand zwischen den am Pazifik gelegenen Kontinenten findet in Europa ein Ventil. Der Euro als zweitwichtigste Währung nach dem Dollar bietet dem Devisenhandel genügend Spekulationsmasse.

Weil sich der Dollar gegenüber den asiatischen Währungen nicht so stark abwerten kann wie von Amerika gewollt, muss der Euro dran glauben. Schon ist sein Wert gegenüber der Leitwährung so hoch wie zu seinem Start 1999. Das ist noch kein Unglück.

1,20 Dollar — die kritische Grenze

Wechselkurse zwischen 1,10 Dollar und 1,20 Dollar kann die Wirtschaft in Europa schon verkraften. Aber die meisten Experten rechnen mit den aus der Vergangenheit bekannten Übertreibungen. Bei Wechselkursen jenseits von 1,20 Dollar werden es die europäischen Anbieter auf den Weltmärkten schwer haben.

Die Asiaten bleiben nicht auf ihren Dollar-Beständen sitzen, sondern tauschen sie zum Teil um - in Euro natürlich. Hauptsächlich aber finanzieren sie die gewaltigen Defizite der Amerikaner. "Die Asiaten verkaufen, und die Fed druckt", überspitzt ein Volkswirt die Hauptgründe für das steigende Dollar-Angebot. Europa muss sich warm anziehen, wenn der Trend zur schwachen US-Devise anhält.

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