Wählprogramme:Bei Anruf Abzocke

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Zuerst wurden unsere E-Mail-Accounts damit überschwemmt. Dann versprachen SMS die heißen Flirts oder Gewinne. Jetzt hat Spam - massenhafter Werbemüll - das Festnetztelefon erreicht.

Von Björn Finke

Eine neue Abzockmasche macht die Runde: Windige Anbieter nutzen automatische Anrufmaschinen, um massenhaft Telefonnummern anzuwählen.

(Foto: Foto: AP)

Wer abnimmt, hört eine Computerstimme. Die will dazu verleiten, persönliche Daten preiszugeben, Produkte zu bestellen oder teure Nummern zu wählen.

So genannte automatische Anrufmaschinen wählen eine Telefonnummer nach der anderen. Nimmt jemand ab, beglückt ihn eine Computerstimme mit dubiosen Botschaften.

"Beschwerden über unerwünschte Spam-Anrufe von Maschinen häufen sich seit einem Jahr ganz massiv", sagt Markus Saller, Leiter der Rechtsabteilung bei der Verbraucherzentrale Bayern. Viele Haushalte hätten bereits unliebsame Erfahrungen gemacht.

Oft wird mit der Chance auf Gewinn gelockt

Die freundlichen Stimmen von der Festplatte wollen den Angerufenen meist verleiten, eine Nummer mit teuren 0190- oder 0900-Vorwahlen zu wählen. So werde dem Opfer häufig weisgemacht, er sei als Teilnehmer eines exklusiven Ratespiels ausgewählt, berichtet Saller.

Um die Lösung der simplen Quizfrage loszuwerden, muss der Angerufene auflegen und die teure Nummer eines Mehrwertdienstes ins Telefon tippen.

Doch bis der Ratefreund antworten kann, schindet das Computerprogramm reichlich Zeit: Indem es das Opfer zum Beispiel mehrfach Namen oder Adresse buchstabieren lässt oder es in kostenpflichtigen Warteschleifen parkt.

Adressen werden verkauft

Die Abzocke funktioniere auch ohne neue Anwahl, sagt Saller - wenn der Belästigte auf eine Frage der Computerstimme hin ausdrücklich einwilligt, nun einen kostenpflichtigen Dienst nutzen zu wollen.

Evelyn Keßler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nennt weitere Motive für unerwünschte Anrufe: So wollen Adress-Sammler den Opfern deren persönliche Daten entlocken - häufig ebenfalls unter dem Vorwand eines Gewinnspiels.

Die Angaben werden verkauft. Oder die Fräuleins von der Festplatte bringen überrumpelte Gesprächspartner dazu, Produkte zu bestellen.

Anrufmaschinen billiger als Call-Center

Die Rufnummern beziehen die Anrufmaschinen von Telefonbuch-CDs. Wer seine Nummer in Kleinanzeigen oder bei einem Gewinnspiel angibt, landet ebenfalls schnell in Datenbanken der kommerziellen Telefonterroristen.

Verbraucherschützerin Keßler geht davon aus, dass die Computer der Anbieter bei ihren Rufattacken außerdem Zahlenkombinationen ausprobieren. Existiert eine der zusammengewürfelten Telefonnummern nicht, entstehen daraus keine Kosten: Die Ansage "Kein Anschluss unter dieser Nummer" ist schließlich gebührenfrei.

Und da automatische Anrufmaschinen viel billiger sind als Call-Center mit echten Telefonisten, haben die Anbieter sehr niedrige Ausgaben. Für satte Profite reichen daher schon wenige Opfer, die auf die Masche hereinfallen.

Internet-Telefonie ausgereift

Für den enormen Zuwachs bei Beschwerden hat Verbraucherschützer Saller nur eine Erklärung: Die Internet-Telefonie mit Hilfe der so genannten Voice-over-IP-Technik (VoIP) sei nun ausgereift für den Masseneinsatz.

Internetnutzer können über ihre Computer-Datenleitung Telefongespräche führen - auch mit Teilnehmern, die einen normalen Anschluss haben. Die Anrufe sind deutlich billiger als Gespräche im Telefonnetz: beste Bedingungen für die Abzocker.

Dank des weltweiten Datennetzes könnten die Betreiber ihre VoIP-Anrufwellen zudem über Computer im Ausland starten, befürchtet Saller. Das erschwere die gerichtliche Verfolgung. Und die erwartet Betreiber, denn Werbetelefonate ohne vorherige Einwilligung der Verbraucher sind verboten. Dies regelt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Direkt auflegen!

Verbraucherschützer raten, bei unerwünschten Anrufen sofort aufzulegen oder die Adresse des Betreibers zu erfragen. Die Angaben, die Uhrzeit des Telefonats sowie eine Zusammenfassung des Gesprächs sollte der Angerufene an eine Verbraucherzentrale als eidesstattliche Versicherung schicken. Die Zentralen mahnen die Anbieter dann ab.

Allerdings sei es meist nicht möglich, Adressen herauszufinden, klagt Saller. Wirkungslos gegen Spam-Telefonate ist auch die Robinson-Liste des Deutschen Direktmarketing Verbandes.

Seriöse Unternehmen schicken keine Werbung an Haushalte, die sich in das Verzeichnis haben aufnehmen lassen. Das Problem sei, sagt Saller, "dass Spam-Anrufer eben keine seriösen Firmen sind".

© SZ vom 19.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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