VW will Kosten senken:Der letzte Ausweg

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Bei den Verhandlungen um den Standort für die Produktion des kompakten Golf-Geländewagens Marrakesch droht VW-Chef Pischetsrieder indirekt mit einer Kündigung des Haustarifvertrages.

Michael Kuntz

Bernd Pischetsrieder macht Druck. Zum ersten Mal äußerte sich der Konzernchef von Volkswagen an diesem Wochenende öffentlich zu einer Klausel im Haustarifvertrag des größten europäischen Autoherstellers. Danach kann der Vertrag nachverhandelt werden, wenn das wirtschaftliche Umfeld des Unternehmens dies erforderlich mache.

Der VW-Vorstandsvorsitzende sagte zwar, dies wäre der allerletzte Weg. Es gebe derzeit nicht die Absicht, die Kündigungsklausel des Haustarifvertrages zu nutzen, der betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2011 ausschließt. Dieser Vertrag war erst im vergangenen November abgeschlossen worden.

Auch wenn Pischetsrieder betont, eine Kündigung komme gegenwärtig nicht in Frage, so dürften allein seine Äußerungen zu diesem Thema als deutliches Signal an die Arbeitnehmer zu verstehen sein, bei den Verhandlungen um den Standort für die Produktion des kompakten Golf-Geländewagens Marrakesch zu Zugeständnissen bereit zu sein.

Auto-5000-Modell

Pischetsrieder machte erneut deutlich, dass der Marrakesch in Portugal um bis zu tausend Euro pro Fahrzeug günstiger zu produzieren wäre als im Stammwerk Wolfsburg. Das bekomme die Produktion des Marrakesch nur, wenn dieser zu ähnlich günstigen Kosten hergestellt werden könne. Eine Möglichkeit hierzu sieht Pischetsrieder im Auto-5000-Modell, das der Konzern vor zwei Jahren eingeführt hat. Danach werden die Mitarbeiter etwa 20 Prozent unter dem Haustarif entlohnt - und erhalten damit in etwa den in der Autoindustrie üblichen Lohn.

Eingeführt wurde das Modell für den Bau des Kompaktvans Touran. Die dafür eingestellten, angelernten 3500 Mitarbeiter erhalten einheitlich 2560 Euro. Der Unterschied zu den jüngsten Plänen des Konzerns: Die Auto-5000-Mitarbeiter wurden aus der Arbeitslosigkeit herausgeholt. Die nun vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedrohten VW-Arbeitnehmer sollen unter den Haustarif rutschen.

Angeblich könnte das dann so ablaufen: Die VW-Mitarbeiter lösen ihren bisherigen Arbeitsvertrag auf Basis des Haustarifs auf, erhalten dafür eine Ablösung und schließen dann einen Vertrag zu den Konditionen von Auto 5000 ab. Wer sich weigere, dem drohe die betriebsbedingte Kündigung. Entsprechende Pläne würden im Konzern diskutiert, heißt es. Volkswagen will über die Produktion des Geländewagens am 26. September entscheiden.

Derzeit verhandelt das Management mit Betriebsrat und IG Metall. Über den Inhalt der Gespräche haben die Teilnehmer Stillschweigen vereinbart, heißt es beim Betriebsrat. Zudem gibt es Gespräche über eine generelle Reduzierung der Personalkosten bis zum Jahr 2011 um 30 Prozent. Dies solle über Altersteilzeit und Abfindungen geschehen. Werke sollen nicht geschlossen werden, hatte Pischetsrieder erklärt.

Betriebsrat unter Druck

Im Zuge der Kostensenkung werde die Belegschaft der sechs deutschen Werke mit zusammen 105000 Mitarbeitern um bis zu 14000 Stellen abgebaut werden müssen, hatte es zuletzt geheißen. Am Wochenende brachte eine unter Branchenexperten als spekulationsfreudig bekannte Fachzeitschrift sogar die Zahl von mittelfristig bis zu 30000 ins Gespräch. Dazu eine Konzernsprecherin von Volkswagen: "Wir halten diese Zahl für frei erfunden."

Betriebsrat und IG Metall stehen bei den Gesprächen unter starkem Druck. Erstens müssen sie sich um ihre Wiederwahl bei den Betriebsratswahlen im März kommenden Jahres sorgen. Zweitens dringen ständig neue Einzelheiten der VW-Affäre um Korruption und die mögliche Begünstigung von Betriebsräten an die Öffentlichkeit.

So soll der Konzern dem für die Betreuung des Betriebsrates zuständigen, inzwischen entlassenen Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer mehrere hunderttausend Euro erstattet haben, allein für das Jahr 2003 sollen es 702 000 Euro gewesen sein. Seinerzeit unternahmen VW-Arbeitnehmervertreter die teuerste ihrer so genannten Lustreisen.

© SZ vom 12.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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