VW baut Werk in Russland:Lockruf des Ostens

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VW wagt sich mit einem Werk nach Russland. Westliche Unternehmen haben dort zwar immer wieder Probleme mit ihren Investments - doch der Markt des Riesenlandes ist einfach zu groß und zu ungesättigt, um den Wettbewerbern überlassen zu werden.

Der Volkswagen-Konzern hat den Bau seines ersten Werkes in Russland in Angriff genommen. VW-Chef Bernd Pischetsrieder und der russische Wirtschaftsminister German Gref legten nach Mitteilung des Unternehmens am Wochenende den Grundstein für eine Autoproduktion in der nahe Moskau gelegenen Stadt Kaluga.

VW-Chef Bernd Pischetsrieder (links) im Gespräch mit dem russischen Wirtschaftsminister German Gref und dem Gouverneur der Region Kaluga, Anatolij Artamonow. (Foto: Foto: dpa)

Der Vertrag für das Werk war bereits im Mai dieses Jahres unterzeichnet worden.

Nach Angaben des größten europäischen Autobauers soll in Kaluga bereits im kommenden Jahr mit der Montage von teilzerlegten Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Skoda begonnen werden. 2009 werde dann die volle Produktion mit einer jährlichen Kapazität von 115.000 Fahrzeugen für den russischen Markt aufgenommen.

Drei auf zehn Prozent

Das strategische Ziel für VW lautet: den Marktanteil in Russland von heute drei auf dann zehn Prozent auszubauen. Pischetsrieder sagte in Kaluga: ,,Der russische Automarkt gehört zu den interessantesten der Welt.

Bislang sind die Marken des Konzerns nur über Vertriebsgesellschaften in dem Land vertreten. Wenn wir aber an dem absehbaren Wachstum teilhaben wollen, müssen wir auch in Russland fertigen.'' Ein Werk werde erfahrungsgemäß auch den Import kompletter Fahrzeuge stärken, erwartet der VW-Konzernchef.

Der deutsche Hersteller bringt mit seiner Expansions-Strategie den koreanischen Konkurrenten Hyundai in Zugzwang. Dessen Vizepräsident für Mittel- und Osteuropa hatte vor vier Wochen bei der Automesse in Paris angekündigt, man prüfe die Möglichkeiten für eine Fabrik in Russland.

Nicht mehr allzu viel Zeit

Den Asiaten bleibt nicht mehr allzu viel Zeit. Denn ausländische Autohersteller müssen sich bis zum Jahresende für den Bau von Fabriken in Russland entscheiden, um eine Steuer zu vermeiden, die zwischen 15 und 30 Prozent auf den Wert ihrer Fahrzeuge betragen kann. So sieht es ein russisches Gesetz vor.

Nicht zuletzt diese Regelung führte dazu, dass in den vergangenen Monaten außer Volkswagen auch die Autoproduzenten General Motors und Nissan den Bau von Werken in Russland ankündigten.

Ford, Renault, BMW und Kia fertigen schon seit Jahren im Land und vermeiden so die Importzölle. Der russische Markt boomt seit Anfang vorigen Jahres, als erstmals mehr ausländische als Fahrzeuge einheimischer Produzenten verkauft worden sind.

Lukrativ

Der russische Markt ist für VW offenbar so lukrativ, dass auch die speziellen Schwierigkeiten in dem riesigen Reformstaat in Kauf genommen werden. Westliche Unternehmen müssten schon damit rechnen, "mal wieder geschröpft" zu werden, sagt der Russland-Experte Wolfgang Schrettl von der Freien Universität Berlin. Und zwar genau dann, wenn sie richtig gut verdienten.

Diese Erfahrung habe auch BMW mit seinem Werk in Kaliningrad machen müssen. Wenn es ums Abkassieren ginge, hätten sich die dortigen Behörden als sehr phantasievoll erwiesen. "Da wird dann einfach die Verbindungsstraße zum Werk nicht fertig, es sei denn, sie wird eben bezahlt", erläutert Schrettl.

Dennoch sei die Entscheidung VWs richtig. Zwar erlebe der Ölkonzern Shell bei seinem Sachalin-2-Projekt derzeit Behinderungen, die das ganze Milliardeninvestment des niederländisch-britischen Konzerns in Frage stellen könnten. Allerdings bestehe für Moskau zwischen der Ausbeutung von Bodenschätzen und der Produktion von Pkws ein erheblicher Unterschied, erklärt Schrettl: "Bei den Naturresourcen geht es um einen Wirtschaftsbereich von strategischer Bedeutung. Für Autos gilt das nicht."

Die Chancen seien für VW daher ungleich größer als die Risiken: Erstens sei der russische Markt mit seiner Größe überaus lukrativ. Zweitens sei die Konkurrenz inzwischen schon länger vor Ort, da könne VW nicht einfach zusehen. Drittens sei auf Grund der geltenden Zölle eine Produktion vor Ort eben auch kostengünstiger als der Import der Fahrzeuge, sagt Schrettl.

3500 Arbeitsplätze

Entsprechend gewichtig ist das Investment: In dem Werk auf einem 400 Hektar großen Gelände am Rande der Stadt werden laut VW bis zu 3.500 Arbeitsplätze entstehen.

Weitere seien durch die Ansiedelung von Zulieferern zu erwarten. Die Investitionen von Volkswagen in Kaluga haben dem Vernehmen nach ein Volumen von 370 Millionen Euro.

Die Stadt Kaluga hat rund 330.000 Einwohner und befindet sich etwa 150 Kilometer südwestlich von Moskau.

Bislang vorliegende Pläne

Nach den bisher vorliegenden Plänen sollen in der ersten russischen VW-Fabrik zunächst der Skoda Oktavia und später auch die Volkswagenprodukte Polo, Passat und Tuareg vom Band rollen.

Alle drei VW-Modelle sind in Russland sehr beliebt. Nach Angaben Pischetsrieders soll ferner ein speziell auf den russischen Markt zugeschnittenes Modell konzipiert werden, das 2009 in Produktion gehen soll. Dabei wolle VW mit heimischen Zulieferern zusammenarbeiten.

Vorgesehen sei, 60 bis 70 Prozent der Bauteile aus Russland zu beziehen. In den vergangenen Jahren haben sich bereits andere wichtige Autobauer bemüht, auf dem russischen Markt mit eigenen Werken Fuß zu fassen.

Dazu gehören unter anderem Toyota mit einem 140 Millionen Dollar teuren Werk bei St. Petersburg und Renault mit einer 250-Millionen-Dollar-Produktionsstätte in Moskau.

Autodichte Argentiniens

Nach der aktuellen Statistik kommen in Russland zurzeit rund 155 Autos auf jeweils 1.000 Einwohner, was in etwa der Autodichte in Argentinien entspricht. Zum Vergleich: In Deutschland hat in etwa jeder zweite Bürger ein Auto und in Polen jeder vierte.

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