Vorwürfe gegen Rödl & Partner:"Die drei Weisen zuckten nicht mit der Wimper"

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Bei dubiosen Finanzgeschäften verloren Anleger Millionen Euro. Nun belastet ein Gutachten die Kanzlei.

Daniela Kuhr

(SZ vom 28.06.2003) — Es sind keine guten Zeiten für Wirtschaftsprüfer. Die Bilanz-Skandale der vergangenen Jahre, wie Enron, Flowtex oder Comroad, haben das Ansehen der Branche schwer beschädigt. Manchmal hat es den Anschein, als könnten Kreditgeber, Anleger oder Aktionäre auf das Testat eines Wirtschaftsprüfers nicht mehr viel geben.

Nun werden schon wieder neue Vorwürfe laut: Diesmal geht es um die bisher von Skandalen verschont gebliebenen Wirtschaftsprüfer Rödl & Partner. Die international tätige Kanzlei, deren Hauptsitz in Nürnberg ist, beschäftigt weltweit 2300 Mitarbeiter.

Nicht Firmengründer Bernd Rödl selbst ist betroffen, wohl aber drei Mitarbeiter der Zweigniederlassung von Rödl & Partner im vogtländischen Plauen, darunter ein geschäftsführender Partner der Kanzlei. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten dazu beigetragen, dass Anleger Millionen verloren.

Nicht nur, dass die Wirtschaftsprüfer deshalb seit Wochen von Anwälten mit Schadensersatzklagen bedroht werden; jetzt liegt auch noch ein Gutachten von Konkurrent Ernst & Young vor, das die Kanzlei schwer belastet.

Angefangen hat das ganze Dilemma im vergangenen Sommer. Am 23. Juli 2002 kündigten Rödl & Partner fristlos das Beratungsverhältnis mit der SMP (steht für Sparen mit Plan).

Bei dieser Finanzgruppe, die ihren Sitz im oberfränkischen Gumpertsreuth hat, handelt es sich um ein Konglomerat von verschiedenen Firmen. Die beiden Gesellschafter, die dabei letztlich immer wieder auftauchen, sitzen seit Monaten in Untersuchungshaft. Mitte Mai hat die Staatsanwaltschaft Hof Anklage gegen die beiden wegen Betrugs und Untreue erhoben.

Mit dubiosen Finanzgeschäften soll die SMP rund 15.000 Anleger im nordbayerischen Raum, vereinzelt aber auch bundesweit, um insgesamt mehr als 120 Millionen Euro gebracht haben. Zunächst wurde den Investoren über die Ausgabe von Genusscheinen eine Beteiligung an der SMP ermöglicht.

Das eingesammelte Kapital sollte laut Verkaufsprospekt in Aktien von erstklassigen Unternehmen angelegt werden. Doch als es an den Börsen abwärts ging, setzte die SMP zunehmend auf riskante Werte und Optionsscheine - eine Strategie, die nicht aufging.

Sowohl die SMP AG als auch die SMP GmbH mussten vergangenen September Insolvenz anmelden. Wirtschaftsprüfer und Berater waren über Jahre hinweg Rödl & Partner gewesen. So weit nichts Ungewöhnliches, geschweige denn Anrüchiges. Die Rödl-Berater wollen erst im Frühsommer 2002 erfahren haben, dass bei SMP einiges im Argen lag. Daraufhin sei das Beratungsverhältnis sofort gekündigt worden.

Doch die Kollegen von Ernst & Young (E&Y) sehen das offenbar anders. Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft - nach eigenen Angaben "die dritte große Kraft am deutschen Wirtschaftsprüfer-Markt" - wurde im vergangenen August vom Aufsichtsrat der SMP beauftragt, die undurchsichtigen Vorgänge bei der Finanzgruppe aufzuarbeiten.

Dabei sollte auch "die Rolle externer Berater" untersucht werden. Ihre Erkenntnisse haben die E&Y-Gutachter auf 101 Seiten zusammen gefasst. Das Ergebnis des Gutachtens, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, könnte für Rödl ziemlich unangenehme Folgen haben.

Fest steht: Seit Juni 2000 war der in der monatlich erscheinenden Unternehmenszeitschrift "SMP intern" veröffentlichte Wert des Genussrechtsdepots deutlich höher als der tatsächliche Depotwert.

Nach Aussagen eines SMP-Angestellten hätten die Rödl-Mitarbeiter seit Januar 2001 auf der Verteilerliste für die Zeitschrift gestanden. Insofern hätte ihnen die Abweichung eigentlich auffallen müssen. Rödl widerspricht.

Seine Mitarbeiter hätten die Zeitschrift "zum ersten Mal im Juni 2002 gesehen und dabei festgestellt, dass die Geschäftsleitung der SMP GmbH gegenüber dem Vertrieb falsche Zahlen kommuniziert", heißt es in einer Stellungnahme der Kanzlei. "Daraufhin wurde das Mandat von Rödl & Partner sofort gekündigt."

Um einiges brisanter aber dürfte die E-Mail sein, die die E&Y-Gutachter bei SMP entdeckt haben. Sie datiert vom 25. Juli 2001, also rund ein Jahr vor der Kündigung des Beratungsverhältnisses durch Rödl, und war an einen der jetzt in Untersuchungshaft sitzenden Gesellschafter gerichtet.

Ein SMP-Mitarbeiter schreibt darin: "Na, was habe ich gesagt gestern? Die drei Weisen aus Plauen haben nicht mit der Wimper gezuckt, als Du die '60 % Schieflage' erwähnt hast. (...)." Rödls Stellungnahme dazu: Die E-Mail gebe "in keiner Weise inhaltlich wieder, was mit 'Schieflage' gemeint ist".

Offenbar hatten die Kollegen von E&Y zunächst das gleiche Problem gehabt. Doch ein Vergleich des Werts der Genussrechte, die Ende Juli 2001 ausgegeben waren, mit dem damals in der "SMP intern" veröffentlichten Depotwert ergab "eine Abweichung von etwa 68 Prozent".

Was die E&Y-Experten daraus schließen, fassen sie so zusammen: "Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass die R&P spätestens im Sommer 2001 Kenntnis von der 'Schieflage' im GR-Depot (Anmerkung der Redaktion: Genussrechtsdepot) erlangt haben könnte.

Demnach wäre zumindest seit diesem Zeitpunkt die Veröffentlichung unzutreffender Bestände des GR-Depots in der 'SMP intern'", die teilweise auch Vertriebshilfsmittel eingesetzt worden sein soll, "mit Wissen der R&P vorgenommen worden." Auch diese Annahme sei "falsch", sagt Rödl. Im Gegenteil, seine Mitarbeiter hätten die SMP-Geschäftsführung "mehrfach deutlich darauf hingewiesen, dass negative Kursentwicklungen dem Vertrieb mitzuteilen seien".

"Das war ein Fehler"

Insgesamt soll es "vielschichtige zur SMP gepflegte Geschäftsbeziehungen" gegeben haben, die "die Unabhängigkeit von R&P als Wirtschaftsprüfer der SMP beeinträchtigt haben" könnten, so der E&Y-Bericht.

So sollen Rödl-Mitarbeiter an Schulungsveranstaltungen teilgenommen haben und zeitweise sogar mit einem kleinen Betrag an einer der SMP-Gesellschaften beteiligt gewesen sein. Das "war ein Fehler", gibt Rödl zu, die Beteiligungen seien aber später zurückgegeben worden. "Die Unabhängigkeit der Mitarbeiter von Rödl & Partner war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt."

Auch bei den seltsamen Kapitalerhöhungen der SMP-Gesellschaften sollen Rödl-Mitarbeiter eine Rolle gespielt haben. So hatten die Gesellschafter der SMP GmbH am 6. September 2000 eine Erhöhung des Stammkapitals von bislang einer Million auf nunmehr acht Millionen DM beschlossen.

Kurz darauf fanden auffällige Bewegungen auf dem Konto der GmbH statt: Siebenmal wurden eine Million DM in Blöcken von je 500.000 DM eingezahlt und als "Einzahlung Kapitalerhöhung" erfasst. An sechs von diesen sieben Tagen wurden die eingezahlten Millionen aber gleich wieder ausgezahlt an eine andere SMP-Gesellschaft. "Im Ergebnis sind die zur Kapitalerhöhung eingebrachten Mittel also zum überwiegenden Teil sofort wieder abgeflossen", schreiben die Experten von E&Y.

Die Rechnung sah offenbar so aus: Eine Million, die man erst entnimmt, dann wieder einzahlt, dann wieder entnimmt, und wieder einzahlt - das Ganze sieben mal wiederholt, und schon kann man Einzahlungen in Höhe von sieben Million nachweisen, obwohl nur eine Million da ist. Die E&Y-Experten haben bei SMP eine Aktennotiz gefunden, die vermuten lässt, dass dieses Vorgehen mit den Rödl-Kollegen abgesprochen war.

Bei Rödl kann man daran nichts Negatives erkennen. Die GmbH-Geschäftsführer hätten damals einen Jahresgewinn von acht Millionen DM erwartet, "was von Rödl & Partner zu diesem Zeitpunkt weder geprüft werden konnte noch sollte". Dieser Gewinn sei aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags in Teilbeträgen vorab an eine andere SMP-Gesellschaft ausgeschüttet worden und dann eben jeweils wieder eingezahlt worden. "Dies entspricht dem gängigen und handelsrechtlich üblichen Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren", heißt es in Rödls Stellungnahme.

Doch offenbar war es dann mit dem Gewinn von acht Millionen DM doch nicht so weit her; die Kanzlei Rödl & Partner, die mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2000 beauftragt wurde, bekam Zweifel, ob ausstehende Forderungen in Höhe von 53 Millionen Euro jemals zurückgezahlt würden, und verweigerte ihr Testat.

"Spätestens ab Mitte 2001 hätten Rödl & Partner die Überschuldung der SMP GmbH erkennen und zu einem Insolvenzantrag raten müssen" meint Rechtsanwalt Claus Hambach von der Grünwalder Kanzlei Arendts. Er vertritt nach eigener Aussage 250 bis 300 Anleger, die mit SMP-Genussscheinen einen Schaden von "weit über zwei Millionen Euro" erlitten haben.

Seiner Ansicht nach haben Rödl & Partner "gemeinsam mit den Initiatoren der SMP die Anleger über die tatsächliche wirtschaftliche Lage getäuscht". Wäre die wahre Situation bekannt gewesen, "hätte sich doch kein Anleger mehr beteiligt".

Im Rahmen umfangreicher Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hof wurden im Herbst vergangenen Jahres auch die Räumlichkeiten der Niederlassung von Rödl & Partner in Plauen durchsucht. "Allerdings galten die Mitarbeiter dort nicht als Beschuldigte, sondern das Ganze fand im Rahmen des Verfahrens gegen die beiden früheren SMP-Geschäftsführer statt", stellt der Leitende Oberstaatsanwalt in Hof, Ernst Tschanett, klar.

Von einem offiziellen Ermittlungsverfahren gegen die Rödl-Mitarbeiter will er noch nicht sprechen, ein Aktenzeichen existiert aber bereits. Es werde jetzt geprüft, ob sich neben den bereits Angeklagten noch "weitere Angestellte der SMP oder die Berater strafbar gemacht haben".

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