Vorstoß von BDI und BDA:Ein Generalangriff auf die Mitbestimmung

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Der Vorschlag von Industrie und Arbeitgebern, die betriebliche Mitbestimmung einzuschränken, stößt auf breite Kritik bei Gewerkschaftern wie Verdi-Chef Frank Bsirske und den Parteien. Nur die FDP signalisiert Zustimmung.

Von Nina Bovensiepen

"Das Kapital sieht eine historische Chance, wieder ganz allein das Sagen zu haben", sagte IG-Metall-Vize Berthold Huber.

Verdi-Chef Bsirske spricht sich gegen die "Zerschlagung der Arbeitnehmerrechte" aus. (Foto: Foto: dpa)

Die Regierung erklärte, sie plane keine Änderungen am Mitbestimmungsgesetz.

Die Gewerkschaften wiesen den Vorstoß der Wirtschaftsverbände als "Generalangriff" auf die Mitbestimmung zurück.

Politiker der SPD-, aber auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übten Kritik an dem Konzept des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Diese hatten zuvor einen 60 Seiten umfassenden Bericht einer gemeinsamen Arbeitskommission vorgelegt, in dem sie sich für deutliche Einschnitte bei der Mitsprache von Arbeitnehmervertretern in Unternehmen aussprechen.

Im Kern sieht das Konzept vor, dass Management und Arbeitnehmer Form, Art und Umfang der Mitbestimmung in den Betrieben selbst über Vereinbarungen regeln. Bei Streitigkeiten sollen gesetzliche Regelungen greifen, die zu Ungunsten der Beschäftigten von den derzeit gültigen Vorschriften abweichen.

Insbesondere die Rolle der Gewerkschaften würde erheblich geschwächt. Diese kritisierten das Konzept dementsprechend scharf. "Einige Arbeitgeberfunktionäre wittern offenbar Morgenluft für die Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der Süddeutschen Zeitung.

Keine bewährten Arbeitnehmerrechte "über Bord werfen"

Dabei habe sich die Beteiligung der Arbeitnehmer "als sehr geeignet erwiesen, tragfähige Lösungen für die Zukunft von Unternehmen herbeizuführen, wie nicht zuletzt das Beispiel Karstadt sehr gut dokumentiert".

Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, erklärte, über Jahrzehnte bewährte Arbeitnehmerrechte "über Bord zu werfen für eine vorgebliche Modernisierung der Mitbestimmung, hieße den Standort Deutschland nachhaltig zu schwächen".

Beifall nur von der FDP

Auch in der Regierung stieß das Konzept von BDI und BDA, über das die Verbandspräsidien im November abstimmen sollen, auf wenig Zustimmung.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) teilte mit, Rot-grün plane keine Änderungen am Mitbestimmungsgesetz. Man stehe allerdings vor der Herausforderung, die deutschen Regelungen europatauglich zu machen. Darüber führe man mit den Gewerkschaften Gespräche.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, sagte: "Die Mitbestimmung ist absolut ein Standortvorteil, den wir nicht zerreden sollten." Er sei zuversichtlich, dass die Wirtschaftsverbände mit ihrem Vorstoß scheitern würden.

Auch der Arbeitsmarkt-Experte der Unionsfraktion, Karl-Josef Laumann, erklärte, er glaube nicht an einen Erfolg des Vorstoßes. "Der Arbeitnehmerflügel der Union würde das nicht mittragen."

Die deutsche Mitbestimmung habe sich "alles in allem bewährt", auch wenn es in einzelnen Punkten - zum Beispiel bei der Wahl von Gewerkschaftsvertretern in Aufsichtsräte - Reformbedarf gebe.

Einzig in der FDP ernteten die Ideen von BDI und BDA Beifall. Die Vorschläge gingen in die richtige Richtung, sagte der stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle. Das bestehende Modell sei zum Standortnachteil für Deutschland geworden.

Mitbestimmung soll eingeschränkt erhalten bleiben

Die Wirtschaftsverbände begründen ihre Initiative damit, dass sich die deutsche Mitbestimmung im weltweiten Wettbewerb zu Lasten deutscher Unternehmen auswirke. Zudem führe es vermehrt dazu, dass Betriebe abwanderten.

Die Mitbestimmung soll nach den Vorstellungen der aus 72 Mitgliedern bestehenden Kommission grundsätzlich erhalten bleiben, allerdings zielen die Vorschläge auf eine deutliche Einschränkung.

So soll es zum Beispiel weiter möglich sein, Aufsichtsräte paritätisch, also hälftig mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, zu besetzen, wie es heute bei Betrieben mit mehr als 2000 Beschäftigen ist.

Anteilseigner sollen das letzte Wort haben

Unternehmen sollen alternativ aber die Beteiligung der Arbeitnehmer auf ein Drittel begrenzen oder einen so genannten Konsultationsrat außerhalb des Aufsichtsrats bilden können. Über das gewählte Modell der Mitbestimmung sollen Geschäftsführung und ein Mitarbeitergremium verhandeln.

Haben diese sich geeinigt, haben die Anteilseigner das letzte Wort. Sie nehmen den Vorschlag mit Drei-Viertel-Mehrheit an oder lehnen ihn ab. Bei Nicht-Einigung würde automatisch das Modell der Drittel-Beteiligung wirksam.

Weiter sieht das Konzept vor, dass unternehmensfremde Gewerkschaftsvertreter nur noch in Aufsichtsräte einziehen können, wenn sie von den Arbeitnehmern direkt gewählt werden. Auch die betriebliche Mitbestimmung wollen BDI und BDA verändern.

So soll ein Betriebsrat in Unternehmen nur noch gegründet werden, wenn sich mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer an dessen Wahl beteiligt.

© SZ vom 10.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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