Vorschlag von Nahles:Flexibler Job, flexible Regeln

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Die SPD-Ministerin will mehr Menschen zum Bezug von Arbeitslosengeld verhelfen. Die Union begegnet dem mit Skepsis.

Von Guido Bohsem, Berlin

Glaubt man den Propheten der Zukunft der Arbeit, wird es bald anders zugehen in den deutschen Betrieben. "Flexibilität" lautet eines der Stichwörter, die in der Diskussion über die digitale Revolution der Arbeitswelt eine große Rolle spielen, sind sich die Experten einig. Das Problem daran ist, dass man darunter völlig verschiedene Dinge verstehen kann.

Aus Arbeitnehmersicht könnte es eine Verheißung sein, dann zu arbeiten, wann man möchte und wie es die Lebenssituation erlaubt. Aus Sicht der Unternehmen sollen die Beschäftigten hingegen flexibel auf das Arbeitsaufkommen reagieren, das von der neuen Geschäftsordnung diktiert wird - ganz früh morgens eine Konferenz mit China und am frühen Abend noch eine mit den USA, zum Beispiel.

Unter Flexibilität kann man aber auch verstehen, dass die Zahl der Kurzzeit-Beschäftigungen zunimmt. Immer mehr Leute werden nur noch für eine bestimmte Zeit engagiert. So lange, bis das Projekt fertig ist. Das Just-in-time-Prinzip auf den Arbeitnehmer übertragen.

Auf die Bundesagentur für Arbeit kämen hohe zusätzliche Ausgaben zu

Nach dem Willen von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) soll es auch für solche Beschäftigten die Möglichkeit geben, von den Vorzügen der Arbeitslosenversicherung zu profitieren. Denn eben diesen Projektarbeitern passiert es angeblich häufig, dass sie nicht genügend Versicherungszeiten nachweisen können. Damit erhalten sie nach einem Jobverlust kein Arbeitslosengeld I, sondern gleich Hartz IV. Die Regel ist nämlich, dass der Arbeitnehmer in den 24 Monaten, bevor er seinen Job verliert, mindestens zwölf Monate lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben muss. Diesen Zugang will Nahles nun erleichtern und den Nachweis-Zeitraum von zwei auf drei Jahre verlängern. Sie stützt sich dabei auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag, wonach es für Kreative und Kulturschaffende eine entsprechende Ausnahme geben soll.

Ursprünglich wollte die Koalition die Ausnahmeregelung schon im vergangenen Jahr umsetzen. Doch vertraten Union und SPD unterschiedliche Auffassungen darüber, wie genau dies geregelt werden könne. Es kam erst einmal zu einer einjährigen Verlängerung der bis dahin bestehenden Regel. Diese muss jedoch bis Ende diesen Jahres erneut verlängert werden.

"Wir brauchen für die neuen, unsteteren Arbeitswelten flexiblere Regeln", hatte Nahles bereits im Januar argumentiert und deshalb die Ausdehnung der Rahmenfrist gefordert. Nach einem Bericht der Wirtschaftswoche hat ihr Ministerium errechnet, dass davon 52 000 Personen profitieren könnten. Auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat dem Vernehmen nach Berechnungen vorgelegt, diese gingen aber von einer höheren Zahl aus.

Dass die BA skeptischer ist, verwundert nicht, würde sie doch die Kosten der Umstellung zu tragen haben. Während angeblich Bund und Kommunen um 70 Millionen Euro entlastet werden (weniger Hartz- IV-Zahlungen) müsse die BA mit zusätzlichen Ausgaben von 300 Millionen Euro für das Arbeitslosengeld I rechnen.

Beim Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA) sieht man einen gewissen Bedarf für die von Nahles vorgeschlagene Regelung. "Für Menschen, die lediglich kurzfristige Beschäftigungen ausüben und immer wieder in Arbeitslosigkeit abrutschen, obwohl sie sich intensiv um Arbeit bemühen, ist der Bedarf für einen Schutz durch die Arbeitslosenversicherung nicht völlig von der Hand zu weisen", erklärte der Verband. Es hänge aber von der konkreten Ausgestaltung ab, wie das Vorhaben zu bewerten sei. Es müsse verhindert werden, dass von der Regelung Personen profitierten, die planmäßig nur auf kurze Zeit Beschäftigungen ausübten.

Skeptisch betrachtet die Union Nahles Vorstoß. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), sagte, man habe sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, für die Gruppe der Kulturschaffenden eine von zwei auf drei Jahre verlängerte Rahmenfrist einzuführen. "Eine generelle Ausweitung der Rahmenfrist haben wir jedoch nicht verabredet." Diese koste einen dreistelligen Millionenbetrag und diene nicht dem Ziel, Arbeitslose in Beschäftigung zu bringen.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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