Von Milram-Milchbar bis Nutelleria:Eintauchen in die Markenwelt

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Mit eigenen Shops wollen Konsumgüterproduzenten wie Maggi oder Nivea die Kundenbindung stärken. Doch nicht alle sind damit erfolgreich.

Heiko Reuter

Hohe Decken, Stuck, wenige und schicke Möbel, mitten im Raum eine offene Küche: Das Frosta-Bistro kann es vom Ambiente her mit jedem Szene-Restaurant aufnehmen. Kaum zu glauben, dass hier in bester Innenstadtlage am Hamburger Rathausmarkt Tiefkühlkost auf den Tisch kommt. Mittagszeit, der Laden ist voll.

Frosta-Bistro (Foto: Foto: W&V)

"Jeden Tag gehen 250 Essen über den Tresen", sagt Restaurant-Manager Martin Blunck. Allein die drei riesigen Gefrierschränke in der Ecke zeugen davon, dass das Bistro kein gewöhnliches Speiselokal ist: Hat es geschmeckt, kann man die Produkte des Tiefkühlherstellers Frosta gleich mitnehmen.

Ein paar Schritte weiter am Jungfernstieg, zwischen noblen Boutiquen und Herrenausstattern, kreist der Kochlöffel im Maggi-Kochstudio. Der Geruch von Brühwürfeln und Tütensuppen dringt bis auf die Straße. Im Maggi-Tempel gibt es nicht nur Fertiggerichte zum Verzehr - neben Kochbüchern und Devotionalien ist das gesamte Sortiment erhältlich.

"Über Monate hinweg ausgebucht"

Roter Teppichboden, gelbe Wände: Alles ist in den Firmenfarben gehalten. Statt Pfeffer und Salz stehen die kleine braune Flasche und das Fondor-Döschen auf dem Tisch. Alle Gerichte gibt es auch zum Mitnehmen. Die Kochkurse in der riesigen Showküche im ersten Stock des Gebäudes seien "über Monate hinweg ausgebucht", freut sich Gunda-Hedi Pfeifer, Geschäftsführerin der drei zum Nestlé-Konzern gehörenden Kochstudios.

Rund 800.000 Menschen, sagt sie, hätten im vergangenen Jahr den Maggi-Locations in Hamburg, Frankfurt und Leipzig einen Besuch abgestattet. Noch weit aufwändiger setzt sich Beiersdorf in Hamburg mit seinem im April eröffneten Nivea-Haus in Szene: In direkter Nachbarschaft zum Nobelhotel Vier Jahreszeiten präsentiert der Körperpflegemittel-Hersteller auf 800 Quadratmetern und drei Ebenen nicht nur seine Cremes und Shampoos, sondern auch "Wohlfühlmomente inmitten der pulsierenden Metropole", wie es heißt.

Insgesamt 30 Nivea-Kräfte stehen für verschiedenste Wellness- und Kosmetikanwendungen Gewehr bei Fuß: von Gesichts- und Haarpflege über Maniküre und Farbberatung bis hin zu Shiatsu- und Reflexzonenmassage. Im Obergeschoss lockt eine Badewanne mit Alsterblick.

Kurzzeit-Wellness

"Das Haus zählt jeden Tag 700 Besucher", sagt Beiersdorf-Marketingleiter Thomas Schönen, der damit in den "Bereich der Kurzzeit-Wellness" vorstoßen will. Wellness und Kultur werden so auf neue Art und Weise interpretiert. Maggi, Frosta, Beiersdorf: Immer mehr Konsumgüterhersteller suchen mit Marken-Shops den direkten Kontakt zum Kunden.

"Wir möchten ganz nah am Verbraucher dran sein und hören, was ihm gefällt und was nicht", erklärt Maggi-Köchin Pfeifer. "Anders als im normalen Handel wird die Marke Nivea hier erlebbar", sagt Beiersdorf-Manager Schönen: "Das Nivea-Haus ist für uns ein zentrales, integriertes Instrument der Markenführung."

Im Supermarkt bekomme der Käufer oft nur einen Ausschnitt des Sortiments zu sehen, erläutert Martin Ruppmann, Sprecher des Markenverbands: "In so einer losgelösten Umgebung aber können Unternehmen ihre Produktwelten komplett abbilden."

Zudem böten Innenstädte und Flaniermeilen einen idealen Querschnitt durch die unterschiedlichsten Kundenschichten. Fußgängerzonen wie die in Hamburg werden damit aber auch zum Labor für Trendforscher und Produkttests.

Viele Unternehmen verwerten die Erfahrungen für ihre Marktforschung - und sparen sich so teure Fremduntersuchungen. "Wir sind im Badezimmer quasi mit dabei und können daraus viel für künftige Produkte ableiten", sagt Beiersdorf-Mann Schönen.

Fruit Bar von Chicita (Foto: Foto: W&V)

"Für die Zukunft denken wir darüber nach, inwiefern wir Erkenntnisse aus den Shops für die Produktentwicklung nutzen können", sagt Ronny Lindstädt, Marketing-Manager bei Nordmilch. Der Milchversorger betreibt unter dem Namen Milram's Milk & More zurzeit drei Milchbars in Hamburg und Leipzig.

"Das Bistro ist ganz klar auch ein zusätzliches Werkzeug für unsere Marktforscher", bestätigt Frosta-Marketing- und Vertriebsvorstand Felix Ahlers: "So bekommen wir alle Entwicklungen mit." Zum Beispiel die, dass im Markt offenbar noch eine Produktlinie für Büromenschen mit wenig Zeit gefragt war: In den nächsten Tagen kommen die neuen - mit Hilfe der Bistro-Erfahrungen konzipierten - Gourmet-Gerichte von Frosta in den Handel.

Gleichzeitig sollen die begehbaren Markenwelten auch die Wertigkeit der Dachmarke heben. "Bereits nach einem Jahr konnten wir einen positiven Image-Transfer der Shops auf die Marke Milram feststellen", so Milram-Manager Lindstädt: "Der Verbraucher attestiert uns hier eine klare Kompetenz in Sachen Milch. Und das färbt auf die Dachmarke ab." Wichtig sei, dass dabei "gleiche Schlüsselbilder und gleiche Markenwerte" kommuniziert würden.

Nicht immer ein Erfolg

Markenshop-Konzepte sind allerdings nicht immer ein Erfolg. Kein Glück hatten etwa die Ferrero-Manager mit der Nutelleria. Pizzas, Crêpes, Milchshakes, zubereitet mit der Nuss-Nougat-Paste aus dem Hause Ferrero, sollten vor allem junge Kunden ansprechen. Der Lizenznehmer Gustitalia hatte ambitionierte Pläne und wollte die Republik mit einer Kette von Nutellerias überziehen.

Im Mai 2002 eröffnete das erste Lokal in Frankfurt. Aber die schokoladenfarbenen Träume zerplatzten wie eine Seifenblase: Nach gut zwei Jahren machte Gustitalia Pleite. Im Hause Ferrero mag man sich dazu erst gar nicht äußern. Das Beispiel Nutella ist bisher aber eher die Ausnahme als die Regel. "Wir sind auf der Suche nach weiteren Shop-Standorten", sagt Milram-Manager Lindstädt.

Derweil wird die Milchbar in der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs erst einmal einem Relaunch unterzogen: Formen, Farben und Materialien sollen das Milram-Erlebnis noch intensiver machen.

Prominente Unterstützung

Bei der Neueröffnung gab es prominente Unterstützung: Radsportprofi Erik Zabel aus dem Milram-Team schaute vorbei und versuchte sich als Barkeeper. Ebenso wie die Milram-Milchbars sind auch die Maggi-Kochstudios auf Expansionskurs: In diesen Tagen öffnet in Dortmund das vierte seiner Art die Pforten, zwei weitere Ableger sind geplant.

Auch der Fruchthändler Chiquita will mit seinen Fruit Bars hoch hinaus: Bis Ende des Jahres machen in Hamburg, Frankfurt und München gleich drei neue Filialen auf. Die Inneneinrichtung ist strikt in Firmenfarben gehalten; gelbe und blaue T-Shirts für die Mitarbeiter sowie das Wandbild mit Chiquita-Damen machen das Erscheinungsbild komplett. Neben Frucht-Shakes und Salaten gibt es an den blau-gelben Tresen auch Snacks - und Bananen.

Dass sich die Investitionen in eigene Markenshops rechnen, steht für Unternehmen wie Beiersdorf außer Frage: Alle Erwartungen und Business-Pläne, so heißt es, seien "bei weitem übertroffen". Pläne für weitere Nivea-Häuser gibt es derzeit aber nicht.

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