Volkswagen:Die Verhältnisse lassen sich nicht mehr schönreden

Lesezeit: 1 min

Die Autos der Marke VW sind wahre Ingenieurs-Kunstwerke, an denen sich leider aber nichts verdienen lässt. Der VW-Aufsichtsrat ist deswegen in eine zweitägige Klausur gegangen. Von ihm wird vor allem eines verlangt: Mut zu unpopulären Entscheidungen.

Michael Kuntz

Nun ist die Zeit der Zaghaftigkeit vorbei. Bei Europas größtem Autohersteller lassen sich die Verhältnisse nicht mehr schönreden. Volkswagen wird schon zu lange von seiner Edeltochter Audi und den Finanzdienstleistungen alimentiert. Das Geld aus Ingolstadt oder dem Geschäft mit Leasing und Krediten wird im großen Volkswagen-Reich versenkt - zu einem großen Teil jedenfalls.

Zum Sparen gezwungen: VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder vor der Presse in Wolfsburg. (Foto: Foto: AP)

Die Autos der Marke VW sind auf für den Hersteller sehr kostspielige Art kundenorientiert: Die Käufer bekommen eine luxuriöse Hinterachse und manch anderen technischen Schnickschnack. Das Werk verdient fast nichts an diesen Ingenieurs-Kunstwerken, die - hier liegt eine gewisse Tragik - in Europa so gefragt sind wie die Erzeugnisse keiner anderen Autofirma.

Seit Mittwoch um 17 Uhr nun haben sich die Mitglieder des Aufsichtsrates von Volkswagen in Wolfsburg bei einer auf zwei Tage angesetzten Sondersitzung eingeschlossen.

Anforderungen

Von den jeweils zehn Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird vor allem eines verlangt: Mut zu unpopulären Entscheidungen.

Vorstandsvorsitzender Bernd Pischetsrieder, seit vier Jahren im Amt, hat zwar diverse Sparprogramme angeschoben, diese reichen aber offenbar bei weitem noch nicht.

Wolfsburg ist nicht Detroit

Seit einem Jahr mischt nun als Chef der Marke VW der ehemalige Chrysler-Sanierer Wolfgang Bernhard das Stammunternehmen auf. Doch Wolfsburg ist nicht Detroit und mehr noch als die Gewerkschaft UAW in Amerika hat die deutsche IG Metall zu sagen.

Auch wenn der Schulterschluss mit der niedersächsischen Landesregierung seit dem Machtwechsel von der SPD zur CDU nicht mehr so gut funktioniert - wie wichtig Wolfsburg für die IG Metall ist und umgekehrt, kann man schon daran sehen, dass die Gewerkschaft ihren Vorsitzender Jürgen Peters persönlich in den VW-Aufsichtsrat geschickt hat.

Trotz der schmuddeligen Sex-Affäre ihrer früheren Funktionäre hat die IG Metall bei den Betriebsratswahlen einen furiosen Sieg erreicht. Für Peters ist daraus ein Arbeitsauftrag erwachsen, der ihm nicht leicht fallen dürfte.

Sparkurs

Vordergründig geht es um den verschärften Sparkurs von Pischetsrieder. Tatsächlich sind Personen nebensächlich. In Wahrheit steht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen VW-Werke zur Disposition.

Autos aus Deutschland müssen wieder mit Gewinn nach Nordamerika exportiert werden können. Hier eine Balance zu finden zwischen den Interessen von Kapitalgebern, Arbeitnehmern, Lieferanten und Kunden - das kann lange dauern, darf es aber nicht. Zwei Tage müssen reichen.

© SZ vom 20.04.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: