Volkswagen:Der Käfer stirbt

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Nun mag man ihn selbst in Mexiko nicht mehr haben: Nach knapp 70 Jahren soll in diesem Sommer der letzte Käfer vom Band rollen. Zum Abschied darf er aber nochmals hochleben — in cremeweiß und hellblau.

In diesem Sommer rollt eine Auto-Legende letztmalig vom Band: der nur noch in Mexiko hergestellte Urtyp des VW-Käfer. "Die Käfer-Produktion geht dem Ende entgegen", sagte ein Volkswagen-Sprecher.

Demnach soll Ende Juli nach knapp 70 Jahren und mehr als 21,5 Millionen Autos Schluss sein. Derzeit werden nach VW-Angaben nur noch 53 Käfer pro Tag im Werk in Puebla montiert.

30 Prozent Steigung sollte er schon schaffen müssen

Der Titel des Papiers war so nüchtern wie das beschriebene Produkt: "Expose betreffend den Bau eines deutschen Volkswagens" stand über den Gedanken des 55-jährigen Ingenieurs Ferdinand Porsche, die er am 17. Januar 1934 aufschrieb.

Er ahnte nicht, dass aus seinen nur skizzierten Ideen die weltweit größte Erfolgsgeschichte des Automobilbaus hervorgehen sollte: Der Käfer.

Das Konzept von Porsche gilt als Geburtsstunde des meistgebauten Autos der Welt. Adolf Hitler war es Anfang der 30er Jahre, der nach einem Volkswagen verlangt hatte - zum Ärger der Autoindustrie, die ihre Absatzchancen durch den neuen Wettbewerber gefährdet sah.

Der Volkswagen sollte nach den Porsche-Ideen vier Personen Platz bieten, 100 Stundenkilometer erreichen, 30-prozentige Steigungen erklettern, verschiedene Aufbauten tragen und nicht mehr als 1.000 Reichsmark kosten. Im Juni schloss Porsche mit dem Reichsverband der Autoindustrie einen Vertrag über den Bau des Volkswagen-Prototypen.

Während Porsche noch über Boxermotor und Brezelfenster brütete, wurde die Naziorganisation "Deutsche Arbeitsfront" als Träger für ein neu zu bauendes VW-Werk in der Mitte Deutschlands bestimmt.

Die ersten Prototypen des Volkswagens waren längst auf Testfahrten unterwegs, als der Flecken Fallersleben bei Braunschweig zum Fabrikstandort bestimmt wurde. Mit dem Geld vieler tausend Sparer, die auf einen Volkswagen hofften, wurde dort eine Fabrik aus dem Boden gestampft.

Schon 1953 in 88 Länder exportiert

Der Krieg machte alle Pläne jedoch zunichte, nur wenige Käfer wurden montiert, bevor im Werk Deutsche und Zwangsarbeiter Flugzeugteile, Granatenteile und den auf Käfer-Technik basierenden Kübelwagen herzustellen begannen.

Nach dem Krieg waren Ende 1947 rund 7.000 Arbeiter im Wolfsburger Werk vor allem mit dem Wegschaufeln von Schutt beschäftigt. Die britische Besatzungsmacht beschloss, die Produktion wieder anzufahren, um den Käfer als Dienstfahrzeug für Armee und Verwaltung herzustellen. 1948 bestellten sie Heinrich Nordhoff zum Direktor, der VW zum größten Automobilwerk Europas und zum bedeutendsten Autoexporteur machte.

Der Volkswagen war das Auto, nach dem die Zeit verlangte: Billig, einfach zu reparieren und zuverlässig. Nordhoff setzte auf nur ein Modell, das kostengünstig in großen Massen hergestellt werden konnte.

Während die Technik ständig verbessert wurde, blieb das Äußere des Käfers weitgehend unangetastet. Schon 1949 ließ er ein Exportmodell mit Chromstoßstangen und besserer Polsterung herstellen, 7.000 Wagen gingen ins Ausland.

Nordhoff hatte erkannt, das der noch schwache deutsche Markt allein nicht reichen würde. Ende 1953 wurde der Wagen schon in 88 Länder exportiert. Nordhoff senkte die Preise, die Massenproduktion machte es möglich: 1954 kostete das Standardmodell 3.950 Mark. Ein Jahr später lief der millionste Käfer vom Band. Werksintern war der Kosename übrigens verpönt, man sprach vom "Typ1".

Technisch totgelaufen

Die Produktion eilte von Rekord zu Rekord: 1957 die zweite Million Käfer, 1959 die Dritte. Immer weiter feilten die Ingenieure in Wolfsburg am Käfer: Größere Heckfenster, 12-Volt-Elektrik, stärkere Motoren und mehr. Und VW entdeckte die Werbung: "Er läuft und läuft und läuft..." Ist ein Klassiker geworden.

Ende der 60er Jahre kam die Wende. Technisch hatte sich der Käfer längst totgelaufen: Die Luftkühlung kam an die Grenze, das Fahrverhalten des Heckmotors wurde bei immer höheren Geschwindigkeiten gefährlich, der Stauraum war zu klein. Trotzdem gingen die Verkaufszahlen nicht schlagartig zurück, weshalb VW in eine Sackgasse steuerte, denn technisch moderne Wagen schafften es nicht ins Programm.

Erst lange nach dem Tod von Käfer-Fan Nordhoff 1968 kam 1974 die Rettung mit dem Golf.

Der Käfer selbst lief derweil noch munter weiter: Am 17. Februar 1972 lief der 15.007.034. Käfer vom Band, damit war das Model T von Ford überholt, der Käfer der meistverkaufte Wagen. 1974 wurde die Produktion von Wolfsburg in die Werke Hannover und Emden verlegt.

Am 19. Januar 1978 lief in Emden der letzte in Deutschland produzierte Käfer vom Band.

Doch im VW-Werk Puebla in Mexiko ging es weiter. Der Wagen wurde nun im- statt exportiert - bis zum 17. August 1985. Damals kamen die letzten 3.150 offiziellen Käfer im Hafen von Emden an.

In Mexiko war der runde Krabbler aber noch Jahrzehnte gefragt, ein billiger, robuster Wagen kam gut an.

Heute versucht der VW-Konzern mit dem New Beetle von der Aura des alten Käfers zu profitieren. Die rundliche Karosserie auf dem Golf-Fahrwerk soll unter anderem alt gewordene VW-Fans ansprechen, die in klapprigen Käfer ihre Jugend verbracht haben.

Einen großen Abschied soll es nach dem Willen der Konzernspitze in Wolfsburg für den Käfer am Ende nicht geben, dafür ein Sondermodell in hellblau und cremeweiss - in Erinnerung an die erfolgreichen fünfziger Jahre.

(sueddeutsche.de/AP/AFP)

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